Wie in jedem Jahr hat „Freedom House“ wieder den „Freedom on the Net Report“ veröffentlicht. Unter anderem wird über die Auswirkungen der NSA-Affäre und über Netzneutralität berichtet. Nach der Bundestagswahl am 22. September 2013 wurde Netzpolitik in seiner ganzen Breite zu einem wichtigen politischen Thema in Deutschland. Vor allem, da im letzten Jahr immer mehr Kritikpunkte an der Sicherheit und der Meinungsfreiheit im Internet offenbart wurden, die Philipp Otto und Henning Lahmann vom iRights.Lab in der deutschen Version des „Freedom on the Net-Reports“ dokumentieren.
Ungerechte Internet-Verteilung in Deutschland
In Deutschland herrscht eine ungleichmäßigere Verteilung an schnellem Internet als in anderen Staaten. Für ein modernes Industrieland, wie es Deutschland ist, liegt der Anteil der Internetnutzer, die über eine 10 Mbit/s Leitung verfügen, mit 31 Prozent deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Das ist keine optimale Situation. Zwar wurde in der Koalitionsvereinbarung bei der Bundestagswahl versichert, dass man bis 2018 allen Bürgern Highspeed-Breitband Unterstützung ermöglichen wolle, aber das Ziel sehen Kritiker als nicht ambitioniert genug, um den Rückstand auf andere EU-Staaten aufzuholen, die im Schnitt bei 48 Prozent liegen.
Auch die Tatsache, dass die in den letzten Monaten viel diskutierte Netzneutralität bei der Bundesregierung offenbar nicht oberste Priorität besitzt, sorgte für weitere Kritik. Die Bundesnetzagentur unterstützt zwar die Idee, dass alle Daten im Internet, egal von welchem Nutzer, gleich behandelt werden sollen, möchte die Netzneutralität aber nicht gesetzlich sichern lassen, sondern favorisiert stattdessen neue Business-Modelle.
Erst als die Telekom bekanntgab, den Highspeed-Datentransfer ihrer Kunden limitieren zu wollen, um sich stärker auf eigene Services zu fokussieren, brachte das Bundesministerium für Wirtschaft und Technik im Juni und Juli 2013 zwei Entwürfe für eine Netzneutralitätsverordnung heraus. Mit der neuen Legislaturperiode wurde der Plan verkündet, Netzneutralität als eines der Kernziele der Internetpolitik zu bewerben. Dennoch werden die Details dieses Plans offenbar als nicht ausreichend angesehen. Wohl auch, weil die Abstimmung des europäischen Parlaments im April 2014 für Netzneutralität weitgehend zu einem Erfolg wurde und dem deutschen Plan somit voraus ist.
Inhaltliche Einschränkungen
Der „Freedom on the Net“-Report hat sich auch inhaltlich mit den Nutzungsmöglichkeiten des Internets in Deutschland auseinandergesetzt. Festgehalten wurde dabei, dass die Bundesregierung zwar nur sehr selten selbst Online-Inhalte sperrt, jedoch zählt Deutschland zu den Ländern, in denen weltweit am häufigsten Anträge auf Löschung gestellt werden. 138 Anträge erhielt Google zwischen Januar und Juni 2013 von deutschen Gerichten; häufigster Grund: Diffamierung. Auch die GEMA hat ihren seit Jahren andauernden Streit mit YouTube weiterhin nicht ablegen können und fordert für die Freigabe der Lizenzen von der Videoplattform höhere Beträge. So bleibt es dabei, dass viele Videos auf YouTube für deutsche Nutzer unzugänglich bleiben. Google sieht darin eine Einschränkung der Ausdrucksfreiheit im Internet.
Auswirkungen der NSA-Affäre
Mit Bekanntwerden der Überwachungsaffäre durch die NSA im Juni 2013 gewannen die Diskussionen in Deutschland über Privatsphäre, Datenspionage und Meinungsfreiheit im Internet weiter an Bedeutung. Besonders die Tatsache, dass Deutschland als ein Zielland der NSA geführt wurde, und dass der deutsche Bundesnachrichtendienst mit der NSA kooperiert hatte, führte zu starker Kritik. Auch, weil die Bundesregierung die Vorgänge zunächst verteidigte und erst sehr spät auf die Vorwürfe reagierte. Die regierenden Parteien versicherten schließlich, die Bürger mit einem internationalen Vertrag fortan besser vor Überwachung schützen zu wollen. Dieser kam bis jetzt aber nicht zu Stande.
Nichtsdestotrotz wird es sehr schwer werden, das Vertrauen in die Datensicherheit im Internet wieder zu gewinnen, nicht zuletzt weil die Zahl der Cyberattacken in den letzten Jahren stark angestiegen ist. Bei einer Untersuchung gaben 30 Prozent aller Firmen an, in den letzten zwei Jahren Opfer einer derartigen Attacke geworden zu sein, was das Gefühl der Sicherheit im Internet zusätzlich einschränken dürfte.
Den ganzen „Freedom on the Net“-Report kann man hier nachlesen.
Image (adapted) „2009_06_20_132012“ by zensursula (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: Cyberattacken, Freedom House, Freedom on the Net, Internet, Meinungsfreiheit, Netzneutralität, NSA, privatsphäre