Thomas Vorreyer hat sich mit Betty Dittrich über Crowdfunding und Musik unterhalten. „Kaum jemand wusste, was eine digitale Veröffentlichung ist.“ Betty Dittrich kann sich gut an die Zeit vor zehn Jahren erinnern, als der Markt für MP3s von Songs noch ein zartes Pflänzchen war. Dass eines Tages sogar Crowdfunding als möglicher Heilsbringer dieser gelten könnte, war damals nicht mehr als ein kühner Fiebertraum. Heute sitzt die unabhängige Musikerin in der Berliner Musik-Jury des Crowdfunding-Festivals One Spark. Gemeinsam haben sie unter den eingesandten Bewerbern zehn Bands und Künstler ausgewählt, die nun am Wochenende live um Crowd-Finanzierung werben dürfen. Doch wie gestaltet man überhaupt eine erfolgreiche Kampagne?
Plötzlich egal
Im Gespräch betont Betty Dittrich, man habe bewusst sehr diverse Vertreter genommen. So unterscheiden sich nicht nur die Musikgenres, sondern auch die Finanzierungsziele und die zu fördernden Angebote stark. Die lokale Electro-Pop-Band Jylda will etwa nur 2.000 €, um ein Album produzieren und vertreiben zu können, das „berührt„. Ein Team rund um den italienischen Komponisten Francesco Iannitti Piromallo will hingegen u.a. zusammen mit dem London Symphony Orchestra eine Monografie klassischer mediterraner Musik aufnehmen, die zur europäischen Völkerverständigung beitragen soll. Gesucht werden zu diesem Zweck noch fast 29.000€.
„Es gibt ein Publikum für all diese interessanten Künstler, nur, man muss es finden„, sagt Betty Dittrich. „Crowdfunding ist da eine interessante Alternative zu den Major-Labels, die oft nur die immergleichen Kanäle nutzen.“ Die Schwedin spielte zuerst in ihrem Heimatland in der Band Shebang, die auch kleinere Erfolge etwa in Japan feiern konnte, zog dann nach Deutschland, war Teil der Gruppe Muschi Muschi und nahm schließlich – dieses Mal als Solokünstlerin – mit dem deutschen Titel „LaLaLa“ an Eurovision-Songcontest-Vorausscheid, „Unser Song für Malmö“, teil.
Damals noch selbst unter Vertrag beim Majorlabel EMI, ist sie mittlerweile wieder ihr eigener Chef und wagt unter dem Namen Qveen Elizabeth einen Neuanfang. Zuvor war ihr Debütalbum in den Umstrukturierungswirren bei der von Universal aufgekauften EMI mehr oder weniger versackt. Etwas, was ihr als unabhängige und Crowd-finanzierte Künstlerin sicherlich nicht passiert wäre: „Ich wollte genau das machen, was ich will, aber das ging in diesem Team beim neuen Label nicht. Das ist zwar ein Schritt zurück, aber auch ein Neustart.„
Kreativität und Konzept bedingen den Erfolg der Kampagne
Dabei ist Crowdfunding längst nicht nur eine Alternative, sondern im Musikbereich schon fast Normalität geworden. Die wichtigsten Plattformen für diesen Sektor – Indiegogo, Kickstarter und PledgeMusic – existieren seit 2008 bzw. 2009, die Idee des Crowdfundings fand aber bereits Ende der 90er vereinzelt ihre Umsetzung in der Musikszene. Den Durchbruch markierte wiederum die US-Amerikanerin Amanda Palmer, die statt der gewünschten 100.000$ mehr als 1,1 Millionen für ein neues Album plus Buch und Tour einnahm. Der Stein kam sogar so weit ins Rollen, dass sich beispielsweise die Schweizer Band Bianca Story bei ihrer Kampagne gleich noch die eigenen Gehälter sowie die Label-, Vertriebs- und Promokosten per Mausklick mit bezahlen ließ, oder anders gesagt: eine ganz gewöhnliche Albumveröffentlichung, bei der einige der üblichen Kostenträger plötzlich selbst zu Empfängern wurden. Mittlerweile, so Dittrich, wird es sogar schwieriger, Aufmerksamkeit für seine Kampagne zu bekommen, da es so viele verschiedene und gute gibt.
Herausstechen kann man da nur mit Kreativität und klarem Konzept, meint sie: „Ich finde es interessant, was für Services Künstler dort anbieten können: Skype-Konzerte, VIP Tickets, ein Credit auf dem Album oder ein persönliches Cover. Man will selbst etwas – ein Album aufnehmen zum Beispiel – und muss den Leuten etwas bieten, was sie wollen – also sie vielleicht auf dem Album singen lassen.„
Durch One Spark erwacht Crowdfunding zum Leben
Betty Dittrich könnte sich heute etwa vorstellen, eine größere Tour vorab so zu finanzieren. Dabei hofft sie dann auf eine ähnlich außergewöhnliche Idee wie sie der US-Band Vulfpeck in den Sinn kam: Die ließ sich nämlich zuletzt in einer abgewandelten Crowfunding-Aktion eine Tour durch die Streamingerlöse eines stillen Albums finanzieren. 20.000$ kamen dadurch leisetretend zusammen.
Gerne würde Dittrich auf diesem Weg auch Musikprojekte für Frauen und junge Mädchen stärker unterstützen. Auch hier bietet sich schließlich Crowdfunding an, können so doch die etablierten und benachteiligenden Strukturen schlicht umgangen werden. Aufmerksamkeit und Impusle für solche Formate dürfte auch das One Spark Festival bringen: „Es ist eine gute Sache, wenn etwas, dass im Netz bereits so groß ist wie Crowdfunding, nun auch zu Leben erwacht.„
Image (adapted) „Mikrofon“ by Didgeman (CC0 Public Domain)
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Schlagwörter: berlin, Betty Dittrich, Crowdfunding, Musik, One Spark