Die Bundesregierung sieht in der zeitweiligen Marktmacht von Internetunternehmen keine Gefahr – die bisherigen Instrumente gegen Monopole reichen aus. // von Tobias Schwarz
Den Sommer über versuchten sich vor allem die von der SPD geführten Bundesministerien in populistischen Forderungen nach der Zerschlagung von Google, Facebook & Co. zu übertreffen. Mit dem Ergebnis, dass sich Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel mehrmals mit Google-CEO Eric Schmidt traf. Seitdem – auch aus dem Haus von Bundesjustizminister Heiko Maas – ist es ruhig um das Thema geworden. Scheinbar hat die Bundesregierung den Weg zurück in die Realität gefunden.
Die Bundesregierung setzt auf bewährte Instrumente
Die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen fragte Anfang September nach, wie denn die Bundesregierung auf neue Herausforderungen der Wettbewerbspolitik im digitalen Zeitalter reagieren möchte und welche Antworten sie denn auf die Marktmacht von global agierenden IT-Unternehmen wie Google, Facebook und Co. geben möchte (Kleine Anfrage 18/2516). In ihrer Antwort (18/2860) von Mitte Oktober zeichnete die Bundesregierung dann ein wesentlich ruhigeres Bild von der Marktmacht der Internetunternehmen:
„Das Entstehen von zeitweiliger Marktmacht aufgrund von Wettbewerbserfolgen durch Innovation ist ein normaler Prozess und wettbewerbspolitisch grundsätzlich nicht negativ zu bewerten. Gerade auf den neuen dynamischen Internetmärkten unterliegen Marktpositionen zudem häufig einem schnellen Wandel.„
Bei eine missbräuchlichen Ausnutzung von Marktmacht sieht die Bundesregierung die Notwendigkeit einzuschreiten, denn „Innovation und Wettbewerb dürfen nicht durch marktbeherrschende Internetkonzerne behindert werden„. Da sich aber gerade die global agierenden Unternehmen durch Innovation auszeichneten und damit den Wettbewerb für sich entschieden, kam es seit der Feststellung, dass „Microsoft seine marktbeherrschende Stellung bei Betriebssystemen für Endbenutzer von PC missbraucht“ hat, zu keiner weiteren Annahme eine Marktbeherrschung. Im Bereich der Suchmaschinentätigkeit geht die Europäische Kommission zwar davon aus, dass Google über Marktmacht verfügt, aber wie bei den noch offenen kartellrechtlichen Ermittlungen gegen Ebay und Amazon, als auch bei den in ihren Bereichen führenden Unternehmen SAP, Facebook oder Baidu, konnte keine Marktbeherrschung festgestellt werden.
Europa ist in der Pflicht
Sollte es doch zu einer schädlichen Marktbeherrschung kommen, sieht die Bundesregierung in dem bereits bewährten Instrument der Fusionskontrolle, das bei den sich dynamisch entwickelnden Internetmärkten vielleicht modernisiert werden muss, und den nationalen und europäischen Wettbewerbsrechten, einen wirksamen Schutz vor Missbrauch von Marktmacht. Wichtig dabei ist, dass diese Rechte auch konsequent gegen internationale Unternehmen angewendet werden. Sollten allerdings Anpassungen notwendig sein, sind europäische Regelungen für die Bundesregierung sachgerechter als nationale Vorschriften. Wichtig dabei ist, dass „neben kartell- und wettbewerbsrechtlichen Fragestellungen auch den Daten-, Verbraucher- und Urheberrechtsschutz sowie das Recht der Telemedien“ berücksichtigt werden.
Zwar sieht die Große Koalition laut der Antwort auf die Kleine Anfrage der Grünen einen funktionsfähigen Wettbewerb als Daueraufgabe, plant jedoch noch in dieser Legislaturperiode verschiedene Initiativen auf europäischer Ebene, wie z.B. eine zügige Verabschiedung der EU-Datenschutz-Grundverordnung, die die Bundesregierung noch im letzten Jahr verzögerte und „viel mehr Zeit investieren und konzentriert und intensiv eine Debatte darüber führen“ wollte, was sich seit der EU-Datenschutzrichtlinie von 1995 geändert habe. Im Sommer noch kritisierte Elisabeth Kotthaus von der Vertretung der EU-Kommission in Berlin auf einer Diskussionsveranstaltung, dass Teile der Bundesregierung die Reform gezielt torpediert.
Vernünftiger, aber nicht effektiver
Die Antwort der Bundesregierung zeigt, dass der heiße Sommer vorbei ist und wohl mit weniger Populismus gerechnet werden kann. An Konzepten fehlt es aber weiterhin, denn allein der Verweis auf europäische Initiativen, über deren Erfolg und Misserfolg die Bundesregierung in Brüssel als wohl politisch stärkstes EU-Mitgliedsland viel Einfluss hat, reicht nicht aus. Es ist positiv zu bewerten, dass die Bundesregierung auf europäische Lösungen setzt, mehr Engagement – zeitlich wie auch mit Ideen – wären aber begrüßenswert. Besonders da EU-Digitalkommissar Günther Oettinger in seinem Hearing vor dem Europaparlament und seinem ersten Interview mit Bezug zu Sachfragen keine gute Figur machte.
Teaser & Image by Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Andreas Kermann
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Schlagwörter: Bundesregierung, Bündnis 90/Die Grünen, Europäische Kommission, facebook, google, Kleine Anfrage, Marktmacht, Monopole
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