Eitelkeit ist nur einer von vielen Gründen, warum junge Menschen Bilder von sich online stellen.
Stars tun es, Millionen Teenager tun es, und die IT-Industrie will, dass wir es alle tun: Selfies. Die Selbstporträts, die mit den Front-Kameras von Smartphones und Tablets geschossen und über Apps im Internet veröffentlicht werden, zählen mittlerweile zu den wichtigsten Content-Arten im Social Web. Sie sind aber nicht nur Ausdruck einer selbstverliebten Internet-Generation, sondern zeugen auch von der Verunsicherung junger Menschen in einer schöngezeichneten Welt.
- Selfies, selbstgemachte Porträtfotos, gehören zu den wichtigsten Content-Arten im Social Web.
- Einer Studie zufolge haben bereits 91 Prozent der US-amerikanischen Teenager ein Selfie veröffentlicht.
- Selfies sind Teil der Findung eines gesellschaftliches Selbst über Urteile und Wahrnehmung.
Eine nachdenkliche Rihanna, das Model Kelly Brook mit Duckface und Lockenwickler oder ein verwirrt dreinblickender Justin Bieber: Es sind Blicke hinter die Kulissen, die uns Smartphone-Selbstporträts auf der Foto-Plattform Instagram gewährt werden. Die Stars ungeschminkt und in Posen, die Paparazzi selten machen und noch seltener veröffentlichen. Anstatt Glamour und Skandal zu zeigen, sind die Instagram-Selfies der Stars eigentlich ziemlich langweilig – und vielleicht deswegen so beliebt bei den Fans.
Bei Millionen Smartphone-Nutzern sind die Selfies, wie die Selbstporträts per Front-Kamera genannt werden, ebenfalls sehr beliebt. Einer aktuellen Studie des renommierten Pew Research Center zufolge haben bereits 91 Prozent der US-amerikanischen Teenager mittlerweile Fotos, die sie selbst zeigen, im Internet veröffentlicht – das sind 12 Prozent mehr als 2006, als noch MySpace das wichtigste Social Network war. Ein besonders starker Treiber des Trends sind Smartphones und Apps, die die Ich-Schnappschüsse extrem vereinfachen. Eine Suchanfrage bei Statigram zeigt, das mit Facebooks Foto-App Instagram mittlerweile mehr als 100 Millionen Bilder veröffentlicht wurden, die mit dem Hashtag #me getaggt wurden – nur #love und #instagood sind noch verbeiteter. Twitters Instagram-Rivale Vine hat kürzlich auf den Trend reagiert und unterstützt seit Juni ebenfalls die Smartphone-Cams an der Vorderseite.
Das mobile Social Network Just.me ist die jüngste App, die dezidierte Funktionen für Selfies eingeführt hat. “Selfies sind gerade in den vergangenen zwölf Monaten extrem populär geworden. Speziell bei Just.me-Nutzern hat die Nutzung gerade neue Höhen erreicht”, sagt Just.me-Gründer Keith Teare. Sogar Hollywood würde auf den Trend aufspringen, so Teare – ein Beispiel sei der neuen Sofia-Coppola-Streifen “The Bling Ring” Damit die anderen Nutzer die Selbstporträts einfach finden können, werden diese automatisch mit #selfie getaggt, neue Foto-Filter sollen es den Usern außerdem erlauben, die Fotos exakt so zu gestalten, wie sie von der Welt wahrgenommen werden möchten, so die Presseaussendung. Dass diese und andere Apps uns mit immer neuen Funktionen noch mehr Selbstporträts machen lassen ist gut für sie – immerhin nutzen sie die starken Tendenzen zu einer immer narzisstischeren Gesellschaft aus. Die negative Seite des Trends offenbart sich aber genauso schnell, wenn Foto auf Tumblr-Blogs wie AntiDuckface oder Pictures of Girls Making Duckfaces landen, wo man sich über die Schmollmünder junger Frauen lustig macht.
Der Verdacht, dass die Abermillionen Selfies der Output einer stark narzisstisch veranlagten Generation “Smartphone” sind. Selbstporträts sind oft schöngezeichnete Selbstdarstellungen (es gibt sogar Anleitungen, wie die Selfies besonders gut werden) mit dem Ziel, sich die Bewunderung der anderen zu angeln. Eine Studie der Universität in Buffalo im Jahr 2011 etwa zeigte, dass Frauen, die ihr Selbstwertgefühl auf ihrem Aussehen gründen, mehr Fotos von sich online stellen und Social Networks intensiver nutzen. “Die Vermutung liegt nahe, dass sich Frauen stärker über Image und Aussehen identifizieren und Facebook als Plattform nutzen, um um Aufmerksamkeit zu konkurrieren”, so Studienleiter Michael A. Stefanone. “Es ist enttäuschend für mich, dass im Jahr 2011 so viele junge Frauen ihren Selbstwert über ihre physische Erscheinung definieren.”
Doch es gibt auch andere Meinungen. “Instagram bietet stillen Widerstand gegen die Flut an perfekten Bildern, mit der wir jeden Tag konfrontiert werden. Anstatt uns mit Photoshop-Kreationen in Zeitschriften, im TV oder auf Webseiten bombardieren zu lassen, die unsere Unzufriedenheit füttern, können wir durch unsere Instagram Bilder von echten Menschen in ihrer ganzen Vielfalt sehen”, schreibt etwa die Sozialpsychologin Sarah Gervais über den positiven Wahrnehmungseffekt von Selfies. “Das Selbstbild ist wichtig, und nicht immer auf narzisstische Weise. Denn es definiert auch, wie wir uns selbst sehen und uns anderen präsentieren. Wir sind auf die Urteile und Wahrnehmungen anderer angewiesen, um ein gesellschaftliches Selbst zu entwickeln”, so Mashable-Autorin Christine Erickson. Dass die Selfies nicht immer dazu da sind, um uns im besten Licht zu zeigen, ist etwa auf der Social-News-Seite Reddit zu sehen. Im Subreddit “amiugly” verfolgen 33.000 Nutzer, wie andere per Selbstporträt vor die anonyme Community treten und und öffentlich die mutige Frage stellen: “Bin ich hässlich?” Mit Eitelkeit, Selbstverliebtheit oder Egoismus hat das eher weniger zu tun.
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Schlagwörter: Fotografie, instagram, Selfie, Smartphone
6 comments
Stimmt. Wenn das Selbstwertgefühlt nicht stimmt, ist alles andere egal. Manche denken, dass sie außer ihrem Aussehen nichts zu bieten haben. Bricht ein Fingernagel ab und ihr ganzer Selbstwert ist am Boden. Schlimm!