In seiner Kolumne beschäftigt sich Nico Lumma mit dem Medienwandel und Kompetenzen die damit einhergehen. Nicht nur im Beruf, sondern auch in der Schule und Familie.
Mein Vater ist noch mit einer Schiefertafel in die Schule gegangen, hat also quasi das Etch-a-Sketch der damaligen Zeit nutzen dürfen, um im Unterricht mitzuschreiben. Auf der Schiefertafel war alles vergänglich, nur das Wichtigste wurde in ein Schulheft übertragen, denn Schulhefte waren teuer nach dem Krieg. Schulbücher waren kaum vorhanden und wenn, dann mussten sie lange halten und sind nicht vergleichbar mit den Unterrichtsmaterialien von heute.
Kaum 60 Jahre später bietet sich ein ganz anderes Bild von der Schule und den Herausforderungen im Bildungssystem. Die Schule ist mitten in einem Umbruch, der Lehrer und Eltern vor neue Herausforderungen stellt. Waren zu meiner Schulzeit Overhead-Projektoren noch allgegenwärtig, so sind mittlerweile in vielen Klassenzimmern Whiteboards und Computer vorhanden, ebenso gibt es immer häufiger dezidierte Computerräume oder mobile Laptop-Wagen. Während die Schulen allerdings noch dabei sind, herauszufinden, wie man diese Tools in den Unterricht integrieren könnte, dreht sich das Rad munter weiter und nun werden zunehmend Forderungen laut, dass künftig eigentlich jedes Schulkind ein Laptop oder ein Tablet benutzen sollte. Verbunden mit dieser Forderung ist auch der Hinweis, dass künftig digitale Lehrmittel zum Einsatz kommen sollten.
Die Vorstellung, dass Kinder künftig nicht mehr kiloweise Bücher und Arbeitshefte zur Schule schleppen müssen, ist verlockend und ermöglicht sicherlich völlig neue Formen der Didaktik im Unterricht, die besser zugeschnitten sind auf das individuelle Lerntempo der Schülerinnen und Schüler. Digitale Bildung wird einer der Hauptschauplätze der Disruption und dem damit verbundenen Kampf um Marktanteile in den kommenden Jahren sein, denn hier entsteht ein völlig neues Segment, bei dem die alteingesessenen Schulbuchverlage über Jahrzehnte sich olgipolartige Strukturen geschaffen haben.
Digitale Bildung hat allerdings den Vorteil, dass Kinder nicht nur weniger schleppen müssen, sondern dass die Inhalte auch leichter auf die Endgeräte transferiert werden können und damit für Lehrerinnen und Lehrer mehr Vielfalt bei den Unterrichtsmaterialien entstehen könnte. Allerdings laufen wir gerade Gefahr, die bestehenden Strukturen durch neue limitierende Strukturen zu ersetzen, die leider nicht für digitale Lehrmittelfreiheit sorgen werden. Die Einführung des neuen Bildungstablets von Amplify, einer Tochterfirma der Newscorp zeigt, wie die Phantasie der beteiligten Firmen aussieht: der Kaufpreis des Tablets beträgt 299$ und dazu ist eine jährliche Abo Gebühr von 99$ fällig.
Nun stellt sich die Frage, ob ein derartiges Szenario wirklich für eine verbesserte Qualität bei den Unterrichtsmaterialien sorgt, oder nur neue Abhängigkeiten schaffen wird? Ein Tablet mit einem offenen Betriebssystem wie Android oder Firefox OS sollte eine ungeahnte Vielfalt an Apps und Services erlauben, die nicht für eine dauerhafte Verbandelung mit einem Anbieter führen müssen. Dieser Markt giert nach Disruptionen, bei aller Zurückhaltung bei Lehrern, Bildungspolitikern und Eltern. Wenn man Bildung als Teil der App-Infrastruktur begreift, dann wird deutlich, wie groß dieser Markt sein kann. Allerdings sind jetzt die richtigen Schritte zu tun, um die Vielfalt in der Zukunft zu gewährleisten.
Image by Bernd Hutschenreuther (CC BY-SA 3.0)
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Schlagwörter: digital, Medienkompetenz, schule, tablet
2 comments
Ich sehe noch keinen wesentlichen Vorteil dieser digitalen Medien, zumindest nicht bei den bodenständigen Fächern in den bodenständigen Schultypen (also alles außer Gymnasium).
Vor allem ist es verfehlt, den zweiten Schritt vor dem ersten zu tun. Was in den Schulen u.a. verbessert werden muß ist die Zusammenarbeit zwischen den Lehrern. Die müssen mehr miteinander reden, über Schüler, über Inhalte, Unterrichtsentwürfe, Korrekturvorlagen von Klassenarbeiten usw. Solange das nicht passiert, ist die Digitalisierung vergeblich, weil sie die Gräben zwischen den Lehrern nur vergrößert. Zwischen denen, die sich mit ihrer Arbeit am Nutzen für die Schüler orientieren, und denen, die nur ihren Stiefel runterreißen wollen, so, wie sie es irgendwann gelernt haben.
Beim zweiten Lesen stolpere ich aber u.a. über den Satz
„Wenn man Bildung als Teil der App-Infrastruktur begreift, dann wird deutlich, wie groß dieser Markt sein kann.“
Ich sehe in Deutschland keinen Bildungsmarkt im Bereich Schule. Es gibt ein paar Märkte, für Schulbücher, für Schulausstattung, für Nachhilfe, vielleicht noch mehr. Aber ich sehe keine Verbindung zu den Problemen von Bildung, von denen ich aus meiner Umgebung höre.
„Zu spät, Du rettest den Freund nicht mehr“
Das Bildungssystem funktioniert wie immer. Auch die digitalen Medien sind längst in der Hand einiger weniger Monopolisten. Aus der Angst heraus, irgendetwas falsch zu machen (und Lehrer machen aus Elternsicht ja immer was falsch), werden die sogenannten „Laptop-Klassen“ eingerichtet. In einer solchen zu landen ist Privileg der Kinder und Bürde der Eltern. Kosten die Laptops doch mit der vorinstallierten teuren kindersicheren Lernsoftware so um die 1.500 €, die man selbstverständlich auch in Raten bezahlen darf. Mit Hartz IV ist man da außen vor – Glücklicherweise. Kann man doch als Kind zu Hause mit ein wenig Unterstützung so viel mehr erfahren.
Als vor Jahren der erste eeepc von Asus auf den Markt kam, hielt ich den das tollste Ding, das man für Kinder hätte erfinden können. Hausaufgaben auf einer SD-Karte schreiben und abgeben, Bücher und Arbeitsblätter dort abspeichern. Schon vor den Tablets hätten wir ein kleine Revolution nur mit „physischen Gewicht“ von Schule haben können.
Ich höre heute noch die Proteststürme im Schulelternrat un der Gesamtkonferenz der Realschule.
Fazit: Schule ändert sich nicht, solange Eltern und Lehrer sich nicht ändern. Und Kinder suchen sich ihre eigene Wege im Umgang mit der Technik. Und was dabei heraus kommt sehen wir jeden Tag auf Facebook und Youtube