Pia Poppenreiter und ihr Mitgründer Florian Hackenberger wollen das gemeinsame Unternehmen Peppr verkaufen und neue Wege gehen. // von Lars Sobiraj
Im Prinzip versucht die Berliner Pepper IT GmbH das Unmögliche. Die Website soll das älteste Gewerbe der Welt so neutral und so wenig anrüchig wie möglich ins Web übertragen. Nach Angabe des eigenen Aufenthaltsortes und Auswahl der Filterkriterien wie Geschlecht, Preis, Extras, Alter, Körbchengröße, Figur und Sprache kann die Person nach vorheriger Anmeldung online gebucht werden. Die Domain liegt in Italien, die Daten werden hingegen in Köln gehostet. Der Firmensitz ist – wie könnte es anders sein – in Berlin. Dort leben auch die meisten Sexarbeiter, die als Pepprs Pfeffer in unser aller Leben bringen sollen.
Was vor zehn Monaten als vielversprechendes Startup mit Bezug zu einem gesellschaftlichen Thema began, endet nun in einer einvernehmlichen Trennung. Im Interview mit dem Branchenmagazin Gründersezene erklärt Poppenreiter zum Grund der Trennung: „Es gab zwischen uns massive Differenzen darüber, in welche Richtung die App gehen soll„. Sie und Mitgründer Florian Hackenberger wollen deshalb nun einen Käufer für ihre App finden und führten dazu bereits erste Gespräche. „Wir wollen, dass jemand das Konzept übernimmt, der unseren ethischen Ansatz unterstützt, sagt Hackenberger.
Die Idee wird also weitergeführt, nach dem Ausscheiden des Gründungsteams nur von wem anders. Im April 2014 hatten wir uns mit Geschäftsführerin Pia Poppenreiter zum Interview getroffen und über das Vorhaben unterhalten, ein Buchungsportal für sexuelle Dienstleistungen auf die Beine zu stellen:
Lars Sobiraj: Warum ist Peppr eine Website und wird nicht als App angeboten?
Pia Poppenreiter: Die Entscheidung zu Beginn eine Web-App zu machen, liegt unter anderem in der Unsicherheit begründet, wie Apple bzw. Google eine solche App aufnehmen würde. Das war aber nicht der einzige Grund. Eine kurze Entwicklungszeit und die Möglichkeit die App auch ohne Installation benutzen zu können, (Stichwort: Anonymität) waren weitere Entscheidungskriterien.
L.S.: Stimmt! Apple-Geräte können so vieles. Doch der Hersteller erlaubt auf seinen Geräten bei Weitem nicht alles. Wieso gibt es auf Eurer Website eigentlich kein Impressum? Warum eine italienische Domain?
P.P.: Es gibt auf der Webseite natürlich ein Impressum, Sie finden es im Menü unter „Impressum“. Die Plattform ist komplett bei einem deutschen Anbieter gehostet, die italienische Domain kommt von unserem Slogan „peppr it“. Wir haben aber schon mehrfach gehört, dass das zu versteckt ist, und diskutieren gerade, wie wir das verbessern können.
L.S.: Die sicherste Methode gegen Abmahnungen wäre es, den Link zum Impressum direkt auf der Hauptseite anzubringen. Doch mal etwas anderes: Wie sieht das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Pepprs (Sexarbeitern) aus?
P.P.: Derzeit liegt das Verhältnis bei fifty-fifty. Wir nehmen an, der Grund dafür ist, dass die Männer schlichtweg technikaffiner sind.
L.S.: Damit wären wieder einmal die Männer im Vorteil. Wie kommt es eigentlich, dass bei manchen Anbietern die Gebühr fünf, bei anderen zehn Euro beträgt?
P.P.: Das ist buchungsabhängig, ab einem Gesamthonorar von 200 Euro verlangen wir zehn Euro Gebühr, die wir mit den SexarbeiterInnen teilen.
L.S.: Bei derart niedrigen Gebühren dürfte es „etwas“ dauern, bis das Startup schwarze Zahlen schreibt. Was auffällt: Die Preise pro Stunde sind vergleichsweise hoch. Wie kommt’s?
P.P.: Es haben sich schlichtweg vorwiegend zunächst Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter aus dem Hochpreis-Segment angemeldet. Das kann sich aber jeden Tag ändern, da wir sehr viele unterschiedliche Anfragen haben. Wir machen keine Preisvorgaben, das ist nicht unsere Dienstleistung.
L.S.: Wie häufig kommt es bei Bestellungen zu Stornos?
P.P.: Generell scheint die Ernsthaftigkeit der Buchungsanfragen, wie erhofft und wahrscheinlich bedingt durch unsere Buchungsgebühr, sehr hoch zu sein. Die Gebühr ist zwar eine Hürde bei der Buchung, schafft aber Vertrauen und Verbindlichkeit. Wir werden sehen, wie es sich weiterentwickelt. Es ist noch zu früh diesen Punkt analysieren zu können. Nächstes Jahr um dieselbe Zeit können wir seriös über eine Tendenz beim Verhältnis Buchung zu Storno sprechen.
L.S.: Die persönliche Betreuung und Überprüfung einzelner Freiberufler erscheint sehr aufwendig. Wie soll dieser Aufwand bewerkstelligt und bezahlt werden?
P.P.: Die Kandidatinnen und Kandidaten rufen an oder kommen vorbei. Wir sind offen und transparent. Das Persönliche hat uneingeschränkt Priorität, denn das ist die Basis unseres Geschäftsmodells. Ohne gegenseitiges Vertrauen geht gar nichts.
L.S.: Womit leider nicht beantwortet wird, wie dieser Aufwand finanziert werden soll. Ist geplant, die Abwicklung der Zahlungen der Kunden zu übernehmen?
P.P.: Nein, das gehört nicht zu unserer Dienstleistung.
L.S.: Wird es, ähnlich wie in den USA, eine Beurteilung der Anbieter geben? Ist dies – sofern möglich – auch für Kunden geplant?
P.P.: Natürlich wird sich am Konzept noch die eine oder andere Sache ändern. Aber das ist Zukunftsmusik. Da müssen wir gegebenenfalls auf die Nachfrage reagieren.
L.S.: Im Jahr 2002 verabschiedete die Rot-Grüne Koalition das noch immer gültige Prostitutionsgesetz (ProstG). Was hat sich in Euren Augen seitdem für Sexarbeiter geändert?
P.P.: Es ist gut, dass die Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter rechtlich auf der sicheren Seite sind. Das hat viel Vertrauen geschaffen.
L.S.: Wie haben sich seit EMMAs Appell gegen Prostitution die Verhältnisse in Berlin verändert? Was haltet ihr von diesem Appell?
P.P.: Wir haben unsere Meinung dazu, wollen aber kein politischer Spielball sein. Grundsätzlich ist alles zu begrüßen, das den Personen in der Sexarbeit das Leben leichter macht und nicht noch zusätzlich erschwert.
L.S.: Wie sollten die gesetzlichen Grundlagen für Sexarbeit denn im Idealfall aussehen?
P.P.: Wir diskutieren keine Gesetze über Sexarbeit ohne Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter. Das machen schon viel zu viele.
L.S.: Gut. Einmal anders gefragt: Wie sollte unsere Gesellschaft mit diesem Thema umgehen?
P.P.: Wertfrei damit umgehen, dass es Menschen gibt, die diese Dienstleistung anbieten und annehmen.
L.S.: Wie hat sich peppr bislang entwickelt? Was habt ihr für die Zukunft geplant? Und wieso gibt es ein solches Angebot nicht schon seit langer Zeit?
P.P.: Wir wissen nicht, warum es diese Idee nicht vorher gab. Aber nicht selten ist das Simple, Schlichte, Einfache wirkungsmächtiger, als manch hochkomplexe Erfindung. Wie auch immer: Wir sind total überwältigt von der positiven Aufmerksamkeit und Presse! Berichte über Peppr erschienen bisher in unzähligen Ländern und der Zuspruch ist enorm. Uns freut es gewaltig, dass die Entscheidung, diese Idee Wirklichkeit werden zu lassen, richtig war! Wir diskutieren derzeit über diverse Investoreneinbringungen, Anschlussfinanzierungen und Expansionen.
Wir freuen uns auf die Dinge, die auf uns zukommen, prüfen aber alles sehr genau und sagen lieber einmal zuviel Nein als Ja. Nicht zu vergessen: Unsere Basis sind und bleiben die Pepprs.
Anmerkung des Autors: Mein Dankeschön geht an Juliana und Pia für die ausführliche Beantwortung meiner Fragen. Bislang liegen keine empirischen Daten zur Anzahl der Prostituierten in Deutschland vor. Bei bundesweit bis zu 400.000 Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern ist bei Peppr noch ein enormes Wachstumspotential vorhanden. Wenn das Konzept funktioniert, werden die ersten Trittbrettfahrer nicht lange auf sich warten lassen.
Zuletzt aktualisiert am 04.02.2015 von Tobias Schwarz
Teaser & Image by Florian Hackenberger & Pia Poppenreiter
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Schlagwörter: Peppr.it, Sexarbeit, startup
4 comments
Ergänzung:
Es gab vorher bereits vergleichbare Angebote im deutschsprachigen Web. Bei gesext.de werden Sexarbeiter per Auktion an die Frau und den Mann gebracht. Bei kaufmich.com werden von den Anbietern Fixpreise angegeben. Die beiden Portale erscheinen mir aber nicht so neutral und sachlich, wie Peppr.
tolle Idee!
Einfach nur geil.