LSR: Was sich ab heute für die Internetsuche und das Monitoring ändert

Heute tritt das Leistungsschutzrecht für Presseverlage in Kraft. Nina Galla hat sich mit den Auswirkungen auf die Internetsuche und das Monitoring beschäftigt.

Heute tritt das Leistungsschutzrecht für Presseverlage in Kraft. Da zahlreiche Menschen, die irgendwas mit Medien machen, immer noch nichts von diesem Gesetz gehört haben, nochmal in Kurzform: Das Leistungsschutzrecht für Presseverlage (LSR) gibt den Verlagen das ausschließliche Recht, ihre Texte über Suchmaschinen, Aggregatoren und ähnliche Dienste öffentlich zugänglich zu machen. Diese Dienste müssen von nun an Lizenzen erwerben, wollen sie Text-Ausschnitte (die keine Zitate sind) weiterhin anzeigen. Da die Textlänge der Textausschnitte, die wir alle als so genannte „Snippets“ kennen, nicht genau bestimmt ist, ergeben sich für Suchmaschinenbetreiber und Aggregationsdienste Rechtsunsicherheiten.

Was ändert sich nun in der Suche ab heute?

Suchmaschinen dürfen in ihren Aggregationsdiensten (wie beispielsweise Google News) nur noch dann kostenfrei Snippets anzeigen, wenn sie dies vorher mit den entsprechenden Anbietern (also Verlage und verlagsähnlichen Content-Anbietern) verhandelt haben.

Der größte Anbieter Google hat bereits vor einigen Wochen begonnen, sich hierfür die Erlaubnis von Verlagshäusern und verlagsähnlichen Diensten einzuholen. Wer verneint oder die schriftliche Erklärung nicht ausdrücklich abgibt, wird seit heute nicht mehr bei Google News gelistet und erscheint nur noch in der Web-Suche. Die größten Verlage (sogar LSRWortführer Springer) willigten bis heute ein – nicht mehr dabei ist jedoch unter anderem die Rhein-Zeitung. Die Google Dienste News und Alerts, der unter anderem auf Google News basiert, sollen dabei wie gewohnt erhalten bleiben.

Ralf Bremer, Leiter Politische PR bei Google Deutschland versichert: „Für unsere Nutzer wird sich aller Voraussicht nach nichts ändern. Google News wird in Deutschland eine offene Plattform für Nachrichteninhalte bleiben. (…) Darüber hinaus planen wir keine Änderungen.“ Die Dienste bleiben, nur die Inhalte werden sich schleichend ändern: Auch wenn Google nicht über Nacht alles entfernt, werden bestimmte Content-Anbieter in den kommenden Tagen und Wochen in er News-Suche nicht mehr mit Aktualisierungen auftauchen und schleichend verschwinden. Dieses Auslisten, um die Lizenzzahlungen zu vermeiden, ist rechtlich völlig legitim, dagegen sind die Verlage machtlos.

So fliegen nun beim Aggregationsdienst Rivva rund 650 Publikationen raus – der Dienst ist zu klein, um mit allen Anbietern Verhandlungen zu führen oder um Erlaubnis zu fragen. Schon seit einigen Tagen verzichtet Rivva auf Snippets. Die Ansicht der Überschriften ohne Textanrisse macht klar, dass Texter zukünftig noch mehr Mühe in ihre Überschriften stecken müssen, um den Leser in der Flut der Artikel anzusprechen. Kurz, prägnant, aussagekräftig soll sie sein und einen Ausblick darauf geben, was den Leser erwartet – wenn der Teasertext auch an anderer Stelle zukünftig wegfallen sollte, muss die Headline zum Kunstwerk werden, um Klicks zu generieren.

Yahoo! als ehemaliger Platzhirsch unter den Suchmaschinen konnte zum Zeitpunkt der Anfrage leider noch nicht viel dazu sagen, wie sie mit dem LSR umgehen, auch nicht dazu, ob für ein ähnliches Verfahren wie das von Google infrage kommt. Man berief sich lediglich auf eine Stellungnahme von Ende Januar dieses Jahres, erahnen lässt, dass auch Yahoo! auslistet. Alle weiteren Fragestellungen müssten laut Yahoo! noch erörtert werden, zumal das Gesetz ja noch nicht in Kraft getreten sei.

Von Microsoft als Betreiber der Suchmaschine Bing habe ich nun schon zum zweiten Mal keine Antwort auf eine Anfrage zum LSR erhalten. In Redmond hat man derzeit andere Sorgen rund um Überwachung durch und Kooperation mit Geheimdiensten.

Was bedeutet das für das Monitoring?

Für PR-Leute und für jeden anderen, der Medien beobachtet, wird die Suche im Netz erst einmal unsicherer: Während wir bisher aktuelle Veröffentlichungen zuverlässig unter Google News abfragen konnten, können wir heute nicht mehr sicher sein, ob dort alle Clippings erscheinen. Wir müssen zur Sicherheit die Websuche hinzuziehen. Da hier jedoch nach einem anderen Algorithmus gelistet wird, stehen nicht unbedingt die aktuellsten Ergebnisse ganz oben.

Vor allem kleine, lokale oder regionale Verlage könnten ungewollt bei Google rausfliegen, weil sie nicht über Verbände organisiert sind und unter Umständen das Zustimmungsschreiben nicht erhalten haben. Ebenso verlagsähnliche Blogs, die feststellen könnten, dass sie ungewollt ausgelistet wurden.

Manchmal hat man als Berater Projekte, da kommt es auf jedes einzelne Clipping an – weil es ein Neukunde ist, ein kleiner Kunde, der einem am Herzen liegt oder ein schwieriges Thema. Der Reichweitendruck ist auch bei großen Kunden oft hoch und um die KPI zu erreichen, suchen wir manchmal buchstäblich das ganze Netz nach Veröffentlichungen ab, um das Erreichen der vereinbarten Ziele zu belegen.

Es gibt also diese Aussendungen, bei denen man eine halbe Stunde nach Versand bei Google News nach ersten Erscheinungen sucht und nervös die F5-Taste drückt, während der Kunde schon anruft, ob jemand die Nachricht aufgegriffen hat.In diesen Situationen ist auf Google News nun erstmal kein Verlass mehr. So wird zum Beispiel die Rhein-Zeitung in Zukunft nicht mehr bei Google News zu finden sein. Will ich News aus Koblenz lesen, muss ich als Suchender schon genau wissen, bei welcher Zeitungswebseite ich zu suchen habe – kenne ich die Rhein-Zeitung nicht, weiß ich schlicht nicht, wo ich im Web News aus Koblenz finde. Auch die Websuche hilft mir nicht weiter, wenn ich nicht weiß, wonach ich suchen soll. PR-Berater kennen sich idealerweise ganz gut in der Medienlandschaft aus und können sich helfen. Was jedoch findet der recherchierende Schüler? Und viel wichtiger: Was findet er zukünftig nicht mehr?

Hinzu kommt, dass einige Verlage nur unter Vorbehalt zugestimmt haben, weiterhin bei Google News gelistet zu bleiben. Das bedeutet, vielleicht entfaltet sich die Wirkung des LSR erst später.

Welcher Verlag sich wann für oder gegen Google entscheidet, kriegen wir hoffentlich durch Erklärungen mit. Vielleicht verschwinden sie auch einfach nur ganz still von unserem Radar.

Wie geht es weiter?

Die manuelle Suche wird also mühsamer und somit auch teurer. Wie viel zusätzliche Zeit und damit Geld das kosten wird, ist derzeit nur grob zu kalkulieren. Gerade für kleinere Unternehmen wird das Monitoring durch Dienstleister oder Agenturen dadurch unrentabler.Die Kosten tragen im Zweifel die Agenturen, die in ihrem eigenen Interesse das Netz so intensiv wie möglich beobachten.

Die mit eigenen Crawlern arbeitenden Medienbeobachter Landau Media und Kantar Media (http://www.kantarmedia.de) planen derzeit keine Preiserhöhungen. Lediglich sucht man bei Kantar Media nach einer Lösung für die rechtssichere Darstellung von Snippets in den Online-Pressespiegeln. Auch das wird wohl noch bis Jahresende dauern.

Im Laufe der kommenden Monate wird es irgendwann erste Prozesse geben, die endlich Rechtssicherheit über die Länge der kostenfrei erlaubten Snippets geben. Dem Dienst, der den ersten Prozess führt, ist für diese Klärung schon jetzt Respekt zu zollen. Und wahrscheinlich wird es nur derjenige Anbieter wagen, der das nötige Kapital hat.

Die Ironie dabei: Die Meinungsvielfalt und ein Teil der Freiheit des Internets wird nun nur von denjenigen vor Gericht verteidigt werden können, die das nötige Kapital haben. Man zwingt damit vor allem Google in die Rolle eines Robin Hood – den ehrwürdigen Retter der Gerechtigkeit.

Fazit: Auch wenn es erstmal harmlos aussieht, das LSR ist noch nicht gegessen. Es kann sein, dass sich die Auswirkungen erst in den nächsten Monaten zeigen.

Der politische Hintergrund

Der Prozess der Gesetzwerdung der Idee eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage wurde seit fast vier Jahren von Netzpolitikern und Medienmenschen kritisch begleitet. Nicht nur Netzaktivisten, auch Juristen, Institute und Verbände wie der BDI, das MPI, der CCC, die IGEL sowie der Verband für Internetwirtschaft eco stemmten sich gegen das LSR. Eine schöne Sammlung aller Argumente und politischen Hintergründe findet sich bei Stefan Niggemeier. Vor allem der Vorwurf an die Regierung, das LSR sei ein Lobby-Gesetz wiegt schwer, jedoch kommt wohl auch die zugesagte Vergütung an die Urheber zu kurz.

Einzig bemerkenswert am LSR ist, dass es Politik und Wirtschaftsakteuren gelungen ist, dass alle Gesichter gewahrt bleiben: Die Verlage haben ihr Gesetz, die Suchmaschinen behalten ihre Dienste und Otto Normalnutzer spürt das Gesetz (vorerst) nicht in seinem Suchalltag. Bleibt also nur der bittere Nachgeschmack, dass die Regierung Zeit und Geld in die Kreation eines zahnlosen Tigers zu kosmetischen Zwecken investiert hat.


Image by Tobias Schwarz (CC BY-SA 2.0)


 

ist Beraterin für strategische Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit mit besonderem Schwerpunkt auf Technologie-, IT- und Digital-Themen. Sie berät und betreut Unternehmen, Verbände und politische Akteure.


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