Google+ feierte vor kurzem sein einjähriges Jubiläum. Das soziale Netzwerk ist am 28. Juni 2011 erschienen und drei Monate später, am 20. September 2011, aus der Beta-Phase getreten. Grund genug einmal nachzufragen, wie das Portal inzwischen wahrgenommen wird.
Wir haben einmal 15 deutsche Influencer aus den Medien, der PR und dem Unternehmertum gefragt, was Googles soziales Netzwerk ausmacht, ob sie überzeugte Nutzer sind und welche Vor- und Nachteile die Plattform für sie vereint. Herausgekommen ist eine 5-teilige Serie, die wir euch liebe Leser diese Woche präsentieren wollen. Heute im Gespräch Sven Wiesner, Vera Bunse und Martin Weigert…
Sven Wiesner (beesocial):
Von einem Kunden haben wir erst kürzlich die Hausaufgabe bekommen, ihm fünf knackige Gründe auszuarbeiten, warum er jetzt auf Google+ starten sollte. Wir sind ins Thema eingestiegen und standen auch im engen Austausch mit Google hier in Hamburg. Überzeugt hat den Kunden später am meisten, dass ihm die Ergänzung seiner Google Ads um die Social Elemente wie dem +1 Button eine bessere Performance der Werbemittel bringt, zum anderen aber auch der optische Vorsprung der sich durch die prominente Platzierung des Google+ Profil-Teasers auf der rechten Seite der Google Suchergebnisseite ergibt.
Die Verbindung zur Google-Suche ist also sicher eines der Killerfeatures. Aber auch wenn man sich anschaut, wie Facebook mittlerweile die Sichtbarkeit auf dem sozialen Netzwerk mit Mediabuchung verbindet, macht es sicher Sinn für Unternehmen sich den bislang völlig kostenlosen Mitbewerber Google+ anzuschauen. Auch um einer eventuellen Abhängigkeitssituation aus dem Weg zu gehen.
Ich persönlich schätze an Google+ die wesentlich sachlicher diskutierten Themen statt banalem Dauerfeuer von Katzenbildern & Co, sowie die Dichte an wirklich interessanten Köpfen. Gefühlt fand nach dem Start von Google+ eine kleine digitale Völkerwanderung statt. Während immer mehr Ex-studiVZ-Nutzer mit ihren lustigen Gruppen den Weg zu Facebook fanden, wanderte ein großer Teil der Blogger und Digital-Influencer ins Netzwerk von Google ab und machte es sich dort gemütlich.
Ich selbst nutze Google+ bisher kaum, was aber eher daran liegt dass Google es leider immer noch nicht zu 100% hin bekommt, mehrere Google-Accounts zusammenzuführen. Somit ist Google+ für mich derzeit nur über einen umständlichen Workaround nutzbar. (Anmerkung: Wir nutzen bei beesocial sehr intensiv den Google Werkzeugkasten, ich bin also die meiste Zeit mit meinem beruflichen Google-Account online. Mein Google+ Profil ist jedoch mit meinem privaten Account verknüpft).
Sven Wiesner ist Geschäftsführer der beesocial GmbH, die Mittelständlern und großen Unternehmen Hilfestellung zum Thema Social Media und Online-Kommunikation bietet. Außerdem bloggt er auf www.madbutphat.net über privates und berufliches gleichermaßen. Auf Twitter ist er unter @svenwiesner zu erreichen.
Vera Bunse (Carta):
Bei facebook hatte ich weder Lust auf Mark Zuckerbergs Überraschungen, noch, bei jeder sporadischen Nutzung wieder alle Einstellungen überprüfen zu müssen. Die ständigen neuen und für mich meist sinnlosen Features haben mir Zeit geklaut und mich genervt.
Ich finde, Google+ ähnelt eher Twitter als facebook, und auf Twitter möchte ich gar nicht mehr verzichten. Mir gefallen vor allem die individuellen Möglichkeiten, zu teilen, und die Debatten in meiner quietschlebendigen G+-Timeline bringen mir manchen Erkenntnisgewinn. Änderungen kommen in moderater Form und Schlagzahl – G+ klaut mir Zeit, weil ich gerne dort bin.
Der Wermutstropfen: Googles Weigerung, via API eine Verbindung mit der digitalen Außenwelt, etwa meinem Blog, zuzulassen. Ich hab gern alles an einer Stelle. Es ist schade, dass so viele gute Diskussionen bei G+ nach ein paar Tagen einfach versickern.
Vera Bunse betreibt die Redaktion für das Qualitätsblog Carta.info. Außerdem schreibt, liest, kocht, lebt und lacht sie gern. Bloggerin, News- und Politikjunkie. Versucht seit Jahrzehnten den Nachweis zu erbringen, dass die Erde keine Scheibe ist. Wohnt als Bedienstete eines Katers ganz oben auf den Eifelbergen und raucht zu viel. Motto: Vorher das Nachher bedenken.
Martin Weigert (Netzwertig):
Google+ kann sich technisch und optisch sehen lassen. Besonders Hangouts und das darum sukzessive entstehende Ökosystem sind ein Highlight und meines Erachtens nach das entscheidende Alleinstellungsmerkmal des Netzwerks – auch wenn ich Videokonferenzen aus Zeitgründen nur selten nutze.
Grundsätzlich fehlt Google+ aus meiner Sicht aber die entscheidende Qualität, die mich dazu animieren würde, mehr Zeit dort zu verbringen. Zeit ist begrenzt. Jede Minute, die ich mich zusätzlich bei Google+ aufhalte, müsste ich bei einem anderen Dienst reduzieren. Damit dies geschieht, müsste Google+ bei mir nicht erfüllte Bedürfnisse befriedigen oder neue Bedürfnisse schaffen, so wie es damals Twitter getan hat. Beides ist nicht der Fall.
Sicherlich könnte ich mit interessanten Google+-Nutzern den ganzen Tag qualitative, tiefgehende und angeregte Konversationen und Debatten führen. Doch dazu fehlt mir Zeit und auch das Interesse. Facebook, Twitter, Blogs und einige thematisch spezialisierte Nischendienste reichen mir aus heutiger Sicht aus. Angesichts aktueller Entwicklungen ist Twitter in dieser Auflistung allerdings ein potenzieller Wackelkandidat.
Genauso wie ich nicht jeden an einem Tag im Internet veröffentlichten Artikel, jeden YouTube-Clip oder jedes veröffentlichte Buch konsumieren kann, muss ich auch nicht bei jedem sozialen Netzwerk aktiv sein – einmal von gewissen Pflichten in meiner beruflichen Rolle als Redakteur eines Techblogs abgesehen. Daran ändert sich auch nichts, wenn Google draufsteht.
Anders als einige Google+-Anhänger meinen, ist es die Aufgabe des Netzwerks, mir einen guten Grund zu liefern, dort mitzumachen und meine Prioritätensetzungen in Bezug auf Onlinedienste zu verändern. Bisher warte ich auf diesen.
Martin Weigert (Jahrgang 83), gebürtiger Berliner, hat Wirtschaftskommunikation studiert und beschäftigt sich seit 1999 intensiv mit dem Internet. Neben neuen, innovativen Web-Startups behält er die generelle Entwicklung des Netzes und der Digitalisierung im Auge und analysiert große wie kleine Tendenzen, die mit der globalen Vernetzung einhergehen. Martin Weigert gründete im März 2007 zusammen mit Michael Osl das Blog zweinull.cc, welches im Mai 2008 Teil von netzwertig.com wurde. Seit April 2010 ist er der verantwortliche Redakteur für netzwertig.com. Der Fachjournalist war unter anderem Jurymitglied bei der von deutsche-startups.de durchgeführten Wahl zum Startup des Jahres 2011 sowie Teil des Advisory Boards der von TechCrunch veranstalteten “Europas”-Awards. Ausgewählte Beiträge von ihm erscheinen regelmäßig beim netzwertig.com-Kooperationspartner WirtschaftsWoche Online.
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Schlagwörter: facebook, google, Google Suche, Jubiläum, Martin Weigert, Sven Wiesner, Twitter, Vera Bunse
2 comments
Interessante Aspekte, die so ziemlich alles abdecken, was man zu Google+ sagen kann. Ich selbst nutze es sporadisch, finde es aber allemal ansprechender weil nicht so sehr auf Zeittotschlagen abzielend als Facebook. In jedem Fall ist es anders und damit bereichert es die Szene ja schon mal, wenngleich vielleicht eher um eine Nuance als um ein völlig neues Erlebnis.