Die Schlachten um die Zukunft des Journalismus sind eingebildet. Zwar steht sie noch nicht fest, aber sie wird nicht gewonnen, sondern gemacht werden. Im Medienwandel laufen manche Journalisten zur Höchstform auf, wenn es darum geht, die Krise herbei zu schwören, die ihre ganze Zunft wahrscheinlich weg digitalisieren soll. In dieser Krisenkommunikation liegt die eigentliche Krise, denn anstatt Veränderungen und Möglichkeiten zu beobachten, darüber zu schreiben und auszuprobieren, wird das Ansehen einer ganzen Berufsgruppe durch pessimistische Zukunftssorgen beschädigt. Wer liest auch schon gerne Beiträge von den Verlierern von morgen?
Die Huffington Post startet am Donnerstag mit einer deutschen Ausgabe. Viele Medienmacher werden diesen Tag als schwarzen Donnerstag in Erinnerung behalten. Am 10.10. um 10 Uhr wird das Ende des Journalismus, wie wir ihn kennen, seinen Anfang nehmen. Das klingt alles sehr dramatisch und trotzdem wird Roland Emmerich nie die Geschichte des Untergangs des Journalismus verfilmen, denn er geht gar nicht unter. Wer einen genauen Blick wagt wird feststellen, dass es dem Journalismus sogar sehr gut geht. Es geht sogar den meisten deutschen Presseverlagen sehr gut, ziehen wir mal keine Vergleiche zu den Einnahmen in vordigitalen Zeiten. Aber es verändert sich was und dies betrifft neben dem Journalismus vor allem die ihn finanzierenden Geschäftsmodelle.
Über Geld redet man aber nicht gerne, man fordert es lieber laut. Der bei Axel Springer von Amt zu Amt hinauf springende Christoph Keese hat sich darin einen besonders unvergesslichen Namen gemacht, als er sich zum Gesicht des Leistungsschutzrecht für Presseverlage (LSR) machte. Durch brüderliche Lobbyarbeit wurden die richtigen Köpfe im Kanzleramt überzeugt, ein Innovation und Meinungsfreiheit gefährdendes Gesetz auf den Weg zu bringen, dass sich eintönig gegen Google richtete, bisher aber nur links und rechts vom Suchmaschinenunternehmen Opfer forderte. Dieser Keese hat jetzt durch einen Tweet eine Debatte unter zwitschernden Anhängern des Journalismus entfacht, die getrost als Nebelkerze bezeichnet werden kann. Nicht die von den alten LSR-Kumpeln bei Burda hierzulande gestartete Huffington Post ist die neueste Bedrohung des Journalismus, sondern Buzzfeed.
Wir alle müssen #Buzzfeed viel ernster nehmen, als wir es bisher tun: http://t.co/sk99d8pZbs
— Christoph Keese (@ChristophKeese) September 28, 2013
Reden wir über Buzzfeed!
Buzzfeed ist ein von Jonah Peretti gegründetes Nachrichtenportal, dass zwar auch in Deutschland nicht mehr ganz so unbekannt ist, aber vor allem, wie im Tweet von Christoph Keese, als Bedrohung wahrgenommen wird. Warum? Peretti, übrigens ein Mitgründer der Huffington Post, hat es in vier Jahren geschafft, ein Millionenpublikum auf eine Nachrichtenwebsite zu ziehen, die nicht nur Nachrichten bietet, und im Jahr 2013 sogar einen Gewinn zu erwirtschaften. Neben exklusiven Politikberichten stehen Artikel mit wenigen Sätzen und einem viralen Video oder 17 Bilder zu einem bestimmten Thema, wie z.B. warum zu Hause bleibende Frauen Fans von Benedict Cumberbatch sind, sogenannte Cumberbitches.
Was genau Buzzfeed ist, hat Gunnar Sohn gut erfasst: “Eine Melange aus ernsthaften Nachrichten und putzigen Katzenvideos”. Und Dirk von Gehlen hat die Folgen von Perettis Denkweise für den Journalismus treffend formuliert: “Bisher haben Journalisten ihre Zeit in die Herstellung von Inhalten investiert, im Zeitalter von Social Media sei das nur die eine Hälfte journalistischen Arbeitens”. Das mag für Journalisten eine Umstellung sein, aber es wird ihrer journalistischen Arbeit nicht schaden und es wird vor allem dem Journalismus nicht schaden. Was nach dem Prozess des Inhalte erstellen folgt ist ein Community-Management, wie Anette Novak, Vorstandsmitglied des World Editors Forum in ihrem Talk auf der Digitalkonferenz des Reeperbahnfestivals erklärte. Dadurch werden Inhalte gezielt bei den Lesern platziert, Verbindungen aufgebaut und sich eine Leserschaft geschaffen. Es würde dann zwischen Sendern und Empfängern menscheln. Die Zeiten der medialen Top-Down-Kommunikation sind vorbei.
Axel Springer ist das deutsche Buzzfeed
Warum aber sieht Christoph Keese in Buzzfeed etwas, dass Journalisten ernster nehmen sollten? Ein Hauch von Bedrohung schwingt in seinem Tweet mit, auch wenn Keese das nicht wörtlich schreibt. Sein Ziel ist es, Buzzfeed früh zu diskreditieren und das mit Erfolg. Marcel Winatschek wirft dem Portal “Journalismus für grenzdebile Idioten” vor, was irgendwie witzig ist, weil man das auch ohne Probleme über seine beiden Projekte Amy&Pink und Neue Elite sagen könnte, wenn man davor nicht den gleichen Respekt wie vor Buzzfeed haben würde. Mit Karsten Lohmeyer nimmt sogar ein ernstzunehmender Medienanalyst den Tweet gleich zum Anlass, sich mit Buzzfeed zu beschäftigen. Seine Gedanken enden in der Forderung, dass wir endlich über (guten) Journalismus diskutieren sollten und wie dieser “im digitalen, sozialen und mobilen Zeitalter aussehen muss – ohne dass wir dabei in unserem Elfenbeinturm verhungern”. Eine gute Forderung, aber Lohmeyer hat sich hier in den Schwaden von Keeses Nebelkerze verlaufen, denn darum geht es (Keese) nicht. Die Lektion, die anhand der Buzzfeed gelernt werden kann, ist nämlich keine Lektion für den Journalismus, sondern wie Geld verdient werden kann und darauf sollte sich Journalismus nicht konzentrieren, sondern Presseverlage.
Das weiß Keese und das machen sie bei Springer auch erfolgreich. Axel Springer hat im vergangenen Jahr drei Milliarden Euro Umsatz erwirtschaftet und in diesem Jahre durch diverse Praktika im Silicon Valley, geschickter Zeichensetzung und dem Verkauf von Regionalzeitungen die Umstellung auf das digitale Zeitalter mit einer beeindruckenden Konsequenz vorangetrieben. Mit Journalismus haben Springers Zukunftspläne aber wenig zu tun. Viel Geld werden sie also auch weiterhin nicht in die Journalisten stecken, auch nicht in die, die Keeses Tweet Folge geleistet haben und die Buzzfeed zu ernst nahmen, während sich in den Springermedien neben einer Meldung über die mögliche neue FDP-Generalsekretärin ein Bericht über einen Vogel findet, der von einem betrunkenen Wiesngänger angekotzt wurde und an den Folgen starb (gesehen auf Bild.de) oder neben einem Artikel über den außenpolitischen Machtgewinn der USA durch Fracking ein Video gezeigt wird, wie ein Küken todesmutig mit einer Katze kuschelt (gesehen auf Welt.de).
Fazit: Wer Geld haben will, sollte danach fragen – am besten seine überzeugte Community
Christoph Keese hat sich Buzzfeed ernsthaft angeschaut und scheinbar erkannt, dass Axel Springer auf die gleiche Art Geld verdienen könnte. Damit das aber möglichst wenige andere machen, wird Perettis Nachrichtenportal in Verruf gebracht und zwar mit Hilfe der Zukunftsangst deutscher Journalisten. Sicherlich ist Buzzfeed nicht die absolute Antwort auf alle Fragen, aber es kann viel von der Seite gelernt werden. Weder Buzzfeed noch die Huffington Post werden das Ende des Journalismus sein. Journalisten können trotzdem etwas von Perettis Buzzfeed lernen und das ist, wie schon gesagt, das Community-Management. Die Crowd soll nicht vorgeben, was wann wie geschrieben wird, aber eine Beziehung aufzubauen und ab und zu einmal zu horchen, was die Leute bewegt und was ihnen gefällt, kann nicht schaden. Wer weiß wie die Menschen denken, kann ihnen auch besser etwas erklären und das ist die eigentliche Hauptaufgabe, die Journalisten wirklich ernst nehmen sollten.
Teaser by Charlie Engmann
Image (adapted) „TechCrunch Disrupt NY 2013 – Day 1“ by TechCrunch (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: Buzzfeed, Christoph Keese, debatte, journalismus, Medienwandel
9 comments
Danke für die Erwähnung, fühle mich geschmeichelt. ;-) Ich möchte noch jedem Leser dieses Artikels noch Christoph Keeses Blogbeitrag „Sieben Gründe, warum Buzzfeed mehr ist als ein Portal für Hitlisten und Katzenfotos“ empfehlen, den er ein paar tage nach diesem Tweet verfasst hat und in dem er deutlich spezifischer wird: http://www.presseschauder.de/sieben-grunde-warum-buzzfeed-mehr-ist-als-ein-portal-fur-hitlisten-und-katzenfotos/