Um das Urheberrecht geht es dem Bundesverband Musikindustrie schon lange nicht mehr. Respekt und Bestrafung scheinen die neuen Ziele zu sein, wie Geschäftsführer Florian Drücke auf dem Reeperbahnfestival erkennen ließ. // von Tobias Schwarz
Es muss erst schlimmer werden bevor es besser wird. Diese Erkenntnis brachte die Diskussion um immaterielle Eigentümer auf der Digitalkonferenz des Reeperbahnfestivals. Die Kampagne des Handelsblatts, Sven Regeners Entrüstung und ein Dutzend offener Briefe haben zwar neue Tiefpunkte in der Debatte um eine Modernisierung des Urheberrechts gesetzt, das Ende der Fahnenstange ist aber noch nicht erreicht. Der Bundesverband Musikindustrie sieht die Zeit für den ?Kampf? erst gekommen und setzt bei seinem Frontalangriff auf alles unliebsame auch auf die Politik.
Es muss erst schlimmer werden bevor es besser wird
Florian Drücke setzte mit seiner Kritik an den Freiheitsvorstellungen der scheidenden Bundesjustizminsiertin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, die damit nicht die ?Freiheit? meint, die der Bundesverband Musikindustrie sich vorstellt, einen ersten Tiefpunkt in einer prominent besetzten Debatte um geistige Immaterialgüter. In der ersten Viertelstunde hörten sich die Mitdiskutanten, die Musikerin Roxanne de Bastion und der Vorsitzende des Dachverband der Musikschaffenden (kurz: DOMUS), Dr. Eberhard Kromer, die zum Teil grenzwertigen Ausführungen ihres Gegenübers an. Anstatt mehr Rechtsdurchsetzung zu ermöglichen, hat Leutheusser-Schnarrenberger nach Meinung Drücke nichts für die Urheber gemacht. Geleitet von einem falschen Begriff von Freiheit, Scheindiskussionen um Ideen wie die Kulturflatrate der Grünen und durch die Erfolge der Piratenpartei ausgelösten Irritationen im politischen Berlin, tat der Geschäftsführer des Bundesverband Musikindustrie die vergangenen vier Jahre als verloren ab.
Doch das kann sich seiner Meinung jetzt ändern. Die harten Jahre im Kampf gegen die Piraterie könnten vorbei sein, so Drücke. Die Zeiten, in denen Vertreter von härterer Rechtsdurchsetzung auf dem Scheiterhaufen der öffentlichen Meinung gezerrt wurden, könnten mit einer neuen Bundesregierung ohne Leutheusser-Schnarrenberger endlich zu Ende und eine ?bessere Politik? vielleicht möglich sein. Was er sich darunter vorstellt, machte Drücke im Gespräch mit Kromer schnell klar: Haftung von IP-Providern, Clouddiensten, Suchmaschinen und Werbetreibenden bei Urheberrechtsverletzung und die Verfolgung jedes einzelnen Falls von Nutzerverstößen. Google, Rapidshare und die Nutzer sind gleichermaßen im Visier des Bundesverband Musikindustrie – ohne Gnade. Das die Unionsparteien für solche Ideen der Content-Lobby empfänglich sind, wird in Fachkreisen nicht bestritten. Wie erfolgreich Drücke mit seinem Kampf sein wird, liegt auch an den demnächst beginnenden Koalitionsverhandlungen. Es muss erst schlimmer werden bevor es besser wird.
Es gibt Alternativen zur Strategie der Content-Lobby
Roxanne de Bastion und Dr. Eberhard Kromer stellten die Gegenseite zu Drücke und der nicht neutral moderierenden Musikerin Helienne Lindvall, die sich ebenfalls für eine stärkere Durchsetzung von Urheberrechten aussprach. Drückes Aussage, dass es hierbei auch um Respekt für die Arbeit von Kreativen geht, teilten Kromer und de Bastion, doch sehen sie in der drastischen Rechtsdurchsetzung keinen Weg. Was illegal ist, solle auch weiterhin strafrechtlich verfolgt werden, doch müssen neue Nutzungsverhalten auch mehr Berücksichtigung finden. Kromer verwies auf unterschiedliche Meinungen unter Musikern, wie dem Wandel begegnet werden sollte, stellte aber klar, dass sich alle Musiker darauf einigen könnten, dass bei unautorisierten Filesharing es Musikern möglich sein muss, dies zu unterbinden, wenn sie es nicht wollen sollten und das wenn damit Geld verdient wird, die Musiker finanziell beteiligt werden. Es wurde besser nach dem es schlimmer war.
Für Roxanne de Bastion sind auch Musiker gefragt, moderner zu agieren und die neuen Möglichkeiten als eine Chance und nicht als Bedrohung wahrzunehmen. Sie kann keinen Unterschied zwischen dem bisherigen analogen Verhalten und einem angeblich neuen Online-Verhalten der Nutzer von Musik erkennen. Den Fans sollten Angebote gemacht werden und nicht mit Kriminalisierung ihres Verhaltens begegnet werden. Auch Kromer sieht im Umgang mit den Fans und Nutzern noch nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft. Was etwas wert ist und wie Werte entstehen, muss neu definiert werden. Einen Schritt, dem sich die Bewahrer des Gesterns bisher gerne verwehren, denn es ist vollkommen unklar, wie morgen Geld mit Musik verdient werden kann. Es würde sich wahrscheinlich lohnen, dass herauszufinden. Aber vielleicht muss es erst schlimmer werden bevor es besser wird.
Teaser by Matthias Boem
Image by Tobias Schwarz (CC BY 3.0)
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Schlagwörter: Bundesvrband Musikindustrie, DOMAS, Florian Drücke, Reeperbahnfestival, Roxanne de Bastion, urheberrecht
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