Selbstmarketing ist etwas für Onliner? Nicht nur. Selbstmarketing ist etwas für jeden Journalisten. Ihre Künstlerkollegen aus dem Musikgeschäft machen es vor. Journalisten sind Künstler. Jeder Text ist ihr eigenes Werk. Zwar gibt es Standards, ein journalistisches Handwerk, aber vor allem gestalten sie ihre Texte mit eigener Kreativität. Vergleichen wir Journalisten mit Musikern: Auch bei ihnen gibt es Standards, nämlich Noten und Takte, aber jedes Lied individuell. Doch nicht nur die Produktion gehört zu ihrem Tätigkeitsfeld, auch das Marketing. Zwar haben sie mit Glück jemanden, der ihre Texte und Musik vermarktet – Verlage bzw. Plattenfirmen –, aber in Zeiten der Digitalisierung funktioniert es auch ohne sie ganz gut. Zauberwort: Selbstmarketing.
Möglichkeit für freie Journalisten
Selbstmarketing ist unter Journalisten keinesfalls selbstverständlich. Was für die einen zum täglichen Brot gehört, ist für andere doch noch arg befremdlich. Besonders Festangestellte drehen Facebook, Twitter, Xing, torial, Blogs und Co. den Rücken zu. Sie müssen schließlich keine Auftragsakquise betreiben. Ihr Gehalt flattert jeden Monat auf ihr Konto, obwohl sie womöglich keiner wirklich kennt, obwohl sie sich keinen Namen gemacht haben. Freien Kollegen ergeht es anders. Sie müssen sich vor potentiellen Auftraggebern präsentieren, bestenfalls eine Crowd im Schlepptau haben, die der Reichweite – und dem Image – des Auftraggebers dienen kann.
Zurück zur Musik. Was bei Journalisten die sozialen Netzwerke und Blogs sind, ist bei Musikern die globale Videoplattform Youtube. Sie können dort veröffentlichen, ohne einen Plattenvertrag unterschrieben zu haben. Eventuell lässt sich sogar Geld verdienen, indem sie selbst Publiziertes direkt an den Mann bringen oder mit Werbebannern Geld verdienen. Die Chance, einen Plattenvertrag zu bekommen, ist gewiss höher, wenn die Musiker sich schon einen Namen gemacht haben, schon länger zeigen, was sie auf dem Kasten haben und eine bestimmte Menge Fans mitbringen. Natürlich kann sich ein einzelner Musiker in einer Band verstecken und hoffen, auf der Erfolgswelle mitschwimmen zu dürfen. Wenn das nicht funktioniert, weil sich die Band zum Beispiel von ihm trennt, steht er aber blöd dar.
Selbstmarketing gehört zum Beruf
Journalisten haben mehr mit Musikern zusammen, als man vielleicht denken mag. Sie stellen nicht nur beide ein künstlerisches Werk her, sondern müssen sich ähnlich um ihre Vermarktung kümmern. Auch Journalisten können ohne Verlag publizieren (Stichwort: Selfpublishing). Ihre Chance, eine Anstellung oder einen Auftrag zu bekommen, ist ebenfalls höher, wenn sie sich einen Namen gemacht haben, ihr Können – zum Beispiel auf einem Blog – unter Beweis stellen und sie eine eigene Crowd mitbringen. Festangestellte Journalisten können sich in einer Redaktion verstecken, aber wenn sie im Rahmen der nächsten Sparmaßnahmen gefeuert werden, will bitte niemand ihr Gejammer hören.
Was für Musiker schon selbstverständlicher zu sein scheint, muss es für Journalisten noch werden. Die digitalisierte Welt bietet ihnen die Möglichkeit, sich selbst zu vermarkten. Wer keine Lust darauf hat, sich in sozialen Netzwerken zu tummeln, zu vernetzen, auch mal gratis zu schreiben und sich mit einer eigenen Webseite oder auf Portalen wie torial zu präsentieren, der geht in Zukunft ein berufliches Risiko ein. Mehr noch. Wer sich auf all das nicht einlassen wird, der sollte sich für diesen Beruf nicht entscheiden. Denn das Selbstmarketing gehört zum Journalist-Sein heute, spätestens morgen, genauso selbstverständlich zum Job wie es im Musikgeschäft der Fall ist. Journalisten sind Persönlichkeiten, zunehmend in der Öffentlichkeit stehend. Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber wer will schon eine Ausnahme sein?
Image (adapted) “Neil smiles“ by Cassandra Rae (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: digitalisierung, Internet, journalismus, Musik, Selbstmarketing, Social Media
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