Heute schon gevined? Tobias Gillen hat den Video-Kurznachrichtendienst Vine getestet.
63.206 Zeichen kann man bei Facebook in einen Post packen, etwa um die 100.000 bei Google+ und nur 140 bei Twitter. Das führt nicht nur dazu, dass Twitter das schnellste aller Netzwerke ist. Es fördert auch massiv die Kreativität der Nutzer. Selbiges hofft Twitter-Produktchef Michael Sippey nun auch für einem neuen Videodienst aus dem Hause des Kurznachrichtendienstes. Vine verhält sich bei der Länge der Beiträge so zu YouTube und MyVideo, wie Twitter zu Facebook und Google+. Nur sechs Sekunden hat der Nutzer für sein Video, das im Endprodukt mehr einem animierten GIF gleicht.
Sobald der Finger das Display berührt, nimmt die kostenlos im AppStore verfügbare Vine-App auf, lässt man los, pausiert die Aufnahme und man kann die Szenerie wechseln. Das Ganze funktioniert ganze sechs Sekunden lang, dann ist der grüne Balken voll. Anschließend kann man den kurzen Clip noch benennen, den Standort mit Foursquare hinzufügen und den Beitrag dann wahlweise nur auf Vine oder zusätzlich bei Twitter und Facebook veröffentlichen. Eine Twitter-Veröffentlichung macht in der Regel immer dann Sinn, wenn man den Clip irgendwo einbinden möchte – Diese Funktion bietet Vine (noch?) nicht, was schonmal einen großer Minuspunkt für all jene darstellt, die Vine in der Praxis anwenden möchten, etwa Journalisten.
Beispiel-#Vine für meinen Beitrag bei den @netzpiloten vine.co/v/bJKt3gt6rau
— Tobias Gillen (@tobiasgillen) 27. Januar 2013
Zugegeben: Vine ist kurzweilig. Es macht Spaß, die kurzen Videos zu produzieren, zu verwerfen und die neuen Möglichkeiten durch die einfache Aufnahme-Bedienbarkeit zu nutzen. Anders als YouTube oder andere Videoplattformen, bietet Vine die Möglickeit, mit minimalem Aufwand eine Botschaft zu vermitteln – etwa ein kurzer Gruß an die Freunde, ein Kuchenrezept (ja, das geht in sechs Sekunden!), Eindrücke von der Modenschau oder anderweitige Kreativität.
Doch leider gibt es noch zu viele Punkte, die störend sind. Etwa, dass Vine auf dem Computer nicht verwendbar ist. Einfach durch die Profile der Freunde stöbern und deren neue Werke ansehen ist nicht möglich, die Clips kann man nur sehen, wenn man bei Twitter oder Facebook auf die geteilten vine.co-Links klickt. Und selbst dann kann man nicht mehr, als das eine Video ansehen, zum Profil gelangt man so auch nicht.
Mobile-only ist zwar eine schöne Idee um ein Alleinstellungsmerkmal zu erzeugen. Ob es für die Verbreitung – gerade in Anbetracht dessen, dass es für Android-Nutzer noch gar nicht zu haben ist – aber sinnvoll ist, darf bezweifelt werden. Zudem sind die Server der anfänglichen Aufmerksamkeit nicht wirklich gewachsen gewesen, immer wieder kam es vor, dass produzierte Clips einfach nicht angenommen wurden.
Zudem stört der Konkurrenzkampf zwischen Facebook und Twitter. Während Twitter Bilder des von Facebook übernommenen Dienstes Instagr.am nicht mehr anzeigt, revanchiert sich Facebook nun bei Vine, indem es die Nutzer ihre Freunde auf Facebook nicht finden lässt. „Vine is not authorized to make this Facebook request“ erscheint bei der Verknüpfung, wie es unter anderem „All Things D“ festgestellt hat. Ein soziales Netzwerk ohne Freunde? Schwierig. Lustige GIFs und Kurzfilme kann man sich überall im Netz ansehen, die der Freunde eben nicht.
Vine ist ein interessantes Experiment. Mehr bisher aber leider noch nicht. Es fehlen noch konkrete Anwendungszwecke und die virale Bedienbarkeit muss dringend ausgebaut werden. Als Spielerei ist es aber allemal einen Blick wert. Übrigens: So wie jedes Netzwerk einen eigenen, konjugierbaren Anglizismus besitzt (geliked, gefaved, retweetet, …), hat auch Vine nun einen, wie Markus @Videopunk Huendgen in einem Tweet vorschlägt: „Ich vine. Du vinest. Sie vineten. Wir vinen. Er hat noch nicht gevinet. Vine!“
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Schlagwörter: facebook, Twitter, videodienst, vine
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