Google-Ranking: Herabstufung ist „Zensur light“

Google stuft seit kurzem Webangebote in den Suchergebnissen herunter, die wegen Urheberrechtsverletzungen auffallen. „Google verändert damit seinen Charakter“, beobachtet der Internettheoretiker Felix Stalder. Der Konzern stecke in einem Zwiespalt. // von Alexander Wragge

Der Internettheoretiker Felix Stalder von der Zürcher Hochschule der Künste hat Googles neue Praxis kritisiert, wegen Urheberrechtsverletzungen auffällig gewordene Internetangebote in den Suchergebnissen herunterzustufen (Downranking). „Da die meisten Nutzer nur die vorderen Suchergebnisse berücksichtigen, ist das nichts anderes als Zensur light“, sagte Stalder am Donnerstag iRights.info. „Entweder ein Angebot ist legal, und dann soll es wie jedes andere behandelt werden, oder es ist von einem Gericht als illegal befunden worden, dann muss man darüber sprechen, ob es ganz aus dem Index verschwinden soll.“

Google hat im August seinen Suchalgorithmus verändert. Werden gegen ein Webangebot besonders häufig Löschanträge wegen Urheberrechtsverletzungen durchgesetzt, wird seine Domain in den Suchergebnissen herabgestuft, wie Google-Manager Amit Singhal im Unternehmensblog erklärte.

Allerdings teilte Google auf Nachfrage des Bloggers Danny Sullivan mit, neben der Häufigkeit bestimmten weitere Faktoren das Downranking. Welche das sind, ließ das Unternehmen offen. Konzerntöchter wie Youtube, gegen deren Unterseiten ebenfalls Löschanträge eingehen, sind wohl vom Downranking ausgenommen.

Google bietet keinen Zugang zur Welt mehr

Google kommt offenbar der Unterhaltungsindustrie entgegen, die das Downranking gefordert hatte, wie Netzpolitik.org berichtet. Stalder hält diese Entwicklung für sehr problematisch. „Google verändert damit seinen Charakter. Es macht nicht mehr die Welt zugänglich, wie sie – mit all ihren Konflikten – ist, sondern eine Welt, die einflussreiche Kräfte gerne möchten.“ Angesichts der Monopolstellung des US-Konzerns müssten die Auswirkungen des Google-Suchalgorithmus auf die Meinungsbildung und auf die Weltsicht der Nutzer viel breiter diskutiert werden.

Zuletzt kreiste die Debatte um Suchalgorithmen vor allem darum, dass Googles Suchergebnisse nicht für alle Nutzer gleich, sondern zunehmend personalisiert ausfallen. Darüber hinaus steht Google in letzter Zeit auf dem Standpunkt, dass Ergebnisseiten unter die freie Meinungsäußerung des Unternehmens fallen.

Zwiespalt: Google zwischen Nutzern und Partnern

Google zufolge soll die neue Reihenfolge in den Suchergebnissen den Nutzern helfen, legale und qualitativ hochwertige Angebote zu finden, beispielsweise Musik-Streaming-Dienste wie Spotify. Derweil steigt Google zunehmend selbst in den Vertrieb von Medieninhalten ein, wozu der Konzern Verträge mit Rechteinhabern schließt. Jüngst startete etwa der Filmverleih Google Play in Deutschland.

Für Stalder bewegt sich Google in einen Zwiespalt. Der Medienkonzern Google brauche die Partnerschaft mit bestimmten Rechteinhabern und gebe entsprechend dem Druck der Unterhaltungsindustrie nach. Auf der anderen Seite lebe die Suchmaschine Google vom Vertrauen der Nutzer in die Relevanz der Ergebnisse. „Diese beiden Anforderungen decken sich nicht immer.“

Maßnahmen gegen monopolistische Strukturen

Weil die Suchfunktionen den digitalen Alltag maßgeblich lenken, fordert Stalder Maßnahmen gegen monopolistische Strukturen. „Wünschenswert wären aus meiner Sicht offene Schnittstellen, mehr Konkurrenz auf dem Suchmaschinenmarkt und alternative, eventuell auch nicht kommerzielle Suchalgorithmen.“ Im Internet hat der neue Google-Algorithmus eine Debatte ausgelöst. Die Bürgerrechtsorganisation Electronic Frontier Foundation warnt, Angebote könnten zu Unrecht herabgestuft werden, und fordert Transparenz über die Kriterien.

Google löscht Millionen Einträge im Monat

Basis des Downrankings von Webangeboten sind laut Google Beschwerden durch Rechteinhaber. Monatlich löscht Google Millionen von Einträgen aus den Suchergebnissen. Grundlage ist das sogenannte Notice-and-Takedown-Verfahren nach dem US-Gesetz Digital Millennium Copyright Act (DMCA). Betroffen sind beispielsweise Unterseiten (URLs) von Portalen wie filestube.com oder torrentz.eu, auf denen Filme, Musik und Spiele illegal zugänglich gemacht werden.

Die Webseitenbetreiber können Einspruch gegen die Löschung einlegen. Trotzdem steht die private Rechtsdurchsetzung über das DMCA regelmäßig in der Kritik. Die EFF dokumentiert mit einer Takedown – Hall of Shame, dass es immer wieder zu ungerechtfertigten Löschungen kommt. Einen Überblick über die Löschanfragen bietet der sogenannte Google-Transparency-Report.


 


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