Willst Du auch in Zukunft finden, was Du suchst? Googles Kampagne „Verteidige Dein Netz“ macht mobil gegen das geplante Leistungsschutzrecht.
Heute Morgen startete das Unternehmen aus dem kalifornischen Mountain View eine lange erwartete Kampagne gegen das geplante Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Google verweist auf der Startseite der eigenen Suchmaschine auf die Kampagne “Verteidige dein Netz”, auf dessen Seite Nutzer_innen sich über das von der Presseverlagslobby initiierte Gesetzesvorhaben informieren können und mit einer Unterschrift ihren Protest ausdrücken können.
Lange Zeit hielt Google sich mit dem Protest gegen die von Springer-Außenminister Christoph Keese erfundene Suchmaschinen-Gebühr zurück. Initiativen wie IGEL, der Initiative gegen ein Leistungsschutzrecht, wurden zwar unterstützt, selber aktiv wurde das Unternehmen aber nicht. In der Woche, in der der Bundestag über das geplante Leistungsschutzrecht für Presseverlage informiert, ändert sich das nun. Auf der Kampagnenseite informiert Google die Nutzer_innen darüber, was hinter dem Leistungsschutzrecht steht: “Dieses soll Verlagen gegenüber Suchmaschinen und anderen Diensten das Recht geben, Suchergebnisse für Presseartikel zu verbieten oder von einer Zahlung abhängig zu machen. Für Dich würde es damit deutlich schwerer, im Internet die Informationen zu finden, die Du suchst. Verteidige Dein Netz gegen diesen weltweit einmaligen Eingriff, misch’ Dich ein und teile diese Seite mit Freunden!“
Neben einem Video und der Verlinkung zur IGEL-Seite zählt Google selber Gründe auf, warum das Gesetz allen schadet und niemandem nützt:
Schaden für die deutsche Wirtschaft: ”Das Gesetz macht es deutlich schwieriger, die im Internet verfügbaren Inhalte aufzufinden. Das hemmt die Produktivität der Wirtschaft, gefährdet Arbeitsplätze und wirft den Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb zurück, zu Lasten von Innovationen und Investitionen. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), rund 30 weitere Wirtschaftsverbände, Vertreter deutscher Start-Ups sowie führende Ökonomen haben sich deshalb gegen ein Leistungsschutzrecht ausgesprochen.”
Gefahr für die Informationsvielfalt: ”Das Gesetz ist ein Eingriff in die Informationsvielfalt und Meinungsfreiheit. Im Internet vorhandene Quellen sind schwerer auffindbar, die deutschen Nutzer sind schlechter informiert. Statt über Artikel deutscher Medien werden sich viele Nutzer künftig über Quellen aus anderen Ländern informieren, deutsche Positionen und Meinungen werden im Netz weniger sichtbar. Führende Medienwissenschaftler, Blogger und Internetexperten haben sich deshalb gegen dieses Gesetz ausgesprochen.”
Massive Rechtsunsicherheit: “Es ist bislang völlig unklar, was und wer mit diesem Gesetz geschützt werden soll und wer davon betroffen sein wird. Diese rechtliche Unklarheit für Webmaster, Blogger und jeden, der im Internet publiziert, wird zu jahrelangen Prozessen und neuen Abmahnwellen führen. Führende deutsche Juristen, u.a. die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtschutz und Urheberrecht (GRUR), haben sich kritisch gegenüber dem Leistungsschutzrecht geäussert.”
Rückschlag für innovative Medien und Urheber: “Wenn überhaupt werden nur große, „klickstarke“ Verlagsangebote von einem solchen Gesetz profitieren, kleine Verleger dagegen werden Reichweite und Aufmerksamkeit verlieren. Neue, innovative Medien und Geschäftsmodelle werden ins Ausland abwandern. Ein Leistungsschutzrecht schadet im übrigen den Urhebern. Deshalb wird es unter anderem vom Berufsverband freier Journalistinnen und Journalisten sowie kleinen Verlagen abgelehnt.”
Marktwirtschaft paradox: “Klicks sind die Währung des Internets. Google leitet davon pro Monat weltweit vier Milliarden auf Verlagsseiten, das sind pro Minute (!) 100.000 “Klicks”. Wenn Verlage nicht in der Google Suche oder in Google News angezeigt werden wollen, können sie sich mit einem kurzen Textcode einfach abmelden. Dafür ist kein “Leistungsschutzrecht” erforderlich.”
Zusätzlich bietet Google den Nutzer_innen an, mit einer Google Map schnell die eigenen Bundestagsabgeordneten heraus zu finden und zu kontaktieren. Ein Verfahren, dass ich bereits vor Monaten als sinnvoller bezeichnete als eine schlecht vorbereitete Petition oder das reine Sammeln von Unterschriften. Die Abgeordneten der Regierungskoalition stehen nicht geschlossen hinter dem Gesetzesvorhaben und ein ACTA-ähnlicher Moment könnte die Fraktionsdisziplin bezwingen und vielleicht doch noch eine Mehrheit gegen das geplante Leistungsschutzrecht für Presseverlage organisieren. Alle Oppositionsparteien haben sich bereits eindeutig gegen das Leistungsschutzrecht positioniert.
Hinweis: Ja, ich bin Nutzer von Google-Diensten und trotzdem kein Freund des Beinahe-Monopolisten. Trotzdem halte ich die Unterstützung der Aktion für sinnvoll, denn Google stellt hier die Infrastruktur für eine Kampagne, die die deutsche Netzgemeinde noch nicht regelmäßig anbieten kann. Das Prinzip “Der Feind meines Feindes ist mein Freund.” mag kurzsichtig erscheinen, profitiert doch gerade ein Unternehmen wie Google vom Stopp eines Leistungsschutzrecht, aber die Vorteile für unsere Gesellschaft sind zu wichtig, als das Akteure in der Debatte mit dem Vorwurf des Google-Lobbyismus einen Keil in den Widerstand für ein freies Netz treiben dürfen. Seit Monaten schreibe ich über das Leistungsschutzrecht für Presseverlage und habe mich dabei immer eindeutig dagegen positioniert, u.a. auf den Portalen iRights.info und Carta.info.
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf isarmatrose.com (CC BY-SA 3.0).
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Schlagwörter: google, Kampagne, leistungsschutzrecht, Verteidige Dein Netz
4 comments
Und diese Kampagne ist mehr als überfällig. Der Punkt „Marktwirtschaft paradox“ ist für mich der entscheidende Punkt. Google erbringt eine entsprechende Gegenleistung, was die Verlage nicht einsehen wollen. Es besteht nicht automatisch ein Anspruch auf die vielen Besucher über Google.
Am Ende wird Google „nichts anders übrig bleiben als die Verlage“ aus den Ergebnissen zu löschen. Und ich fände das bei vielen Verlagen nicht einmal schlimm.
Google wird die Verlagsseiten nicht nur aus den Ergebnissen von Google News löschen, sondern aus allen der Suchmaschine. So haben sie es in Belgien gemacht, wo es etwas ähnliches wie ein Leistungsschutzrecht gibt. Nach wenigen Wochen haben die Verlage aufgegeben und schriftlich erlaubt, dass Google wie bisher verlinken darf. Das Problem in Deutschland ist, wenn sich das so wiederholt, dass dann das LSR-Gesetz trotzdem da ist und Schaden anrichtet.