Carolin Neumann über den VOCER Innovation Day 2014

Wir sprachen mit der Geschäftsführerin des VOCER Innovation Medialab, Carolin Neumann, über Innovation, neue Technologien und Zukunftsängste im Journalismus – und plädoyieren zu mehr Mut! // von Anna Maria Landgraf

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Der Journalismus steckt in einer Krise. Existenzängste prägen heute das Berufsbild, durch die zunehmende Digitalisierung drohen einige den Wandel zu verpassen – was bleibt ist Schwarzmalerei und Resignation. Mit dem VOCER Innovation Day will der Verein für Medien- und Journalismuskritik (VfMJ) dazu beitragen, diese Ängste zu nehmen.

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Anna Maria Landgraf: Am Samstag sind die Netzpiloten beim VOCER Innovation Day dabei. Was erwartet uns da?

Carolin Neumann: Spannende Gäste und hoffentlich viel Inspiration für diejenigen, die innovative journalistische Gedanken haben, aber womöglich noch mit der Umsetzung hadern.

Wie sieht deiner Meinung nach der Journalismus von morgen aus?

Wie soll er aussehen oder wie wird er aussehen? Denn der Unterschied ist vermutlich groß. Ich fürchte, die Branche wird immer fragmentierter, die Verlage verlieren weiter an Bedeutung gerade im Geschäft mit qualitativem digitalen Journalismus. Ich hoffe, dass dabei wenigstens jemand über die Formel stolpert, wie guter Journalismus sich auch in Zukunft rechnet

Mit neuen Technologien gibt es auch neue inhaltliche Anforderungen an den Journalismus. Was kommt da auf uns zu?

Die steigende Mobilnutzung wird den Journalismus noch ganz schön auf den Kopf stellen. Schon heute sollte es eigentlich nicht mehr passieren, dass zum Beispiel Videos nicht mobil abspielbar sind – passiert aber natürlich trotzdem viel zu oft. Zukünftig werden Journalisten und Redaktionen erst Recht noch mehr „mobile first“ denken müssen. Das kann heißen: mehr Häppchen und Nachrichten, die auf Mobilgeräte gepusht werden, mehr Audio- und Videoinhalte, aber auch das Überschreiten von Ressort- und Textgrenzen, um Geschichten mobil völlig neu zu erzählen.

Leidet deiner Meinung nach die jounalistische Qualität der Inhalte unter der zunehmenden Digitalisierung?

Ich mag es nicht, wenn Digitalisierung und journalistische Qualität in diesem negativen Kontext miteinander in Verbindung gebracht werden. Wem bringt das was? Die Welt wird nun mal immer digitaler. Und die Menschen verändern sich. Der Journalismus muss sich darauf einstellen. Spannend in diesem Zusammenhang: Die „New York Times“ hat sich gerade in einem ausführlichen Report selbst für die eigene journalistische Qualität gelobt, um dann aber feststellen zu müssen, dass sie ihre Leser mit ihrem Qualitätsjournalismus viel zu selten wirklich erreichen. Es mangelt also nicht an Qualität, sondern an der Art, auf welche Art und auf welchem Kanal diese an welche Leser transportiert wird.

Was muss sich deiner Meinung nach in der Branche ändern, damit die Existenzängste eine Ende haben?

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist der Rat fatal, aber: Auch wenn kein Geld drin steckt, erst mal machen. Wenn ich zum Beispiel höre, wie oft meine Studierenden in den drei Semestern vor mir jammernde Gäste im Seminar hatten, gruselt es mich. Schon im Studium mit inspirierenden Vorbildern anzusetzen, die Aufbruch- statt Untergangstimmung verbreiten, wäre ein guter Anfang.

Das VOCER Innovation Medialab fördert innovative Projekte im Journalismus. Was bedeutet für dich Innovation?

Dass jemand mal den ausgeschilderten Weg verlässt, sich ins Dickicht begibt, auf die Gefahr hin sich zu verirren. Sprich: Mut zum Machen und Mut zum Scheitern.

Wie sieht Innovation im Journalismus aus? Spiegeln die Stipendien-Projekte aktuelle Entwicklungen in der Branche wieder?

Die VOCER-Medialab-Projekte zeigen, dass es viele innovative Leute gibt, die journalistische Ideen von rein Themengetriebenem bis hin zu gravierenden Strukturveränderungen haben. Und solche Quer- und Neudenker gibt es noch mehr, viele trauen sich nur nicht aus dem stillen Kämmerchen raus

Welchen Tipp hast du für junge Medienmacher, ein innovatives Projekt auch ohne ein Stipendium auf dem Markt durchzubringen? Kurz gefragt: Gibt es ein Grundrezept für Erfolg?

Erwähnte ich schon, dass man einfach machen sollte? Das ist meine zentrale Botschaft. Wer eine spannende Idee hat, sollte viel darüber reden – mit vertrauten Leuten, um die eigenen Gedanken dem Realitätstest zu unterziehen. Kritik ist etwas Gutes. Und dann einfach machen. Es gibt immer 1000 Gründe, etwas nicht zu versuchen. Aber wenn die Idee gut und die Leidenschaft groß ist, muss man manchmal einfach ins kalte Wasser springen.


Image by Rieka Anscheit


studiert Philosophie und Politikwissenschaft im Master und hat während ihres Journalistik-Bachelors Erfahrungen im Print-, Online- und TV-Bereich gesammelt. Seit Juni 2014 schreibt sie für die Netzpiloten vor allem über Medien und Gesellschaft.


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