Erklärt Facebook mehr als 25.000 Nutzer für geschäftsunfähig?

Facebook lässt wirklich keine Gelegenheit aus, um die österreichische Sammelklage der 25.000 Personen zu behindern. Im August haben sich an einem Tag mehr als 20.000 Nutzer für die Klage registriert. // von Lars Sobiraj

Facebook Sammelklage (Bild: Europe versus Facebook)

Die Sammelklage von 25.000 Teilnehmern wird organisiert von der Datenschutzvereinigung Europe versus Facebook. Facebook hat sich zur Abwehr schon einiges einfallen lassen. Im September wurde behauptet, man könne kein Deutsch, weswegen der Schriftsatz übersetzt werden musste. Nun führt man aus, das Verfahren sei abzuweisen. Es gebe keinen Beweis für die Geschäftsfähigkeit der Kläger.


Warum ist das wichtig? Das vom Verein „Europe versus Facebook“ abgestrebte Gerichtsverfahren gegen Facebook ist ein sehenswerter Versuch, den europäischen Datenschutz im weltweiten Internet durchzusetzen.

  • Die Klage hat es in sich. Die 25.000 Kläger bemängeln die lockeren Datenschutzrichtlinien. Auch soll geklärt werden, in welchem Umfang Facebook der NSA bei “PRISM“ behilflich war. Last, but not least soll über ein Auskunftsrecht der Nutzer und die Festsetzung von Schadenersatz verhandelt werden.

  • Die Juristen im Auftrag von Facebook unternehmen alles, um Wien als Gerichtsstandort zu vermeiden. Ein österreichisches Urteil müsste in Irland direkte Anwendung finden. Die irische Datenschutzbehörde hat sich dem hingegen bislang als zahnloser Tiger erwiesen.

  • Max Schrems und seine Mitstreiter haben schon vor mehreren Jahren herausgefunden, dass Facebook aus Steuergründen eine Ltd. in Irland unterhält. Die europäischen Nutzer haben mit der Tochtergesellschaft einen Vertrag abgeschlossen, weswegen diese nicht unter das sehr weit gefasste US-amerikanische Datenschutzrecht fallen.


In der Sammelklage werden zahlreiche Punkte angesprochen. So etwa das Tracking der Nutzer durch „Social Plugins“, die Weitergabe von Informationen an Apps, die Aufklärung der Beteiligung von Facebook am NSA-Überwachungsprogramm „PRISM“, die Gültigkeit der zum Zeitpunkt der Klage gültigen Datenverwendungsrichtlinien des sozialen Netzwerks und vieles mehr. Ärgerlich könnte das geforderte umfangreiche Auskunftsrecht aller Nutzer werden. In dem Fall müsste ihnen Facebook eine Kopie ihrer gespeicherten Daten übermitteln. Daneben wird auch ein Schadenersatz angestrebt. Die in Dublin ansässige Tochtergesellschaft hat nun offiziell geantwortet und bestreitet allen Ernstes, dass die 25.000 Teilnehmer der Klage geschäftsfähig sind. Wegen der fehlenden Aktivlegitimation sei die Klage am Wiener Gericht abzuweisen.

Alle Facebook-Nutzer geschäftsunfähig?

Der Wiener Jurist und Sprecher von Europe versus Facebook, Max Schrems (Lesetipp: Interview mit Max Schrems vom 21.06.2013) dazu: „Dass ein Unternehmen pauschal die Gescha?ftsfa?higkeit seiner eigenen Kunden bestreitet, hat wohl Seltenheitswert„. Wie vor ihrem Beitritt geschäftsunfähige Nutzer den Nutzungsbedingungen von Facebook gu?ltig zustimmen konnten, wird in der Erwiderung nicht ausgeführt. Logischerweise müsste die Geschäftsfähigkeit aller Nutzer nach dem Beitritt zu Facebook verloren gegangen sein. Das dürfte auch die Wiener Richterin merkwürdig finden. Nebenbei wird den Nutzern in der Entgegnung zudem der Schutz als „Verbraucher“ abgesprochen.

Außerdem wird darauf hingewiesen, dass man nicht klagen könne, weil es in Irland eine Datenschutz-Aufsichtsbehörde gebe. Schrems kommentiert erneut: „Nach der Logik von Facebook ko?nnte man auch keine Banken klagen, weil es eine Bankenaufsicht gibt„. Der Hintergrund fu?r Facebooks Argumentation ist offensichtlich: Die irische Aufsichtsbehörde hat dem Konzern bisher keine Probleme bereitet. Eine Gerichtsentscheidung von unabhängigen Richtern wäre deutlich brisanter.


Die taz hat Max Schrems Online-Akte als Aufklärungsvideo visuell dargestellt:

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Nicht auf Vorwürfe eingegangen

Interessant ist auch, dass Facebook in der 30-seitigen Stellungnahme zu den eigentlichen Vorwu?rfen im Bereich Datenschutz kaum bis gar nicht eingegangen ist. Die Punkte der Klage werden ohne Angabe von Gründen pauschal bestritten. Offenbar beruft man sich auf gültiges Urheberrecht. Einer Vero?ffentlichung der Klagebeantwortung wurde durch „Facebook Ireland Ltd.“ nicht zugestimmt.

Die beauftragte Kanzlei von Europe versus Facebook hält eine gerichtliche Entkräftung der Argumente für problemlos machbar. Das Gericht wird nach Empfang der schriftlichen Antwort der Kläger eine erste mündliche Verhandlung anberaumen. Danach wird die zuständige Richterin den weiteren Prozessverlauf bekannt geben.

Weitere 50.000 Facebook-Nutzer haben sich seither fu?r eine spa?tere Teilnahme registriert. Die Sammelklage ist damit die mit Abstand gro?ßte Datenschutzklage in ganz Europa. Facebook-Nutzer außerhalb der USA und Kanada ko?nnen sich weiterhin unter fbclaim.com/ui/register kostenlos registrieren, sofern sie aktiv an der Sammelklage teilnehmen wollen. Die Organisatoren haben sich für alle Fälle versichert. Sie müssen sich auf ein langes Verfahren einstellen. Auf die Teilnehmer kommen hingegen keine Kosten zu.


Teaser & Image by Europe versus Facebook


schrieb von 2000 bis zum Jahr 2002 für mehrere Computerzeitschriften rund 100 Artikel. Von April 2008 bis Oktober 2012 leitete er beim IT-Portal gulli.com die Redaktion als Chefredakteur. Thematische Schwerpunkte der über 1.000 Beiträge sind Datenschutz, Urheberrecht, Netzpolitik, Internet und Technik. Seit Frühjahr 2012 läuft die Video-Interviewreihe DigitalKultur.TV, die er mit dem Kölner Buchautor und Journalisten Moritz Sauer betreut. Seit mehreren Monaten arbeitet Lars Sobiraj auf freiberuflicher Basis bei heute.de, ZDF Hyperland, iRights.info, torial, Dr. Web und vielen weiteren Internet-Portalen und Blogs. Zudem gibt er Datenschutzunterricht für Eltern, Lehrer und Schüler. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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