Wie Israel und Hamas Social Media für Propaganda einsetzen

Die Israel Defence Forces und die Kassam-Brigaden der Hamas fluten ihre Webseiten mit stark gefärbten Inhalten, um durch Propaganda Meinungen zu beeinflussen. Mehr als 160 Tote, mehrere Hunderte auf Israel abgeschossene Raketen und tausende Menschen im Gazastreifen auf der Flucht: Der Nahostkonflikt ist mit der „Operation Protective Edge“ neuerlich an einem blutigen Höhepunkt angelangt. Der Konflikt zwischen israelischem Militär und dem bewaffneten Arm der palästinensischen Hamas tobt auch im Social Web: Denn die Israel Defense Forces (IDF) sind wahrscheinlich jene Armee, die weltweit am stärksten in sozialen Netzen aufgestellt ist. Auf der Gegenseite wird ebenfalls versucht, die öffentliche Meinung mit online platzierten Inhalten zu beeinflussen.

Die digitalen Anstrengungen der IDF gehen so weit, dass sie seit einigen Jahren einen eigenes Blog betreibt, der zur Information der Öffentlichkeit über die eigenen Aktivitäten dient. Ein Besuch der Webseite zeigt, dass die Macher sehr stark auf die Verbreitung ihrer Inhalte im Social Web bauen. „Live Updates: Tel Aviv and Jerusalem under fire„, „IDF Forces shot down drone from Gaza“ oder „IDF expands operation against Hamas terrorists“ die nach allen Regeln der Social-Media-Kunst via Like-Button, Google+-Knopf, Tweet-Button oder sogar reddit-Plugin von den Lesern verteilt werden sollen. Auch kommentieren dürfen die Leser, und zwar per Facebook Comments, was offenbar zum Ziel hat, nur eindeutig identifizierte User Statements abgeben zu lassen. Wären da nicht die Inhalte, könnte man fast glauben, gerade einen Tech-Blog angesurft zu haben.

IDF erreicht Millionen Menschen im Netz

Die IDF betreiben neben ihrem Blog nach eine verifizierte Facebook-Seite (755.000 Likes), einen verifizierten Twitter-Account (285.000 Follower), einen YouTube-Kanal (83.000 Abonnenten), eine Flickr-Seite (5000 Fotos), einen Instagram-Account (18.000 Follower) und sogar einen Tumblr-Blog. Über diese Kanäle verbreitet eine eigenes, 35-köpfiges Team unter der Leitung von Avital Leibovich selbst produzierten Content (Videos, Infografiken, Fotos, Berichte, etc.) in mittlerweile fünf Sprachen: Englisch, Französisch, Russisch, Spanisch und Hebräisch (nicht auf Arabisch). Der Zweck ist klar: Die IDF will die eigene Sichtweise auf den Konflikt auf der ganzen Welt und nicht nur im eigenen Land verbreiten, weswegen man in viele verschiedenen Sprachen kommuniziert. Dass die Berichte im Blog natürlich stark gefärbt sind, ist klar: Von zivilen Opfern und Zerstörungen auf der Gegenseite liest und sieht man eher weniger, stattdessen wird der Schutz der eigenen Bevölkerung immer stark betont und die Bedrohung durch das Raketenarsenal der Hamas immer wieder thematisiert.

Die Online-Kommunikation der Gegenseite sieht sehr anders aus. Der bewaffnete Arm der Hamas, die den Gaza-Streifen kontrolliert, sind die Essedin-el-Kassam-Brigaden (kurz: Kassam-Brigaden), die ihre eigene Website in Stellung gebracht haben und dort in Englisch, Arabisch und Türkisch publizieren. Achtung: Hier gibt es viel Leid zu sehen – Leichen von Kindern, zerstörte Häuser, Verletzte, Bombeneinschläge. Weiters werden immer wieder die eigenen Raketenangriffe auf israelischen Boden ins Netz posaunt und Verluste eigener Kämpfer betrauert.

Hamas kämpft mit der Sperrung seiner Social-Media-Accounts

Doch während die IDF eigenen Angaben zufolge weltweit bis zu 95 Millionen Menschen im Netz mit ihren Botschaften erreichen können, kommunizieren die Kassam-Brigaden unter erschwerten Bedingungen im Social Web. Vor einigen Jahren eingerichtete Accounts auf Facebook, YouTube oder Twitter wurden gesperrt – warum, ist von den Betreibern nicht zu erfahren. Ein wahrscheinlicher Grund für die Löschung der Accounts: Die Hamas von der EU und den USA als terroristische Organisation eingestuft ist, und die Nutzungsbedingungen etwa von Facebook verbieten diesen Accounts. Was über diese Profile früher verbreitet wurde, hat man aber ohnehin nicht immer für bare Münze nehmen dürfen. So wurde die Hamas immer wieder dabei ertappt, Fotos aus anderen Ländern oder früheren Konflikten zu Propagandazwecken zu verwenden.

Bei welcher Seite man auch mitliest, das komplette Bild des Konflikts wird man nie bekommen. Sowohl der Blog der IDF als auch die Webseite der Kassam-Brigaden sind als das zu verstehen, was sie sind: Propaganda im Netz.


Image (adapted) „Twitter Facebook“ by LoboStudioHamburg (CC0 Public Domain)

ist seit 2006 publizistisch auf Papier und Pixel tätig. Er arbeitet in Österreich als Journalist und hat die beiden Sachbücher "Phänomen Facebook - Wie eine Webseite unser Leben auf den Kopf stellt" (2010) und "Digitaler Frühling - Wer das Netz hat, hat die Macht?" (2012) veröffentlicht. In seinem Blog “Jakkse.com” und in Vorträgen schreibt und spricht er gerne über die Menschen und ihr Internet – von Social Media über Mobile Business und Netzpolitik bis zu Start-ups.


Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: , , , ,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert