Der französische Carsharing-Dienst Drivy ist jetzt auch in Berlin aktiv und vielleicht ein Teil der Zukunft kombinierter Mobilität in der Stadt. // von Tobias Schwarz
Seit letzter Woche gibt es mit dem französischen Dienst Drivy einen weiteren Carsharing-Anbieter in Berlin. Wir haben uns mit Gründer Paulin Dementhon (im Bild links) und dem für Deutschland zuständigen Country Manager Gero Graf zum Gespräch getroffen und uns mit ihnen über den neuen Dienst, die Besonderheiten von Berlin und die Share Economy unterhalten.
Eher Airbnb als Uber – Drivy ist anders
„Es ist etwa wie Airbnb für Autos.“ Der Vergleich des Gründer Paulin Dementhon klingt zuerst seltsam. Bei einem Carsharing-Anbieter denkt man eigentlich an den Online-Dienst Uber, der private Fahrten vermittelt, und etwas weniger an den Online-Übernachtungsdienst Airbnb. Doch Drivy macht vieles anders als das hierzulande viel diskutierte Uber. Und das schon seit Jahren mit Erfolg. In Frankreich, wo es den Dienst bereits seit 2010 gibt, hat Drivy mehr als 350.000 Nutzer und 20.000 registrierte Autos.
Besitzer eines Autos, die dieses nicht den ganzen Tag nutzen (was auf nahezu alle Autobesitzer zutrifft) und Ressourcen besser nutzen wollen, können ihr Auto anderen Menschen zur Mitnutzung anbieten. Drivy sieht sich deshalb als Ergänzung zu innerstädtischen Carsharing-Anbietern oder Taxi-Unternehmen und nicht als Konkurrenz. „Unsere durchschnittliche Mietdauer beträgt drei bis vier Tage„, erklärt Dementhon. Die Leute werden deshalb die „Autos am Wochenende ausleihen, für Tagesausflüge, oder die Fahrt zu IKEA.“
Berlins Potenziale sollen genutzt werden
Lange wird der Dienst in Deutschland nicht auf Berlin begrenzt sein, wie Gero Graf, ehemaliger Google-Mitarbeiter und jetzt Drivys Country Manager vor Ort, erklärt: „Wir starten in Berlin und dann Anfang nächsten Jahres werden wir nach Hamburg, München und Köln gehen. Wir versuchen ein sehr Community-basiertes Unternehmen zu sein„.
Die Netzpiloten-Autorin Felicitas Hackmann hat in ihrem Artikel auf Venture Village die sogenannte Henne-Ei-Problematik von Drivy beschrieben: Drivy muss zeitgleich eine Community von Autobesitzern und Leihern aufbauen, um beiden Parteien eine gute Menge an Angeboten liefern zu können. Auch Graf sieht das so: „Wir denken, dass es wichtig ist, in jeder Stadt eine Angebots-und Nachfrage-Seiten zu haben, sodass beide, Verleiher und Fahrer, sich sehr gut miteinander verbinden. Darum möchten wir Stadt für Stadt vorgehen.“
Doch in Berlin soll und muss Drivy sich erst einmal beweisen. „Für Berlin gibt es viele Gründe„, erklärt Dementhon. „Wenn man sich traditionelles Autoverleihen ansieht, ist die Stadt einfach die Nummer eins in Deutschland„. Dazu sieht er durch die lokale Startup-Szene ein hohes Innovationspotenzial in der Stadt und dass das Prinzip der Share Economy hier schon verstanden wird. „Berlin ist in der Welt ziemlich einzigartig, denn selbst in New York, London oder San Francisco hat man nicht derartig viele Carsharing-Optionen.“
Der Schlüssel zum Erfolg: integrierte Versicherung und Pannenhilfe
Die Versicherung und der 24-Stunden Pannenhilfe sind Garanten dafür, dass Drivy das Fahren der vermieteten Autos genauso sicher und bequem macht, als ob es sich um das eigene Auto handelt. „Für die Zeit der Vermietung wird die Autoversicherung von unserer Allianz-Versicherung übernommen. Dazu haben wir einen 24-Stunden Pannendienst von der Allianz. So können wir dafür Sorge tragen, dass die Fahrgäste immer wieder dahin kommen, wohin sie wollen„, erklärt Graf.
Genau dieser Service macht für Dementhon den Erfolg von Drivy aus: „Die Versicherung ist der Schlüsselservice in unserem Marktplatz. Die Leute miteinander in Kontakt treten zu lassen, ist die eine Sache, das ist nicht so schwer. Es ist die Versicherung, die den Service fruchtbar und nützlich macht.“ In den erste Jahren hatte Drivy es schwer, eine sein Geschäftsmodell akzeptierende Versicherung zu finden. Inzwischen kann sich das Unternehmen eine aussuchen.
Die Wahl fiel auf die Allianz-Versicherung, denn Deutschland ist das erste Ziel der Internationalisierung. „Nach zwei Jahren waren wir in der Lage, die Allianz davon zu überzeugen, damit herum zu experimentieren und da hatten wir schon die Vision, nach Deutschland zu kommen. Darum haben wir uns für eine internationale Marke und Versicherung entschieden„, erklärt Dementhon.
Drivy ist „wirkliche“ Share Economy
Im Gegensatz zu Uber und den in Berlin ungesehenen gewerblichen Airbnb-Nutzern ist Drivy ein richtiges Geschäft der sogenannten Share Economy. Der Mieter zahlt einen vom Vermieter festgelegten Preis, der sämtliche Kosten enthält. Davon gehen 70 Prozent direkt an den Autobesitzer. Der Großteil der restlichen 30 Prozent wird für die integrierte Rundum-Versicherung der Allianz aufgewendet, den Rest erhält Drivy für das Community-Management und das Betreiben der Plattform.
Für Dementhon ist eine auf Teilhabe setzende Ökonomie „extrem nützlich für beide Angebotsseiten – diejenigen, die ihre Güter teilen und Leute, die den Service kaufen“. Auch für den Staat könnte sich diese Entwicklung laut Dementhon lohnen: „Verkehr macht einen der größten Anteile am Budget eines Staates oder einer Stadt aus. Und man kann mit Carsharing ein sehr gutes örtliches Beförderungssystem entwickeln ohne staatliche Investitionen oder Beteiligung.“ Die Berliner Grünen zeichnen in ihrem Beschluss „Mobilität der Zukunft: Berlin braucht die Verkehrswende“ eine ähnliche Vision und wollen den Nutzen von Carsharing bei der nötigen Verkehrswende mitdenken. Ein Dienst wie Drivy passt da perfekt rein.
Das Interview in voller Länge und auf Englisch findet sich auf meinem Blog Isarmatrose.com.
Teaser & Image by Tobias Schwarz (CC BY 4.0)
Artikel per E-Mail verschicken
Schlagwörter: Airbnb, berlin, Carsharing, Drivy, Gero Graf, Paulin Dementhon, Sharing Economy, Teilhabe, Uber
3 comments