Die Printbranche ist angeschlagen. Der Untergang der „Financial Times Deutschland“, die Insolvenz der „Frankfurter Rundschau“ und ständig sinkende Auflagenzahlen sind dafür Beweis genug. Grund dafür ist nicht das Internet per se.
Das Internet und die damit verbundenen Onlinemedien sind nur eine logische Weiterentwicklung der Printbranche in einer immer schnellebiger werdenen Welt voller Breaking News, Liveticker- und Blogs. Und doch ist Print noch nicht tot. Das liegt vor allem daran, dass es immer noch viele, wenn auch nicht ausreichend viele, Käufer von gedrucktem Journalismus gibt. Aber sicher lich auch an Menschen wie Daniel Höly, die nach wie vor an Print glauben.
Höly ist 26 Jahre jung, hat Online-Journalismus studiert und bloggt seit einiger Zeit auf JUICED.de. Der Bonner Journalist hat seit 2010 Gedanken zur Umsetzung eines neuen Printmagazins im Kopf, im Frühling 2012 arbeitete er ein konkretes Konzept für seine Diplomarbeit aus.
5.000 Euro von der großen Masse
SHIFT soll sein 120 Seiten starkes Magazin heißen, die erste Ausgabe mit einer Auflage von 1.000 Stück erscheinen und der Start idealerweise von der Masse finanziert werden. Über Startnext, ein Crowdfunding-Portal, will Höly die nötigen 5.000 Euro für Druck, Vertrieb und das Layout – das von einer externen Agentur übernommen wird – einsammeln.
Dabei setzt Höly auf eine überarbeitete Magazinstruktur, die aus den Kategorien Hirn, Herz und Horizont besteht. „Hirn steht für Kommentare und Debatten zu aktuelleren Themen, in Herz gibt’s jede Menge Unterhaltung für Zwischendurch und in Horizont findet ihr (Foto-)Reportagen und Porträts über den Tellerrand hinaus“, erklärt er seine Planung. Grundsätzlich plane er einen „Mix aus Debatten-, Unterhaltungs- und Gesellschaftsmagazin“, das sich an die Zielgruppe der 20- bis 35-Jährigen richtet.
Print und Online sollen sich nicht ersetzen
An der ersten Ausgabe, die sich mit dem Thema „Die unbequeme Wahrheit“ auseinandersetzen wird, haben laut Höly 23 Journalisten, Blogger und Experten mitgearbeitet. „Da die erste Ausgabe nicht kommerziell im Handel erhältlich sein wird, konnte ich die 23 Autoren für ihre Artikel leider nicht bezahlen. Dass sie mir trotzdem ihre Artikel zur Verfügung gestellt haben, finde ich daher umso beeindruckender“, sagt Höly auf Nachfrage. „Aber mein Ziel ist es schon, alle Schreiber und Fotografen ab der zweiten Ausgabe auch fair zu bezahlen.“
SHIFT soll, insofern es denn verwirklicht wird, vierteljährlich erscheinen. Höly plant die Ausgabe mit sieben Euro ein und möchte sich noch zusätzliche Gimmicks für die potenziellen Abonnenten ausdenken.
„Social Media spielt bei SHIFT eine große Rolle. Ein Ansatz des Magazins ist es ja, dass sich Print und Online nicht ersetzen, sondern ergänzen. Hier ist vor allem der Austausch mit den Lesern ganz wichtig“, erklärt Daniel Höly. Da er selbst Social Media lebe, sei das kein leeres Versprechen. Er hoffe auf viele Meinungen über die diversen Kanäle, über die SHIFT schon jetzt zu finden ist.
Schwieriges Unterfangen
Noch bis Mitte Juli kann man SHIFT über Startnext finanzieren, 1.300 Euro hat Höly bisher im Kasten. Die nötigen Fans waren im Vorhinein schnell gefunden, um das Projekt auf Startnext überhaupt freizuschalten. Auch wenn die bisher erreichte Summe Grund zur Hoffnung auf einen erfolgreichen Abschluss gibt, sollte man sich die Risiken des Projekts vor Augen führen. Die erste Ausgabe lässt sich über die Crowd noch einigermaßen einfach finanzieren, bei allen weiteren wird das ungleich schwerer.
Denn Print mag lange nicht tot sein, da kann man Höly nur zustimmen und ihn dennoch für seine Überzeugung verwundert ansehen. Aber mit einem neuen Produkt in den angeschlagenen Printmarkt zu gehen ist ein riskantes Unterfangen. Problematisch ist hier vor allem die geringe Auflage. Für Anzeigenkunden dürften 1.000 Expemplare zu wenig sein, um von einer Werbeplatzierung einen Profit zu erhalten, für genügend Käufer dürfte die Reichweite mangels Verlag nicht ausreichen.
Im Internet ist das anders. Wer im Netz publiziert, kann schnell eine große Leserschaft aufbauen. Das ist aus logistischer Sicht schon einfacher, zudem ist man hier immer nur einen Klick von den gewünschten Infos entfernt. In der analogen Welt ist es ein Kraftakt, – so schade das ist – fern von Verlagen in den Markt zu kommen.
Eine Chance hat Höly trotzdem: Die Community. Wenn er es schafft, Online und Print tatsächlich geschickt zu verknüpfen, kann er die Printleser vielleicht über die Reichweite seines Onlineauftriffs zum Kauf der Einzelausgabe oder zum Abschluss eines Abonnements überzeugen. Wichtig dürfte es aber auch werden, den Onlineauftritt rentabel zu machen, damit das Printprodukt im Zweifel querfinanziert werden kann.
SHIFT – Das Magazin mit Hirn, Herz und Horizont from juicedaniel on Vimeo.
SHIFT ist ein spannendes Projekt, eine Chance hat es trotz aller Zweifel verdient. Die 5.000 Euro sind machbar. Alle weiteren Ausgaben? Keine Ahnung. Sicher ist aber, dass sie Höly neben viel Geld auch viel Kraft kosten werden. Auf dass die Leser es ihm danken werden.
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Schlagwörter: Crowdfunding, journalismus, Shift, Social Media
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Ein paar Dinge möchte ich gerne noch ergänzen: Zunächst einmal ist die Auflage von 1.000 Exemplaren lediglich für die Erstausgabe angedacht. Später soll die Auflage natürlich gesteigert werden. Denn von 1.000 Exemplaren könnte ich nie leben – und wenn ich noch so viele Werbeanzeigen geschaltet hätte. Hinzu kommt, dass ich nicht wie viele andere Magazine 25 Prozent einer Ausgabe mit Werbung zukleistern will. Maximal zehn Prozent der Seiten sollen Werbeanzeigen enthalten – und zwar aus ästhetischen Gründen ausschließlich ganzseitige.
Dann zur großen Krise der Printmedien: Als Beispiele werden hier die FTD und FR genannt – zwei (überregionale) Tageszeitungen. Von 387 (IVW). Ja, die Printbranche mag angeschlagen sein. Aber es ist nach wie vor wichtig, zwischen Tageszeitungen und Zeitschriften zu differenzieren. Erst neulich kamen wieder so viele neue Zeitschriften auf den Markt (von denen sich sicher nicht alle halten werden), dass ich zumindest auf dem Zeitschriftenmarkt nicht unbedingt eine Printkrise ausmachen kann. Und schon gar keine „Print ist tot“-Krise, wie sie manche vermeintliche Untergangsexperten gerne herbeizureden versuchen (nicht hier!).
Aber dass Printmedien vor neuen – und nicht einfachen – Herausforderungen stehen, mag ich gar nicht leugnen. Mir zeigt das allerdings, dass viele der etablierten Verlagshäuser den Wandel verschlafen haben und nicht mehr zeitgemäß sind. Die naheliegende Schlussfolgerung, dass sich gerade junge Leute nicht mehr für Gedrucktes interessieren, wäre eine falsche. Viele Printmedien sind einfach nicht mehr up-to-date. Und genau hier setze ich an: Ich möchte ein Printmagazin auf den Markt bringen, das von Digital Natives für Digital Natives ist. Ein Magazin, das Print und Online sinnvoll verzahnt und intelligent vernetzt. Denn beide Medien haben nach wie vor ihre Vor- und Nachteile – und müssen sich ergo nicht zwangsläufig ersetzen, sondern können sich vielmehr gewinnbringend ergänzen. Das ist mein Ansatz.
Was die Aussage „Das liegt vor allem daran, dass es immer noch viele, wenn auch nicht ausreichend viele, Käufer von gedrucktem Journalismus gibt.“ anbelangt: Es gibt auch bei den 20 bis 35-jährigen noch mehr Leser, die [insbesondere bei längeren Artikeln] lieber zu Gedrucktem als zur iPad-App greifen. Das mag in fünf bis zehn Jahren vielleicht völlig anders aussehen. Aber bis dahin würde ich ihnen sehr gerne auch ein Magazin in gedruckter Form anbieten.
Nichtsdestotrotz stimme ich diesem Satz hier völlig zu: „Aber mit einem neuen Produkt in den angeschlagenen Printmarkt zu gehen ist ein riskantes Unterfangen.“ Ja, es ist riskant. Aber aus meiner Sicht ist es ein Risiko, das es sich lohnt, einzugehen.