Warum Journalisten sich oftmals mit dem Vorwurf der „Selbstdarstellerei“ im Social Web auseinander setzen müssen. Und warum das nur die halbe Wahrheit ist.
Immer wieder werde ich gefragt, wie ich mir denn anmaßen könne, als Journalist eine Fanpage zu betreiben. Und auch vielen Kollegen – das weiß ich aus vielen langen Gesprächen – ergeht es meist nicht anders. In Zeiten des Internets, wo Blogs, Twitter, Tumblr und Facebook zum obligatorischen Handwerkszeug eines jeden Journalisten gehören sollten, wird die berichtende Zunft gerne als Ansammlung eingebildeter Selbstdarsteller betitelt. Warum das nicht stimmt und warum wir uns dennoch auf einem schmalen Grat bewegen.
Journalisten haben die Aufgabe, die Öffentlichkeit zu informieren, zu recherchieren, aufzuklären, zu berichten, Meinungen zu geben und sie klar zustellen. Das ist im Groben die allgemeine Auffassung der Tätigkeit eines Journalisten. Sicherlich gehört das alles dazu, doch im Hintergrund sind heute noch viele weitere Punkte wichtig geworden. So war es noch nie so einfach, mit den Konsumenten, also Lesern, Hörern oder Zuschauern, zu diskutieren und sich von ihnen wichtiges Feedback quasi in Echtzeit einzuholen.
Dies geschieht, so will es der Lauf der Zeit und der Stand der Entwicklung, heute vorwiegend über Twitter, Facebook, Google+ oder Blogkommentare. Hin und wieder ist auch noch eine ausführliche E-Mail dabei, einmal im Jahr ein Brief, aber insgesamt sind es doch die sozialen Netzwerke, die unseren Input füllen. Umso weniger verwunderlich ist es wohl, dass wir Journalisten uns auch dementsprechend aktiv auf den oben genannten Plattformen bewegen (sollten). Bei Twitter und Google+ ist das kein Problem. Komischerweise treten die Vorwürfe der Selbstdarstellung nur bei Facebook-Seiten auf, selten auch bei Bloggern (ich erinnere nur mal an Richard Gutjahrs vorbildliche Kairo-Reise, die nachher von Blogs (1, 2, …) stark kritisiert wurde).
Doch woran liegt es, dass auf Facebook aktive Journalisten so häufig attackiert werden? Vermutlich liegt es am Begriff “Fanpage”, der auch mir ein wenig sauer aufstößt. Selbstverständlich arbeite ich nicht, um Fans zu haben und die Leser sollten – ginge es nach mir – auch am liebsten nicht auf “Gefällt mir” klicken. Andererseits möchte ich auch nicht mein privates Profil zur “Abonnieren”-Seite umfunktionieren. Ich hätte gerne eine saubere Trennung zwischen Arbeit und Privatleben. Und dies geht, zumindest wenn man nach meinen Ansprüchen geht, eben nur über eine Fanseite. Hätte ich die Wahl, hieße der “Gefällt mir”-Knopf “Verbinden” und die “Fans” ganz wären ganz normale “Kontakte”. Nur leider gibt es diese Option nicht.
Natürlich verstehe ich die Seite der Kritiker. Es gibt genug Beispiele von selbstdarstellenden Journalisten. Aber ist es nicht letztlich auch ein Teil unserer Arbeit uns in einem gewissen Maße selbst darzustellen? Gerade im Bereich des freien Journalisums kommt man heute fast nicht umher, sich selbst zu vermarkten. Sich selbst zur “Ich-Marke” machen, nennen die Autoren Erik Deckers und Kyle Lacy dieses Prinzip in ihrem gleichnamigen Buch. Die Grundthese: Wer seinen Namen mit seinem Produkt verbindet, hat bessere Chancen, dass Arbeitgeber auf einen aufmerksam werden.
Und so kommt es nun mal, dass viele Journalisten auf Facebook und Twitter posten, sich selbst mit ihrer Arbeit in Verbindung bringen und auf sich aufmerksam machen. Hinzu kommen Blogs, die nicht selten nach dem “Schaufenster-Prinzip” funktionieren, wie es Daniel Fiene einmal in Ulrike Langers Blog medialdigital.de genannt hat. Wer mit seiner Arbeit im Blog klarstellt was er kann, der erhöht die Chancen, dass er auch von anderen Auftraggebern angesprochen wird.
Und dieses Prinzip funktioniert. Nicht durch Zufall bin ich seit September 2012 eben auch hier – bei den Netzpiloten – als Autor tätig. Dem geht eine lange Geschichte voraus, die jetzt den Rahmen sprengen würde. Nur ganz kurz: Über die Netzwerke lernte ich irgendwann Daniel Fiene vom Podcast “Was mit Medien” kennen. Irgendwann schlug ich ihm vor, den ein oder anderen Gastbeitrag für die Website zu schreiben. Einen dieser Beiträge las “Netzpiloten”-Projektleiter Andreas Weck, schrieb eine Ergänzung, wir kamen ins Gespräch und heute veröffentliche ich acht Beiträge pro Monat auf dieser Plattform. Gleiches gilt für meinen Blogeintrag zum Tag nach der US-Wahl und wie die deutschen Printmedien mit diesem umgehen. Vier Tage später war ich zu Gast beim “B5 Medienmagazin” und habe über das Internet bei der US-Wahl gesprochen.
Wie sonst sollten der Berliner Andreas Weck oder das Münchner “B5 Medienmagazin” auf mich aufmerksam werden, wenn nicht über meinen Blog bzw. andere Aktivitäten im Netz? Über meine Artikel in Kölner Lokalblättern? Wohl kaum. Ähnliches beschreibt auch Fiene im Gespräch mit Langer über den Wechsel seines Podcasts vom Campusradio zu DRadio Wissen:
Redakteure in Sendern sind auf Vorschläge von außen angewiesen, aber sie haben auch bestimmte Ideen und Konzepte im Kopf. Wenn sie dann im Netz unterwegs sind und Ansprechpartner suchen, finden die es cooler, wenn sie uns selbst entdecken. Deshalb lohnt es wirklich, das Schaufensterprinzip beizubehalten.
- – Daniel Fiene
Beispiele für die erfolgreiche Anwendung des Schaufensterprinzips gibt es genug – keine Frage. Nur bleibt das oben angesprochene Problem der Selbstdarstellung. Es wird häufig missverstanden, wenn Journalisten ihre Arbeit tun, um auf sich aufmerksam zu machen. Wer gute Arbeiten abliefert und in seinem virtuellen Schaufenster ausstellt, der sollte auch die nötige Aufmerksamkeit und positive Resonanz bekommen. Nur weil eine Verkäuferin in einer Modeboutique ihre besten Kleider ins Schaufenster stellt, wirft man ihr ja auch nicht gleich vor, dass sie sich selbst darstellt, oder?
Der Reporter und Blogger Deef Pirmasens findet in seinem Blog eine ganz einfache Lösung für die Nörgler:
Unsere Gesellschaft braucht Menschen, die freiwillig, kreativ und sendungsbewusst ihr Ding machen und sich trauen, damit aus der Masse herauszustechen. Wer sich an ihnen nur wegen der Selbstdarstellung stört, muss sich fragen lassen, warum er sie nicht ignoriert oder es besser macht. Wer auf Dauer genervt bleibt, verschwendet seine Lebenszeit.“Ein Herz für Selbstdarsteller“
Ich möchte nicht von der Hand weisen, dass Journalisten – gerade im Netz und gerade freie – zur gekonnten Selbstvermarktung neigen. Von Selbstdarstellung möchte ich mich aber dennoch stark distanzieren. Wir schreiben für unseren Beruf, recherchieren für unsere Leidenschaft und berichten mit all unserem Herzblut, weil wir Journalisten sind und weil wir mit allem, was wir haben hinter dem Glauben an Qualitätsjournalismus stehen. Nicht, weil wir Stars sein wollen. Selbstvermarktung ist überlebenswichtig für uns. Selbstdarstellung drängt uns nur enger an den Abgrund. Es ist nun an uns, die Unterschiede mit unserer Arbeit deutlich zu machen. Es ist aber auch an den vielen Kritikern, den Unterschied endlich zu erkennen.
In diesem Sinne: Fröhliches “Gefällt mir”-Klicken, meine Fans!
Dieser Beitrag ist zuerst erschienen auf tobiasgillen.de
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Schlagwörter: facebook, google, journalisten, Selbstdarstellerei, Selbstvermarktung, social web, Twitter
7 comments
Nachdem ich diesen Artikel auch schon in meinem Blog gelobt habe, hier noch ein paar persönliche Worte: Ich glaube, dass Tobias Gillen hier etwas in Worte fasst, was sich viele von unseren (Offline-)Kollegen noch nicht eingestehen wollen – dass eine gewisse Selbstdarstellung im Netz als Selbstvermarktung immer wichtiger wird.
Hier ist die Schwäche der Verlage, die Chance für uns Journalisten: Wenn uns eine gute Selbstvermarktung/Selbstdarstellung gelingt, schaffen wir uns im Netz eine Nische, die es uns ermöglich, unseren Lebensunterhalt unabhängig von Verlagen zu verdienen – mit hochwertigen Inhalten, viel Herzblut und Spaß!
Ich danke – wie auch schon in Ihrem Blog als Kommentar!