Die Spezies der Journalisten hat eine neue Gattung hervorgebracht. Den Blogger. Wird sich die Blogosphäre im Informationsdschungel behaupten können? Sie sitzen in abgedunkelten Kellerräumen, durchforsten die entlegensten Ecken des Internets und chatten mit mysteriösen Gesinnungsgenossen. Immer auf der Suche nach der ganz großen Nachricht. Doch was ist dran am Klischee vom gemeinen Blogger? Der Deuschte-Fachjournalisten-Verband (DFJV) wollte es jetzt genau wissen und hat daher eine Studie bei der Universität Hohenheim in Auftrag gegeben um herauszufinden, was den Blogger auszeichnet, welchen persönlichen Hintergrund er hat und wovon er lebt und was seine Motivation ist. Geleitet von Professor Michael Schenk (Lehrstuhl für Kommunikationswissenschaften) erhalten wir ein genaueres Bild des Bloggers,welches die ein oder andere Überraschung parat hält.
Der Blogger – Das unbekannte Wesen
Vor der Auswertung kommt bekanntlich das Interview. Befragt wurden nahezu 2.500 Blogger. Mehr als 500 Antworten konnten am Ende für die Studie ausgewertet werden, was eine respektable Antwortquote von über 21 Prozent ergibt.
Der durchschnittliche Blogger ist 38 Jahre alt, überwiegend männlich und formell sehr gut ausgebildet. Die Hälfte der Befragten können zudem einen Hochschulabschluss vorweisen und sie sind zu 85 Prozent berufstätig. Was im allgemeinen Wirtschaftsleben einer Vollbeschäftigung nahekommen würde.
Doch was sind das für Blogs, die hier betrieben werden? Den größten Stellenwert nehmen eindeutig die Themenblogs ein (80,4 Prozent). Das persönliche Tagebuch (10,2 Prozent) und der Corporate Blog (9,4Prozent) – also Firmenblogs – spielen dabei eine untergeordnete Rolle.
Eine genauere Betrachtung verdient daher vor allem die Zusammensetzung der Themenblogs. Das Ressort „Kultur und Medien“ hat dabei eindeutig die Nase vorn (40,2 Prozent). Technik, Computer und Internet müssen sich bei 33 Prozent mit den zweiten Platz zufrieden geben. Immerhin noch 21,3 Prozent der Blogs beschäftigen sich mit dem Themenkomplex Ernährung und Gesundheit. Aber auch der Dauerbrenner Reise und Tourismus ist mit 18,9 Prozent weit vorn dabei. Die Ergebnisse innerhalb der persönlichen Tagebücher und den Corporate Blogs fallen ähnlich aus, wenn auch etwas homogener in Ihrer Gewichtung.
Die Blogger stehen also mitten in der in Gesellschaft und ihre Themen sind inzwischen sehr Mainstream. Das Bild vom nerdigen Blogger dessen Leserschaft aus einer handvoll Gesinnungsgenossen besteht, ist nicht mehr zeitgemäß. Blogs sind massenkompatibel geworden und werden auch ausgiebig von den Massen konsumiert. Auf mehr als 24.000 Leser bringt es ein Blog im Durchschnitt. Eine Zahl, die sehr eindrucksvoll klingt. Allerdings unterliegt auch hier die Höhe der Leserschaft enormen Schwankungen. Enorm bedeutet in dieser Umfrage, dass die geringste Anzahl bei bescheidenen fünf Lesern liegt, während das höchste Ergebnis gigantische zwei Millionen Leser ausweist. Somit liegt der Merian, also der Wert, der die Anzahl der Befragten in zwei gleich große Hälften teilt, bei tausend Lesern im Monat.
Doch das schöne am Bloggen ist die Möglichkeit, aktiv an der Diskussion teilzunehmen und die Meinungsvielfalt damit voranzutreiben.Immerhin auf drei Kommentare bringt es in der Regel ein Post. Das Kommentieren von Beiträgen stellt damit auch die wichtigste technische Funktion innerhalb eines Blogs dar. Fast 96 Prozent aller Blogs nutzen dies. Aber auch RSS Feeds und eine Share-Funktion sind in beinahe jedem Blog zu finden.
Profit? Nebensache
Etwas bescheidener sieht es finanziell bei den Bloggern aus. Gerade mal 20 Prozent der Befragten gaben an, mehr als 500 Euro pro Monat mit ihrem Blog erwirtschaften zu können. Ein Drittel fährt sogar weniger als 100 Euro ein, während eine traurige Schar von 12 Prozent der Blogger sogar Verluste macht. Als Einnahmequellen für thematische Blogs dienen vor allem die konventionelle Werbeschaltung und Affilinate Marketing.
Wahre Reichtümer lassen sich aber nicht in Blogosphäre anhäufen. Dies mag auch den auffällig hohen Anteil von Freiberuflern unter den Bloggern erklären, welcher mit 54,6Prozent unter den anderen Beschäftigungsverhältnissen hervorsticht.
Trotz dieser mageren Finanzaussichten investieren die Blogger eine Menge Zeit in ihr Werk. Der mittlere Zeitaufwand liegt laut Studie bei neun Stunden in der Woche.Das mag zwar noch recht übersichtlich klingen, jedoch liegen den gemachten Angaben eine enormen Zeitspanne zu Grunde, welche zwischen mageren 6 Minuten und extremen 60 Stunden pro Woche liegt. Letztendlich lässt sich sagen, dass die Hälfte der Blogbetreiber zwischen zwei und zehn Stunden in ihren Blog investieren. Wobei der tatsächliche Zeitaufwand auch von der Anzahl der eigenen Blogs abhängt.
Aber wenn man schon einen Blog betreibt, muss man ihn auch mit Inhalt füllen. Daher ist es nicht weiter verwunderlich, wenn beinahe die Hälfte der Zeit in die Erstellung von Inhalten investiert wird. Doch auch die Inhalte müssen beschafft werden. Das nennt man Recherche. Es gilt als wichtigstes Merkmal journalistischer Arbeit. Als unerlässliche Quellen ihrer Recherche nennen die Blogger in der Umfrage andere Blogs, Video Blogs und Podcasts. Einen sehr hohen Stellenwert nimmt noch immer das persönliche Gespräch ein. Aber auch die Internetseiten großer Medienhäuser und Nachrichtenagenturen werden häufig zur Informationsgewinnung herangezogen. Klassische Printmedien und und elektronische Medien spielen bei der Recherche inzwischen keine große Rolle mehr.
Der Mensch lebt nicht vom Blog allein
Warum bringt ein Blogger soviel Zeit für eine überwiegend brotlose Tätigkeit auf? Was motiviert ihn, seinen Blog zu pflegen und immer wieder mit aktuellen Inhalt zu füttern? Philosophisch betrachtet könnte die Antwort Liebe und Hingabe lauten.
Ohne eine gehörige Portion Liebe und Leidenschaft könnte man schwer einen regelmäßigen Blog betreiben. Wie die Studie zeigt, fühlt sich der überwiegende Teil der Blogger verpflichtet, seinen Mitmenschen komplexe Sachverhalte näher zu bringen und schwierige Inhalte verständlich zu vermitteln. Er folgt so zusagen seinem persönlichen Bildungsauftrag. Wobei aber auch der Anspruch, sein Publikum unterhalten zu wollen, eine große Rolle im Leben des Bloggers spielt.
Gerne bezeichnen sich die Blogger auch als Trendscouts und Ratgeber ihrer eigenen Sache. Womit man ihnen auch einen gewissen Grad an Narzissmus unterstellen könnte. Meinungsführerschaft und Charakterstärke ist bei ihnen sehr stark ausgeprägt. Sie suchen soziale Anerkennung und hoffen, dass sich durch ihr Schaffen neuen berufliche Chancen ergeben. Überraschender Weise spielen politische Motive trotz des allgemeinen instabilen politischen Weltklimas kaum eine Rolle in den Themenblogs. Interessant ist ebenfalls, dass sie sich nicht als mediale, gesellschaftliche und politische Kontrollinstanz sehen wie es üblicher Weise die klassisch ausgebildeten Journalisten machen.
Dies ist auch nicht besonders ungewöhnlich, da gerade mal 8 Prozent der Blogger überhaupt eine journalistische Ausbildung genossen haben. Wohl möglich liegt hier auch das Spannungsverhältnis zwischen Journalisten und Bloggern begründet.Viele Blogger fühlen sich von ihren Journalisten-Kollegen oftmals nicht akzeptiert und sehen sich ungerechter Kritik ausgesetzt. Während der Blogger offen und tolerant dem klassischen Journalismus gegenübersteht. Er kritisiert weniger, legt seinem Schaffen trotzdem die gleichen hohen journalistischen Standards zu Grunde. Blogger halten die journalistische Qualität für wichtiger als Beziehung zum Publikum. Blogger vertreten die Ansicht, dass ihr Schaffen eine neue und andere Art des Journalismus, welche den klassischen Journalismus nicht verdrängen soll, sondern in lediglich um eine weitere interessante Facette erweitert und mit ihr friedlich koexistiert. Blogger wollen die Welt nicht unbedingt abbilden so wie sie ist, aber Präzession und Neutralität ist ihnen ebenso wichtig wie ihren Kollegen mit journalistischer Ausbildung.
Die Expansion der Blogosphäre
Das Internetwunderland bleibt also auch weiterhin spannend. Ob Blogger die klassischen Journalisten in absehbarer Zeit verdrängen ist unwahrscheinlich. Hierzu liefert die Studie keine Anhaltspunkte. Aber die Entwicklung zu immer mehr und umfangreicheren Blogs ist kaum zu übersehen. Ein Blog ist für viele Menschen Ausdruck ihrer Persönlichkeit, sie können Statements setzen und sich mit ganzen Welt austauschen. Kaum ein Medium bietet eine derartige Möglichkeit der Selbstreflexion – und das alles ohne große technische Hürden, die bloggen elitär machen würden. Es ist eine Kultur der weltumfassenden Meinungsvielfalt und des Gedankenaustausches entstanden. Eine Welt, in der sich Bloggertum und Journalismus sich nicht ausschließen, sondern gegenseitig befruchten können.
Image (adapted) „BLOG IDEAS“ by Owen W Brown (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: blog, blogger, blogosphäre, DFJV, Hohenheim, Journalist, studie, universität