BND-Affäre: Nicht das Internet, das Vertrauen ist kaputt!

Die BND-Affäre im James Bond Stil ruft mehr Empörung aus, als es die Snowden-Dokumente getan haben. Kaputt ist aber das Vertrauen in unsere Politiker, nicht in das Internet// von Lars Sobiraj

Digitale Gesellschaft (Bild: NoCultureIcons [CC BY-SA 2.0], via wikipedia)

Ein mutmaßlicher Doppelagent wurde festgenommen, weil der BND-Mitarbeiter Dokumente des NSA-Ausschusses an die Amerikaner verkauft haben soll. Der 31-Jährige soll bereits seit Ende 2012 für die CIA tätig sein und hat sich den Amerikanern selbst angeboten. Bislang sind nach Medienangaben mindestens 25.000 Euro für seine Dienste geflossen. Der Mann fiel aber erst ein Jahr später auf, weil er sich per E-Mail auch den Russen angeboten hat.


Warum ist das wichtig? Der BND-Skandal ist im Prinzip nichts weiter als die logische Fortsetzung der bisherigen Strategie der US-Geheimdienste. Jede für die USA relevante Information soll unabhängig von der gültigen Rechtslage beschafft werden.

  • digitale Überwachung ist nicht greifbar, die private Bereicherung eines Doppelagenten, der sensible Dokumente verkauft, hingegen schon.
  • während die Snowden-Veröffentlichungen auf recht wenig öffentliches Interesse gestoßen sind, könnte dieser Vorfall zum Bumerang werden, sofern die Bundesregierung nicht angemessen reagiert.
  • mit der anfänglichen Empörung einiger Politiker ist es nicht getan. Die Bundesrepublik Deutschland muss endlich klare Grenzen aufzeigen, was ihre Partner hierzulande tun dürfen.

Die Motive für den Ankauf der Informationen sind durchaus nachvollziehbar. Natürlich möchten die US-Geheimdienste wissen, wie der Bundesnachrichtendienst (BND) die Snowden-Enthüllungen einschätzt, und wie der Untersuchungsausschuss des Bundestages mit den Erkenntnissen des Whistleblowsers umgehen will. Bekannt geworden sind aber bisher ausschließlich solche Dokumente, die für den Ausschuss bestimmt waren. Es gibt bisher keine Anhaltspunkte dafür, dass Informationen des Gremiums selbst weitergegeben wurden. Natürlich wäre es für die Amerikaner sinnvoll, auch an diese Dokumente zu gelangen.

Im Jahr 2008 fragte NSA-Chef General Keith B Alexander bei einem Besuch bei seinen britischen Kollegen „Warum können wir nicht alle Daten sammeln, immer und jederzeit?“ Die Fragestellung wurde zwar offiziell als Scherz abgetan. Der Journalist Glenn Greenwald drückte hingegen in seinem Buch aus, dass dies später tatsächlich zur Devise des Geheimdienstes wurde. Es gilt mit allen Mitteln einen Informationsvorsprung zu besitzen, das trifft sicher im gleichen Umfang auf die CIA zu. So lange man sich dabei an geltende nationale wie US-amerikanische Gesetze hält, spricht grundsätzlich nichts dagegen. Allerdings haben die von Snowden weitergereichten NSA-Dokumente schon häufiger das genaue Gegenteil bewiesen.

Deutschland: Partner oder Spionageziel?

Und endlich wurde die Angelegenheit greifbar. Abgefischte Daten bei Internetknoten oder gehackte Server ausländischer Unternehmen wirken derart abstrakt, dass es dem Volk und den Politikern schwerfällt, sich darüber aufzuregen. Die neuerliche Affäre im 007 Stil kommt aber ganz anders daher. Der Festgenommene hat offenbar Kopien von vertraulichen BND-Dokumenten angefertigt, um sich persönlich zu bereichern. Damit können Fernsehzuschauer und Bundestagsabgeordnete weitaus mehr anfangen, als heimlicher Datendiebstahl und staatliche Hackeraktivitäten, die völlig geräuschlos vonstattengehen. Entsprechend heftig fielen die Kommentare aus. Angela Merkel blieb noch zurückhaltend, als sie sagte, sie stelle sich eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unter Partnern anders vor. Innenexperte Wolfgang Bosbach stellte öffentlich die Frage, ob uns die Amerikaner als Partner oder vielmehr als Spionageziel definieren. Bundespräsident Joachim Gauck kommentiert die neuerlichen Vorgänge, dass es jetzt auch mal reichen würde.

Gut und schön, jede Menge Politiker aller Seiten haben sich empört. Das alleine ist aber nicht ausreichend. Den Amerikanern wurde vor fast einem Jahr ein Fragenkatalog zur Aufklärung ihrer Überwachungsmaßnahmen übermittelt, der bis heute nicht beantwortet wurde. Auch an den monströsen technischen Gerätschaften auf den Dächern der britischen und US-Botschaften in Berlin hat sich seit Bekanntwerden nichts geändert. Wenn erneut keinerlei Reaktionen aus Berlin erfolgen, nimmt die Bundesregierung endgültig niemand mehr ernst.

Alle verfügbaren Daten sammeln, immer und jederzeit!

Anfang des Jahres beklagte Vordenker Sascha Lobo, das Internet zerstöre heutzutage die Grundlagen unserer freiheitlichen Gesellschaft anstatt für Demokratie und Befreiung zu sorgen. Das Internet sei kaputt. Das ist natürlich Unsinn, weil sich an der Funktionsweise des Internets seit dessen Existenz im Kern nichts geändert hat. Als das Internet entwickelt wurde, sollte es selbst nach einem Atomkrieg eine störungsfreie Kommunikation von wenigen Personen ermöglichen. An die Wahrung der Privatsphäre musste damals niemand denken. Das Internet ist genauso funktionstüchtig wie eh und je. Verändert hat sich die Technik drum herum und unsere Gesellschaft, in der man kaum noch einen Schritt tun kann, ohne dabei Daten zu erzeugen. Die Sammelleidenschaft der privaten Internet-Konzerne wird auf perfide Weise durch die extreme Neugierde der Geheimdienste der Five-Eyes-Staaten ergänzt.

Kaputt ist mittlerweile das Vertrauen in die Personen und Institutionen, die eigentlich dafür sorgen sollten, dass die Grundzüge unserer Demokratie geschützt werden. Wer auf deutschem Boden spioniert, muss sich an unsere Gesetzte halten, will er nicht bestraft werden. Sofern das nicht möglich ist, muss stattdessen eine Ausweisung der Täter erfolgen. Außerdem muss die Bundesregierung endlich demonstrieren, dass unser Staat kein Anhängsel der USA darstellt. Entweder wir sind Partner auf Augenhöhe, die einander vertrauen können. Oder eben nicht. In jedem Fall muss gesetzeswidrigem Verhalten Einhalt geboten werden. Dieses Bündnis darf keinen Freifahrtschein für Rechtsbrüche darstellen. Wenn man das nicht endlich öffentlich klarstellt, ist weitaus mehr, als nur das Vertrauen in das Internet kaputt.

Doch die CIA hat Glück im Unglück. Bestimmt wäre das öffentliche Interesse weitaus größer, wenn wir nicht mit der Bestimmung des nächsten Fußball-Weltmeisters beschäftigt wären. Doch das hilft nicht mehr für lange. Spätestens bei Bekanntwerden des nächsten Agenten-Thrillers ist die WM vorüber. Leider ist zu befürchten, dass sich an der Strategie der Großen Koalition bis dahin rein gar nichts ändern wird.


Teaser & Image by NoCultureIcons (CC BY-SA 2.0)


 

schrieb von 2000 bis zum Jahr 2002 für mehrere Computerzeitschriften rund 100 Artikel. Von April 2008 bis Oktober 2012 leitete er beim IT-Portal gulli.com die Redaktion als Chefredakteur. Thematische Schwerpunkte der über 1.000 Beiträge sind Datenschutz, Urheberrecht, Netzpolitik, Internet und Technik. Seit Frühjahr 2012 läuft die Video-Interviewreihe DigitalKultur.TV, die er mit dem Kölner Buchautor und Journalisten Moritz Sauer betreut. Seit mehreren Monaten arbeitet Lars Sobiraj auf freiberuflicher Basis bei heute.de, ZDF Hyperland, iRights.info, torial, Dr. Web und vielen weiteren Internet-Portalen und Blogs. Zudem gibt er Datenschutzunterricht für Eltern, Lehrer und Schüler. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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1 comment

  1. Der Superverräter hat nur die moderne Vernetzung für sich interpretiert. Also wenn schon Informationen, dann für alle. Man sollte mal die großen deutschen Zeitungen fragen ob sie den nicht auch auf der Gehaltsliste hatten. Wenn den Verräter dann drei Geheimdienste bezahlen und 5 Zeitungen ist das Motiv auch völlig klar: Geldgier. Wie überall…

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