Florian Glatzner: „Wichtig ist ein Bewusstsein für Datenschutz!“

Im Interview spricht Florian Glatzner von der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. über Datenschutz im Alltag und den Umgang mit neuen Technologien.

Florian Glatzner ist Referent in der Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) für das Projekt „Verbraucherrechte in der digitalen Welt“. Dort setzt er sich mit allerlei Fragen des Datenschutz auseinander und wie Nutzer für mehr digitale Sicherheit im Alltag sorgen können.

Tobias Schwarz: Was sind die Aufgaben des Verbraucherschutzes in unserer zunehmend digitalisierten Gesellschaft?

Florian Glatzner: Im Prinzip unterscheiden sich die Aufgaben des Verbraucherschutzes in der „digitalisierten Gesellschaft“ nicht sehr von denen in der „analogen Gesellschaft“: Es geht im Kern darum, eine Chancengleichheit zwischen den Interessen der Verbraucher und den Unternehmen zu schaffen und das Risiko zu verringern, dass Verbraucher übervorteilt werden.

Natürlich sind aber durch die Digitalisierung neue Problemlagen hinzugekommen bzw. alte Konfliktlinien wurden verschärft. So stellen sich in der digitalen Sphäre unter anderem veränderte Fragen der Vertragsgestaltung (wie die Form der Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder der Schutz vor Abofallen), des Urheberrechts (Stichwort Massenabmahnungen) oder des Datenschutzes. Daneben stellt die neue Rolle des Verbrauchers als Prosumer, der selbst auch mal Inhalte erstellt, den Verbraucherschutz vor neue Herausforderungen.

Daher analysieren wir die digitalen Märkte, decken strukturelle Missstände auf und benennen Verbraucherprobleme. Auf Basis dieser Analysen entwickeln wir Lösungsvorschläge und streiten für deren Umsetzung. Außerdem werden wir – wo nötig – im Zuge kollektiver Rechtsdurchsetzung selbst aktiv, wenn Verbraucherrechte missachtet werden.

Können Sie uns ein Beispiel nennen, wie die Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv) im Alltag der Bürger wirkt?

Ein ganz aktuelles Beispiel: Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat im Jahr 2012 mehrere Mobilfunkanbieter abgemahnt, da diese für Papierrechnungen Gebühren zwischen 1,50 Euro und 5,11 Euro pro Rechnung verlangten. Weil die Anbieter sich weigerten, eine Unterlassungserklärung abzugeben, zog der vzbv gegen sie vor die Gerichte. Diese haben den Unternehmen diese Praxis nun endgültig untersagt. Denn auch wenn die Digitalisierung um sich greift, ist die Abwicklung des privaten Rechtsverkehrs über das Internet noch nicht zum allgemeinen Standard geworden. Aber der vzbv wirkt natürlich auch an ganz vielen Stellen, wo man es gar nicht direkt sieht. So vertreten wir beispielsweise die Verbraucherinteressen gegenüber der Politik und beteiligen uns intensiv an den Gesetzgebungsprozessen. Insofern bilden wir einen Gegenpol zur Wirtschaftslobby und erreichen auch damit viele Verbesserungen für die Verbraucher im Alltag.

Big Data, Connected Car, Internet Of Things – Wie gefährlich sind diese Trends wirklich?

Es kommt darauf an, was wir als Gesellschaft daraus machen. Zuerst einmal sehen auch wir als Verbraucherschützer zuerst die Chancen, die diese neuen Technologien bieten. Big Data Analysen können uns bei der Umsetzung der Energiewende helfen, durch Connected Cars kann die Anzahl an Unfällen verringert werden und das Internet der Dinge kann beispielsweise ältere Verbraucher bei einer selbstbestimmten Lebensführung unterstützen.

Ebenso entwickeln sich dadurch aber neue Herausforderungen, etwa die Sicherstellung der informationellen Selbstbestimmung in einem Kontext, wo persönliche Daten die „Währung“ für die „Bezahlung“ von Gütern und Diensten sind. Oder die Gewährleistung des breiten Zugangs zu Informationen, deren Auswahl nicht von intransparenten Algorithmen vorbestimmt ist, wie wenn beispielweise mein intelligenter Kühlschrank mir für den Einkauf nur Produkte bestimmter Hersteller – die mit dem Kühlschrankproduzenten einen Vertrag haben – vorschlägt.

Uns geht es bei dieser Diskussion im Kern darum, dass wir als Gesellschaft die Zukunft jetzt gemeinsam bewusst gestalten müssen, bevor die fortschreitende Technik und der Markt uns unsere Entscheidungsmöglichkeiten nehmen. Ich bin der festen Ansicht, dass wir es gemeinsam schaffen können, die Chancen der modernen Technologien zu nutzen, aber gleichzeitig die Risiken so niedrig wie möglich zu halten.

Gerne nutzt man moderne Technologien und angesagte Web-Dienste. Siegt bei den Bürgern die Bequemlichkeit vor der eigenen Sicherheit?

Es geht häufig nicht um Bequemlichkeit der Verbraucher oder Sicherheit. Wir könnten oft beides haben. Es geht auch um die Bequemlichkeit der Unternehmen und ihre wirtschaftliche Interessen, die über die Sicherheit der Verbraucher siegen.Warum sind viele Dienste nicht datenschutzfreundlich designt und voreingestellt?

Ein Beispiel was ich damit meine: Seit dem vergangen Jahr übertragen einige große deutsche E-Mail-Anbieter die Mails ihrer Nutzer nur noch mit einer Transportverschlüsselung. Sprich, die Mails werden auf dem Weg vom Nutzer zu den Anbietern und zwischen den Servern und Rechenzentren der beteiligten Anbieter verschlüsselt. Sie bewerben dieses Vorgehen mit „E-Mail made in Germany“. Hat dies der Bequemlichkeit der Anwendung geschadet? Nein, die Nutzer merken nicht einmal etwas davon. Aber da frage ich mich schon, warum diese Minimalverschlüsselung erst letztes Jahr eingerichtet wurde und nicht schon immer Standard war.

Sind die Bürger allein verantwortlich für ihre digitale Sicherheit?

Die Hauptverantwortung für die digitale Sicherheit den Verbrauchern zuzuschieben, greift etwas kurz. Die technischen Systeme werden immer komplexer, die mit ihnen verbundenen Datenverarbeitungen immer schwerer zu überblicken. Verbraucher, die die neuen Produkte und Dienstleistungen nutzen, aber gleichzeitig die Kontrolle über ihre Daten behalten wollen, stehen vor einem Problem. Sie müssten Fachmann für die Einstellungsmöglichkeiten der verschiedenen sozialen Netzwerke oder die Tracking-Technologien der Internetwerbewirtschaft werden. Und sie müssen sich stets über neue technische Entwicklungen und Funktionen auf dem Laufenden halten. Manchen Menschen macht das Spaß, andere haben nicht die Fähigkeiten oder die (zeitlichen) Ressourcen, sich intensiv mit diesen Fragen auseinander zu setzen. Sie wollen die neuen Technologien nutzen, die viele Möglichkeiten bieten und mit ihnen an der heutigen Gesellschaft Teil haben.

Natürlich liegt es in der Verantwortung des Verbrauchers, wie wichtig ihm der Datenschutz ist und er sollte die Freiheit haben, selbst zu bestimmen, was mit seinen Daten passiert. Eine höhere Transparenz und eine bessere Verbraucherbildung sind dafür wichtige Grundlagen. Aber selbst dann haben die Verbraucher es oft gar nicht in der Hand, da viele technische Systeme eine Blackbox sind.

Daher müssen Verbraucher ein begründetes Vertrauen in die Wirtschaft haben können, dass mit ihren Daten verantwortungsvoll und nach ihren Wünschen umgegangen wird. Dafür sind allerdings klare gesetzliche Regelungen notwendig. Die derzeit diskutierte europäische Datenschutzverordnung könnte eine große Chance bieten, diese Regelungen zu schaffen.

Welche Tipps geben Sie interessierten Bürgern, um ein Mindestmaß an Sicherheit zu erreichen?

Das Wichtigste ist, ein Bewusstsein für den Datenschutz und die Datensicherheit zu entwickeln. Zu erkennen, dass dies Eckpfeiler sind, um sich in der heutigen Welt selbstbestimmt bewegen zu können. Verbraucher sollten nicht jedem Trend einfach hinterher rennen, sondern sich bewusst für Dienste und Produkte entscheiden. Von den Unternehmen müssen sie Datenschutz und Datensicherheit einzufordern und anderenfalls ihre Dienste oder Produkte auch mal nicht benutzen. Vielleicht sollten sie auch manchmal bereit sein, für gute Dienste Geld zu bezahlen, anstatt sich selbst und ihre Daten zum Produkt zu machen, dass durch die Unternehmen ausgebeutet wird.

Wer ganz praktische Tipps haben möchte, was man für seine Sicherheit in der digitalen Welt tun kann, findet viele Informationen auf der Webseite unseres Projektes „Verbraucherrechte in der digitalen Welt“ unter Surfer haben Rechte.

Vielen Dank für das Gespräch.


Image by Fräulein Fotograf


ist Coworking Manager des St. Oberholz und als Editor-at-Large für Netzpiloten.de tätig. Von 2013 bis 2016 leitete er Netzpiloten.de und unternahm verschiedene Blogger-Reisen. Zusammen mit Ansgar Oberholz hat er den Think Tank "Institut für Neue Arbeit" gegründet und berät Unternehmen zu Fragen der Transformation von Arbeit. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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