The New York Times: „Versucht nicht zu sehr, Twitter zu gefallen!“

Die Social Media-Redaktion der New York Times resümiert, was sie im Jahr 2014 bei der Betreuung von @NYTimes gelernt hat, was funktioniert hat und was nicht. // von Michael Roston

The New York Times auf Twitter

Mit dem letzten Jahr gingen ein paar Veränderungen bei der New York Times einher. Die Mitarbeiter der Social Media-Redaktion schlossen sich einem neuen Ressort an: Audience Development. Unser Team gewann neue Ressourcen, als wir unsere Bemühungen mit denen unserer Kollegen kombinierten, die zuvor die Facebook-Seite der Times auf der kaufmännischen Seite des Unternehmens betreuten – dadurch festigten wir eine Beziehung, die bisher immer eher locker war. Unsere Redaktion arbeitet nun neben Teams, die ihr Augenmerk auf Search Engine Optimization, Community Management, Newsroom Analytics und Entwicklung haben. Wir konzentrierten uns darauf Standards zu setzen, um mit den journalistischen Inhalten der New York Times ein breiteres Publikum zu erreichen.


Warum ist das wichtig? Man kann als traditionelles Medienunternehmen viele Fehler in den sozialen Netzwerken machen. Die Social Media-Redaktion der New York Times berichtet in einem Jahresrückblick von ihren Erfahrungen.

  • Das Redaktionsteam der New York Times veröffentlichte teilweise denselben Artikeln in unterschiedlich formulierten Tweets, um zu ermitteln, welche Faktoren deren Erfolg bestimmen.

  • Dank eines eigens programmierten Tools war es der Social Media-Abteilung der New York Times möglich, Bildnachweise in die Tweets zu integieren, ohne dessen Länge einzuschränken.

  • Grundsätzlich sollten traditionelle Medien darauf achten, sich nicht zu sehr der scheinbaren Logik sozialer Netzwerke zu beugen – selbst wenn sie im Internet publizieren.


So wie wir es im letzten Jahr getan haben, hielten wir auch am Ende des Jahres 2014 für einen Moment inne und warfen einen Blick hinter uns auf einiger der Lektionen, die wir gelernt haben, so wie der Grundsätze, die uns dabei geholfen haben @NYTimes auf Twitter zu betreiben, wo wir uns gerade der Marke von 15 Millionen Followern nähern. Wir hoffen, dass wir einige Idee auch auf unseren zukünftigen Umgang mit Facebook übertragen können.

Versucht nicht zu sehr, Twitter zu gefallen!

In der Social Media-Redaktion der Times arbeiten wir daran, die Wirkung unserer journalistischen Inhalte auf Twitter zu maximieren. Aber nicht nur wir verfolgen dieses Ziel. Unsere Kollegen an den Redaktionstischen in der Nachrichtenabteilung sind herausragende Wortschöpfer. Und wir können uns oft auf ihr Urteil verlassen, dass das, was gute Schlagzeilen im Printbereich oder auf NYTimes.com ausmacht, auch seine Wirkung auf Twitter entfaltet.

Beispielweise berichteten wir eine Abends über den Zusammenstoß eines Wachmanns mit dem Secret Service während eines Besuchs des Präsidenten. Dabei verwendeten wir eine Überschrift, die der Schlagzeile sehr ähnlich war, mit der der Artikel auch in unserer Zeitung erschien. Der Tweet war sehr erfolgreich:

Am nächsten Tag versuchten wir den Artikel wieder über @NYTimes zu teilen, dieses Mal mit einer Twitter-freundlicheren Sprache. Während der Tweet ganz gut abschnitt, hatte der Tweet des vorhergehenden Abends eine deutlich höhere Click-Through-Rate (Wie auch die restlichen Daten, auf die wir uns in diesem Artikel beziehen, stammen diese Aufzeichnungen von Social Flow).

Wir veröffentlichten täglich viele Artikel, bei denen wir einem anderen Ansatz folgen mussten, um Leser anzulocken, die von den sozialen Netzwerke zu uns kommen könnten. Aber es gab auch eine signifikante Anzahl von Fällen, bei denen es gut war, dass wir nicht zu sehr versucht haben einen großartigen Tweet zu schreiben, da doch bereits andere fähige Journalisten in unseren Nachrichtenabteilungen einen in Form einer Schlagzeile geschrieben hatten. Unser Team hat diese Lektion bereits gelernt und nun versuchen wir es auch den anderen Nachrichten-Redakteuren zu vermitteln, die regelmäßig ihren eigenen Twitter-Account benutzen.

Wie wir mehr Bilder auf @NYTimes benutzten

Fotos und andere Anschauungsmaterialien erfreuten sich im Verlauf des Jahres 2014 immer größerer Beliebtheit. Es wurde zum gewohnten Anblick, dass Nachrichtenunternehmen und auch einige Journalisten in jedem Tweet ein Foto einbeteten. Wir jedoch erweiterten unseren Einsatz von Anschauungsmaterialien auf @NYTimes in einer Weise, die dem Journalismus der New York Times nützte und hielten uns an die hohen Standards des Fotojournalismus. 

Auf Twitter werden Fotos häufig ohne Kontext verbreitet. Die Beschränkung auf 140 Zeichen, die man in einem Tweet verwenden kann, kann es einem schwer machen einen Fotografen zu nennen oder irgendeine Information darüber anzubieten, was auf dem Foto dargestellt ist. Gleichzeitig möchte man auch die Kernaussage eines Artikels kommunizieren und einen Link einfügen, der auf diesen verweist. Aber das hindert Medienunternehmen und andere Twitter-Nutzer nicht daran, durch ihre Tweets Fotos in die Welt zu schießen, weil sie damit rechnen, dass die erhöhte Aufmerksamkeit, die die Bilder auf Twitter erregen, den Aufwand wert ist.

Bei der New York Times haben wir ein anderes Regelwerk für die Verwendung von Fotos in sozialen Medien. Die beiden wichtigsten sind: Bilder, die direkt auf Twitter hochgeladen werden, müssen auf den Fotografen verweisen, der sie aufgenommen hat und nicht alle Bilder, die wir auf NYTimes.com verwenden, können aus rechtlichen Gründen in sozialen Netzwerken hochgeladen werden. Glücklicherweise produzieren die Fotografen und Freiberufler der New York Times einen stetigen Strom von tagesaktuellen Bildern, die uns dabei helfen können, unsere Twitter-Accounts fesselnder zu machen.

Über einen Großteil des Jahres hinweg haben für die entsprechenden Bildnachweise in die Texte der Tweets eingearbeitet. Die Ergebnisse waren in vielen Fällen in Ordnung. Aber es sah unbeholfen aus und der Platz, den die Bildnachweise in Anspruch nahmen, machte es oft schwierig einen besseren Tweet zu schreiben. Außerdem könnten die Fotos aus dem Zusammenhang des Tweets gerissen werden, in dem sie weiter gesendet wurden und die Quelle des Fotos wäre somit nicht mehr nachzuvollziehen:

Wir begannen mit unseren Bildredakteuren daran zu arbeiten, die Bilder mit Wassermarken zu versehen, die auf die Fotografen hinweisen. Ein früheres Projekt, dass diesem Ansatz folgte war „The Way North“ – Damien Caves und Todd Heislers Roadtrip auf der I-35, um den Einfluss von Einwanderung auf Mittelamerika zu erforschen. Die Werbebilder verwiesen auf Heislers Arbeit und machten außerdem klar, dass die Tweets Teil einer Serie waren:

Die Bilder einzeln in einem Bildbearbeitungsprogramm mit einem Wasserzeichen zu versehen, war ineffizient. Deshalb haben unsere Interactive News-Entwickler ein Programm erschaffen, mit dem man ganz einfach die Bildnachweise in jedes Bild einfügen kann, das die Social Media-Redakteure auf Twitter benutzen wollen. Nachdem wir das Programm im September während der New York Fashion Week getestet haben, wurde es zu einem Teil unseres üblichen redaktionellen Arbeitsablaufs. Es half uns die Qualitätsstandards der New York Times zu wahren und machte das Einfügen von Bildnachweisen deutlich angenehmer.

Nicht jeder gute oder erfolgreiche Tweet braucht ein eingebettetes Foto. Wir weisen Redakteure und Reporter der Times darauf hin, dass das Benutzen eines Fotos auf Twitter Gegenstand redaktioneller Sorgfalt ist und nicht zu reflexartig geschehen sollte. Manchmal kann man die 22 Zeichen, die ein Foto einnimmt, auch für einen interessanteren Tweet verwenden. Und gelegentlich liefert die zusätzliche Interaktion, die durch ein Foto erzeugt wird – Retweets, Likes und Antworten – wenige zusätzliche Klicks auf unsere journalistischen Inhalte auf NYTimes.com, was letztlich unser eigentliches Ziel ist.

Wir können es machen, aber sollten wir es auch?

Wir haben viele Mittel, die uns dabei helfen, unsere journalistischen Inhalte auf Twitter zu bewerben. Aber die Frage, auf die wir immer zurück kommen, ist, ob Werbeträger den zusätzlichen Aufwand wert sind, den sie verursachen. Ein Beispiel dafür, wann eine solche Entscheidung getroffen werden muss, ist der Gebrauch von Video-Trailern in Tweets. Unsere Videoredaktion und die Redaktion für Internationales arbeiteten zusammen an einer Geschichte über einen Mann, der ein Massaker des Islamischen Staates im Irak überlebt hat. Die Videoabteilung produzierte einen kurzen Trailer, der in einige Tweets eingebunden wurde, in denen wir über die Dokumentation geschrieben haben:

Der Tweet mit dem Trailer kam ziemlich gut an. Aber andere Tweets, die ein Standbild aus dem Video benutzten, haben diesen Tweet in der Klickrate deutlich übertroffen. Außerdem waren die Produktion und das Hochladen des Tweets mit einem viel geringeren Arbeitsaufwand verbunden. Der unterschiedliche Erfolg könnte möglicherweise dadurch erklärt werden, dass viele potenzielle Betrachter davon abgeschreckt wurden, sich das ganze Video anzusehen.

Es kann gute, journalistische Gründe dafür geben, einen Trailer, ein animiertes GIF, eine spezielle Bilderkarte oder andere Multimedia-Formate zu benutzen, um eine Geschichte auf Twitter zu bewerben. Einige dieser Methoden könnten auch auf anderen Social Media-Plattformen, wie Facebook oder Instagram, nützlich sein. Aber manchmal erzielt ein einfacherer, weniger arbeitsaufwändiger Ansatz einen großen – oder größeren – Erfolg.

Den Drang vermeiden, sich wie ein Pfau zu verhalten

Journalisten der New York Times sind sehr stolz auf die Arbeit, die sie dabei leisten, Nachrichten zu verbreiten und Geschichten zu erzählen. Zusätzlich zum Qualitätsjournalismus, der in die Arbeit einfließt, gibt es einen gewaltigen Wortschatz, der dazu verwendet wird, die Besonderheit und Einzigartigkeit des fertigen Produkts zu beschreiben. Und bei all der Mühe das zu beschreiben kann es manchmal passieren, dass wir uns dadurch selbst dabei im Weg stehen, dem Leser von der großen Geschichte zu berichten, die er da gerade im Begriff ist zu lesen.

Ein eindringlicher Beitrag aus der Op-Doc-Serie der New York Times über einen Mann, der blind wird, hat dieses Problem und seine Lösung beleuchtet. Der erste Impuls, als wir über diese Geschichte tweeten wollten, war es die Serie, deren Teil sie war, und die Aussagekraft der Audio-Tagebücher, die die Grundlage des Videos waren, hervorzuheben:

Während wir uns wegen der Geschichte wie ein Pfau benahmen und unser schickes Federkleid zur Schau stellten, bleib der Tweet hinter unseren Erwartungen zurück. Also versuchten wir es mit einem anderen Ansatz, der sich darauf konzentrierte Leser mit Details aus der Geschichte anzulocken. Dieses Mal erwähnten wir weder das besondere Multimedia-Format noch die übergeordnete Serie:

Die Klickrate hat sich verdoppelt. Die Geschichte selbst erzeugte eine größere Resonanz als seine einzelnen Teile. Als wir uns daran machten andere größere journalistische Arbeiten zu bewerben,  konzentrierten wir unsere Bemühungen auf die Geschichte, die unsere Journalisten erzählten und nicht auf die Art, auf die sie das taten.

Wenn User unsere Marke attackieren, um unsere Arbeit zu kritisieren

Bei mehreren Gelegenheiten in diesem Jahr kam es auf @NYTimes zu größeren Spitzen in der Aktivität der Twitter-Nutzer. Aber das waren nicht immer gute Nachrichten. In einigen Fällen waren die Leser der New York Times über Artikel oder eine Kolumne verärgert, die von einem unserer Journalisten geschrieben wurden. Oft lenkten sie ihren Zorn stärker auf die Institution als auf die Einzelperson, die den Artikel verfasst hatte, der bei ihnen die Verärgerung auslöste.

Wenn sich andere Unternehmen einem Mahlstrom aus Empörung in den sozialen Medien gegenübersehen, tendieren sie dazu ihre Social Media-Plattformen zu nutzen, um den verärgerten Menschen zu antworten, die sie teilweise als Konsumenten oder potenzielle Konsumenten sehen. Aber als Nachrichtenunternehmen erwarten wir, dass @NYTimes bis zu einem bestimmten Grad über der Debatte steht, weiterhin unsere journalistischen Inhalte veröffentlicht und nicht in einer Diskussion darüber gefangen wird, wie diese wahrgenommen werden.

Es ist schwierig sich die New York Times als Institution vorzustellen, die einzelnen Twitter-Nutzern so antwortet, wie Fluglinien verärgerten Passagieren antworten würden. Aber wenn wir einen geeigneten Weg finden würden, um aufrichtige Kritik an unserer journalistischen Arbeit, die uns über die sozialen Medien erreicht, zu erkennen und zu fördern, würde das dieser Plattform sehr nützen. Im Jahr 2015 müssen wir mehr Zeit damit verbringen, über Wege nachzudenken, für die Art von Leserschaft zugänglich zu sein, die uns über die sozialen Medien erreicht.

Wie wichtig aktuelle Nachrichten für unsere Leser sind 

Trotz all unserer Bemühungen vorauszudenken und die Zielgruppe unseres Enterprise Journalism zu maximieren, kamen Twitter-Nutzer weiterhin wegen unserer Berichterstattung zu aktuellen Nachrichten-Ereignissen auf @NYTimes. Der gewaltsame Tod von Micheal Brown in Ferguson und seine Nachwirkungen, der Aufstieg von ISIS in Syrien und dem Irak, der Tod von Robin Williams, Joan Rivers und Philip Seymour Hoffman, Michael Sams Coming-Out, die Ebola-Epidemie in Westafrika und darüber hinaus und viele mehr. Eine große Anzahl von Twitter-Nutzern, die @NYTimes folgen, war eine nachhaltige und dauerhafte Leserschaft von Tweets über diese Ereignisse. Die Nachricht, die wir  zur Autopsie von Michael Brown brachten, war der meistgeklickte Tweet auf @NYTimes, den wir je erfasst haben.

Unsere Bereitschaft über diese Ereignisse zu berichten, wenn diese zutage traten, half den Einfluss des Journalismus der Times auf @NYTimes und jenseits von Twitter zu maximieren. Aber abseits von @NYTimes haben wir herausgefunden, dass eine effektive Berichterstattung über bedeutende Ereignisse eines der wichtigsten Hilfsmittel ist, um die Follower-Zahl von anderen Twitter-Accounts zu erhöhen.

Verschiedene Redakteure in den Nachrichtenabteilungen der Times benutzten Twitter, um sorgfältig über voraussichtliche nachrichtliche Ereignisse, wie die Preissaison in Hollywood, die Weltmeisterschaft in Brasilien und die Ereignisse, die zur Entscheidung der Grand Jury im Fall Michael Brown führten und ihr nachfolgten, zu berichten. In jedem Fall gewannen die Twitter-Accounts, die besonders nah an den Ereignissen dran waren, Follower in einem solchen Maße hinzu, wie man sie wahrscheinlich sonst nur durch Bezahlung bekommen könnte. Das zeigte allen in unserer Nachrichtenabteilung, dass es einen messbaren Einfluss auf die Größe der Leserschaft hat, wenn man Arbeit in den Gebrauch von Social Media-Plattformen steckt, um damit Nachrichten zu verbreiten.

Wie man die richtigen Momente findet, um Spaß zu haben

Dieser Artikel war ziemlich ernsthaft. Aber die Social Media-Redaktion der New York Times versuchte dieses Jahr auf @NYTimes und anderen Accounts Spaß zu haben. Wie wir bereits im letzten Januar erklärt haben, sind die Tweets, die diese „ZOMG!“-Momente auslösen, nicht immer unsere größten Hits im Sinne von Klickraten oder Interaktion. Aber die passenden Möglichkeiten zu finden, um von unserem offiziellen Sprachmuster abzuweichen, hilft dabei unseren tägliche Berichterstattung aufzulockern und erschafft andere Arten von erinnerungswürdigen Momenten, die die Leser erfreuen.

Jeder Cheftexter oder Titelblattdesigner einer Zeitung könnte Ihnen dieselbe Geschichte erzählen, über die Momente, wenn sie ihren tintenbefleckten Nacken aufrichten. Aus diesem Grund beende ich dieses Jahr mit einigen Beispielen, bei denen wir versucht haben diese Balance zu erreichen:

Wir hoffen, dass das Jahr 2015 mehr erinnerungswürdige Momente bereit hält, die von den Journalisten produziert wurden, die dabei helfen, die Social Media-Plattformen zu betreiben.

Vielen Dank an Hanna Ingber, Sona Patel, Daniel Victor, Talya Minsberg,Karen Workman, Justin Bank, und Cynthia Collins für ihre Beiträge.

Zuerst erschienen auf niemanlab.org. Übersetzung von Daniel Peter.


ist Social Media-Redakteur bei der New York Times. Davor hat er u.a. für das Forbes Magazine geschrieben, The New York Sun und war Mitglied im Politik-Reporterteam der Huffington Post.


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