Die Angst des Webmasters vor den Links

Die Angst vor Googles Macht geht um. Linktauscher werden vogelfrei und Verlage rammen sich lieber in alter japanischer Manier das Schwert bis zum Heft in den Wanst, als langsam dahin zu siechen oder sich zu ändern.

Jeder, der eine halbwegs gut gehende Website sein Eigen nennt, bekommt täglich Linktauschangebote. Früher machte man das so als Maßnahme der Search Engine Optimization (SEO). Manche tun das noch immer. Der weitaus größere Teil solcher Anfragen geht aber mittlerweile in die entgegengesetzte Richtung: „Bitte, löschen Sie alle Links zu meiner Domain.“ Das erscheint zunächst seltsam. Die Ursache ist eine tiefe Angst vor Google-Penalties, also Strafen für das Ranking der Website bis zum Auslisten (De-Index).

Einen ähnlichen Weg gehen ja gerade auch viele Verlage mit dem LSR und arbeiten mit Akribie daran, aus dem Index zu fliegen. Nur haben sie keine Angst vor Penalties, sondern lassen diese durch Politiker androhen. Beide Verfahrensweisen sind angstgesteuert. Das dokumentiert auf der einen Seite die Macht von Google, auf der anderen Seite die Hilflosigkeit derjenigen, die kein eigenes Ökosystem im Netz etablieren können wie die Häuptlinge Google, Apple oder Amazon.

Linktauscher oder gar Linkverkäufer ist da so ziemlich das Schlimmste was einem anhaften kann als Etikett von Googles Gnaden, das ist in etwa die Entsprechung zum mittelalterlichen Begriff „vogelfrei“. Denn Google hat im Netz mittlerweile die Instanz einer Rechtsprechung inne. Die neuen Rechtsverdreher sind die SEO-Experten und auch hier gilt der alte Rechtsanwalt-Witz, wenn sich zwei Anwälte (SEO-Experten) treffen, haben sie zu einem Fall mindestens drei Meinungen. Und ebenbso wie dort kennen nur gute SEOs die ständigen Veränderungen nach dem xten Panda- oder Penguin-Update des herrschaftlichen Algorithmus mit allen praktischen Konsequenzen.

Da verwundert es nicht, wenn Verlage dem in Deutschland werbefreien Google News eine Gewinnabsicht unterstellen, da Google deren Inhalte ja auch kaum zufällig in der normalen Google-Suche auffindbar anzeigt. Und so betreiben Verlage, wie zuletzt in Belgien sehr professionell geschehen, eine Form von SED, also Search Engine De-Optimization. Google hält sich aus solch penetrant ohnmächtigem Gebaren heraus.

Man könnte versucht sein zu sagen, dass es sowieso ein Zeichen schlechter Nutzung von sozialen Diensten wie Twitter, Google+ und Facebook ist, wenn man News-Aggregatoren braucht. Aber nicht jeder hat ein oder zweitausend heterogene Follower zusammen gesammelt. Es wäre an der Zeit, dass Social Media Berater diese Seite der Sozialen Netzwerke lehren. Aber ich fürchte, dass den meisten gar nicht bewusst ist, dass sie in Zeiten des Web 2.0 jeden Grund und alle Freiheiten haben, ihre Gatekeeper selbst zu wählen, und dies nicht mehr Verlegern und anderen selbst ernannten Überfliegern überlassen müssen. Aber Freiheit ist nicht jedermanns Ding. Denn sie kostet Schweiß und Mut. Dann schließt man sich lieber selber ein…


 


  ist seit 1999 als Freier Autor und Freier Journalist tätig für nationale und internationale Zeitungen und Magazine, Online-Publikationen sowie Radio- und TV-Sender. (Redaktionsleiter Netzpiloten.de von 2009 bis 2012)


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2 comments

  1. Der SEO an sich ist eher was Anderes als eine Art Anwalt. Es ist meistens ein betont hip gekleideter, trotzdem in sich gekehrter Krämer und Bastler, der auf einen oder anderen Konferenz auftritt, als sei er ehemals Star einer Teenieband gewesen und seit einer verquasten Beziehung mit einer Delmenhorster Fast-Gesangsqueen dazu verdammt, durch Mittelzentren der deutsche Provinz zu tingeln…

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