Big Data – Datensammlung: Fluch oder Segen?

Das Verhindern von Daten ist keine zeitgemäße Position im Datenschutz, doch wie können in Zeiten von Big Data Rechte gewahrt werden? Predictive Policing, personalisierte Werbeanzeigen im Internet oder selbstfahrende Autos. In fast allen Bereichen des Lebens fallen große Mengen von Daten an. Nicht immer ist ersichtlich, wo Daten erhoben oder wie und von wem diese genutzt werden. Welche Chancen und Risiken Big Data innewohnt, diskutierte die Berliner Datenschutzrunde.

Beim Einkaufen im Internet, der Eingabe in das Navigationssystem, einer Überweisung vom Konto, einem Telefonat mit dem Geschäftspartner oder der Interaktion in sozialen Netzwerken. Bei fast allen Tätigkeiten der Moderne entstehen große Daten-Mengen, die zu groß oder zu komplex sind, um sie mit klassischen Methoden der Datenverarbeitung auszuwerten. Es entsteht Big Data. Akteure wie staatliche Einrichtungen, Geheimdienste aber auch Wirtschaftsunternehmen, die Zugriff auf solche Datenmengen haben, können Rückschlüsse auf die Menschen und ihr Verhalten ziehen. Es besteht ein Machtgefälle zwischen Staat und BürgerInnen, ebenso wie zwischen Unternehmen und VerbraucherInnen, sagte Peter Schaar, Vorsitzender der Europäischen Akademie für Informationsfreiheit und Datenschutz, in der Berliner Datenschutzrunde am 24. März in Berlin. Das erwartete „Internet der Dinge“ würde die Möglichkeit, sich dieser Datensammlung zu entziehen, erschweren oder wohl gänzlich verhindern. Eine Rückkehr zu einem Datenaufkommen von 1969 (Mikrozensusbeschluss) oder 1983 (Volkszählungsurteil) ist ausgeschlossen und ein Rückbau nicht mehr möglich. Deshalb benötige es eine gute Moderation und Regelung der Daten und ihrer Verwendung.

Profilbildung ist alltäglich und sollte nicht dämonisiert werden, forderte der Jurist Niko Härting. Bei der Speicherung der Daten gelte grundsätzlich das deutsche Datenschutzrecht. Wichtig bei der Auswertung der Daten seien jedoch Regulierungen für die Auswertenden. Es müssten klare Transparenzanforderungen an die Verarbeitung gestellt werden, auf der anderen Seite aber bei den kontrollierenden (Datenschutz-)Behörden auch entsprechender Sachverstand angesiedelt sein. Weiterhin müsse der Verbraucherschutz gesichert sein und Schutz vor Diskriminierung und Manipulation bestehen. Das soziale Netzwerk Facebook hat beispielsweise Anfang 2013 die Nutzereinträge vorgefiltert, um die Ausbreitung von Emoticons zu testen. Dafür wurden Nachrichtenströme hunderttausender NutzerInnen modifiziert. Die Datenverwendungsregeln von Facebook lassen ein solches Vorgehen zu.

Ohne Big Data keine wirtschaftliche Prosperität

Auch im Bereich der Medizin und der Mobilität spielen Daten in Zukunft eine wichtige Rolle. Moderne Autos sammeln bereits jetzt eine Vielzahl an Daten, ob beim Multimediasystem oder der Einparkhilfe. „Ohne Big Data wird es keine wirtschaftliche Prosperität geben!„, betonte der parlamentarische Staatssekretär des Bundesinnenministeriums Ole Schröder. Er ist mitverantwortlich für das IT-Sicherheitsgesetz, das zurzeit erarbeitet wird. Für die Bildung von Profilen seien keine gesonderten Regelungen vorgesehen. Man müsse jedoch die Nutzung reglementieren. Die alten Datenschutzrichtlinien der Datensparsamkeit und –Vermeidung seien in Gänze nicht mehr zeitgemäß und müssten um neue Ansätze der Anti-Diskriminierung und –Manipulation sowie Transparenzregeln ergänzt werden.

Einwilligung ist der Fetisch des Datenschutzes

Grundsätzliche Kritik bereits an der Bildung von Profilen übte Michaela Schröder von der Verbraucherzentrale Bundesverband. Bisher fehle es an konkreten Definitionen von privaten und öffentlichen Daten. NutzerInnen hätten keinen Überblick mehr, wer auf ihre Daten zugreifen kann und wie diese genutzt werden. Viele Menschen sehen Facebook als privaten Raum an, Informationen von dort sind jedoch zum Teil über Suchmaschinen zu finden. Es gibt bereits die juristische Unterscheidung zwischen unsensiblen und sensiblen Daten (wie z. B. zu Gesundheit oder Sexualleben). Letztere unterliegen strengen Schutzbestimmungen. Jedoch ermöglich unsensible Daten den Schluss auf sensible. So konnten Analysten einer Einzelhandelskette durch das Kaufverhalten einer Kundin darauf schließen, dass diese schwanger war. Zusätzlich zu technischen Schutzregelungen bedürfe es deshalb der Einwilligung der NutzerInnen über die Profilbildung. Diese müsse dabei jedoch so erklärt sein, dass die Personen verstünden, was sie zustimmen und welchen Nutzen sie daraus ziehen. Dem widersprach Härting: Für ihn ist die „Einwilligung der Fetisch des Datenschutzes„, denn sie habe nicht den Effekt, den sie verspreche.

Grundsätzlich würden sehr wenige NutzerInnen auf darauf achten, wie Unternehmen ihre Daten verwenden. Die NutzerInnen würden den Dienst auswählen, der ihnen den größten Vorteil bringt und den besten Service bietet, der Datenschutz sei dabei nachrangig. Neben der Wirtschaft erhebt auch die Öffentliche Verwaltung eine Vielzahl und in großen Mengen Daten. Diese sollen nun unter anderem zur Vorhersage von Verbrechen genutzt werden – Predictive Policing genannt. Der Berliner Datenschutzbeauftragte Alexander Dix mahnte deshalb auch, dass nur weil Profilbildung vielerorts möglich sei, man dies nicht zwangsläufig auch zulassen müsse. Für Bedingungen und Regelung zur Datensammlung müsse der Gesetzgeber tätig werden.

Dieser Artikel erschien zuerst auf Politik-Digital.de und steht unter CC BY-SA 3.0.


Image (adapted) „Gazzang at Partner Palooza“ by Garrett Heath (CC BY 2.0)


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