Das auf dem Kometen Tschuri gelandete Minilabor ist zwar im Ruhemodus, doch die Signale aus dem All beschäftigen noch Millionen von Hörern. Die Operation #CometLanding ist vor allem ein von der Europäischen Weltraumbehörde inszeniertes Medienereignis: Nein, hier geht es nicht um Verschwörungstheorien, sondern die erfolgreiche Kommunikationsstrategie, die die ESA unter anderem in den sozialen Medien lanciert hat. Besonders anziehend wirkt Spaciges auf der Audio-Plattform SoundCloud.
In der Rubrik „Trending Audio“ ist bei SoundCloud in der Regel nicht viel los: Während Tracks von Protagonisten aus dem internationalen Kontinuum der Bassmusik häufiger von mehreren Millionen Menschen aufgerufen werden, dümpeln selbst die Podcasts englischsprachiger Leitmedien wie der BBC oder dem Guardian bei den Nutzerzahlen überwiegend vor sich hin. Ausreißer liefern manchmal Beiträge aus dem Bereich des Sports, wo selbst ein 16-sekündiger O-Ton aus dem Stadion des 1. FC Köln über 100.000 Aufrufe erreichen kann. Wer hätte also gedacht, dass gerade Wissenschaftskommunikation eine Affinität zum populären Soundbite aufweisen kann?
Space-Sound
Der Siegeszug der Astro-Sounds begann bereits Mitte Oktober 2014, als die NASA ein Profil bei SoundCloud anlegte und dort Material aus ihrem umfangreichen Audio-Archiv platzierte, das schon länger auf ihrer Website zum Download verfügbar war. Insbesondere die Sammlung „Solar System & Beyond Sounds“ hat es hunderttausenden von Hörern angetan. Doch diese Bestmarke wird nun vom SoundCloud-Profil der ESA in den Schatten gestellt: Dort wurde im Vorfeld der Landung auf dem Kometen die Aufnahme „A Singing Comet“ publiziert. Das kurze Motiv basiert auf den Aufzeichnungen von Messdaten durch ein Magnetometer, die der Sounddesigner Manuel Senfft akustisch umgesetzt hat (vgl. dazu die Track-Info des Audio-Clips sowie die Pressemitteilung der für das Magnetometer verantwortlichen TU Braunschweig).
Die Datei steht zwar zum Download zur Verfügung, aber (im Gegensatz zu den gemeinfreien Inhalten der NASA) nicht unter einer Creative Commons-Lizenz: „It may be used only for non-profit, education or personal use.“ Insofern ist es erstaunlich, dass die ESA nun die Playlist „Cool audio inspired by Rosetta“ mit neun Beiträgen von anderen SoundCloud-Nutzern veröffentlicht hat. Diese verwenden das #SinginComet-Material für musikalische Aneignungen zwischen Ambient und Techno, haben also offensichtlich die Rechte geklärt. Vor diesem Hintergrund stellt sich aber auch die Frage, ob der singende Komet nicht unter „Musik“ zu rubrizieren wäre. Schon Kraftwerk würdigten den Kometen C/1973 E1 Kohoutek, der 1973 das öffentliche Interesse auf sich zog, mit zwei Kompositionen unter dem Titel „Kometenmelodie„.
Streaming oder Storytelling?
SoundCloud hat zuletzt durch seinen Lizenzdeal mit Warner Music Schlagzeilen gemacht. Diese Entwicklung deutet wie andere mehr in die Richtung eines Musik-Streaming-Dienstes als einer umfassenden Audio-Plattform, die 2011 noch als anspruchsvolles Ziel formulierte: „Unmute the Web„. Wie es scheint, spielen die Nutzer bei diesem Vorhaben nur bedingt mit. Inwiefern SoundCloud von einer „Renaissance des Podcasting“ profitieren kann, die in den USA mit Titeln wie dem Storytelling-Format „Serial“ assoziiert wird, bleibt abzuwarten. Einen Beitrag, der die multiplen Möglichkeiten des Dienstes bei der Darstellung von Audio-Inhalten ausreizt, hat das Start-up nun selbst beauftragt und zum 25. Jahrestag des Mauerfalls seinem Sitz gewidmet: „The Berlin Wall of Sound“ ist eine digitale Klanginstallation zur Erinnerung an die Todesopfer an der Berliner Mauer, die sowohl mit der grafischen Anmutung der Wellenform als auch dem Kommentarbereich kreativ experimentiert.
Image (adapted) „Ziel einer langen Reise: der Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko“ by DLR German Aerospace Center (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: ESA, Komet, kommunikation, NASA, Podcast, Social Media, soundcloud, Tschuri
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