Quartz sieht sich selbst als eine API und nicht als Medium – doch auch wenn der Vergleich hinken mag, das Unternehmen verändert den digitalen Journalismus. // von Zachary M. Seward
„Wenn wir sagen, dass Quartz eine API ist, meinen wir nicht, dass man Dinge einmal veröffentlicht und sie überall hin schickt. Wir meinen, dass Quartz dorthin gehen kann, wo unsere Leser sind, welche Form auch immer benötigt wird.“ In einem Gastbeitrag für das Niemand Journalism Lab erklärt Quarts Produktmanager und leitender Redakteur Zachary M. Seward die Entwicklung der letzten drei Jahre und wohin das nur schwer zu beschreibende Medien sich entwickeln möchte.
Die Dinge ändern sich so rasch, dass wir kaum dazu kamen, ein Memo zu verfassen, als wir festgestellt haben, dass mittlerweile mehr als 100 Leute für Quartz arbeiten. Und so sieht das aus, wenn man sich die aktiven Nutzer bei Slack im vergangenen Jahr anschaut:
Das Bild erinnert mich an ein anderes, nämlich an ein Foto, das Kevin Delaney, Quartzs Chefredakteur und President, in unserem ersten Büro in SoHo vor drei Jahren geschossen hat. Schauen Sie sich diesen Raum an!
Ich mag das Foto, denn es unterstreicht, wie sehr dieses Unternehmen aus dem Nichts heraus entstanden ist. Das wird auch weiterhin so sein. Wir bevorzugen, die Dinge auf die harte Art zu tun: unsere eigene Technologie zu besitzen, Entscheidungen im Design auf First-User-Base zu treffen, unsere eigenen Werbeeinheiten zu bauen, Artikel zu schreiben, die zum Medium passen und Events zu organisieren, die einzigartig sind. Auf diese Weise bauen wir uns eine Marke auf, mit der man sich identifizieren und differenzieren kann, und die weiß, wofür sie steht.
Quartz war nicht der Name, den die Leute erwartet haben, als wir ihn vor drei Jahren zum ersten Mal verraten haben. Eine Überschrift hieß schlicht: „Quartz? Ja, genau, Quartz.“ Für uns steht der Name für einen Sonderfall im Nachrichtenmarkt. Es war kein Journal, keine Tageszeitung oder Magazin. Es ist an einem Punkt aufgetaucht, an dem das digitale Verlagswesen auf sehr unsicheren Füßen stand, und wir wollten nicht bestimmen, was aus dem Unternehmen werden würde. Ein fundamentaler Vorteil war es, dass wir alle von dieser Veränderung sehr aufgeregt wurden. Quartz, wie auch immer seine Zukunft aussehen sollte, war ein Name, an dem man wachsen konnte.
„Den Namen eines Unternehmens festzulegen, kann sich wie ein massives Schicksal anfühlen“ sagte neulich Howard Fish, der eine Firma leitet, die er nach seinem Spitznamen benannt hat. „Man gibt der Sehnsucht einen Namen, und man benennt den Platz, von dem man hofft, dass er in Zukunft von dir selbst ausgefüllt werden wird.“ Dieser Platz füllt sich noch immer.
Wir haben eine erfolgreiche Website aufgebaut, die monatlich zehn Millionen Leser hat, außerdem eine beliebte morgendliche Rundmail, die eine Open Rate von bis zu 42 Prozent hat, ein Eventprogramm, dass vier Kontinente umspannt und eine kreative Servicegruppe, die Werbungen erstellt, die die Leute gern und bereitwillig teilen. Unser Verkaufsteam hat das alles in ein tolles Unternehmen verwandelt und ist auf dem besten Weg, im dritten Jahr in Folge doppelt so viel einzunehmen, da sie mehr als 100 Unternehmen Werbeprodukte angeboten haben, die die der meisten Verleger in den Schatten stellt.
Wie Sie vielleicht wissen, haben wir einige Projekte in Arbeit. Quartz Africa wird zusammen mit einigen Verbesserungen auf qz.com am 1. Juni gelauncht. Atlas ist eine neue Seite, auf der man Tabellen entdecken und teilen kann, diese wird kurz danach fertig gestellt. Wir werden einen Podcast veröffentlichen und haben eine iPhone-App entwickelt, die herausgebracht wird, sobald wir damit zufrieden sind. Hier wird es eine eigene Gruppe geben, die sich um verwandte Plattformen wie Message-Apps, Email, etc. kümmern wird. Viele andere Dinge sind ebenfalls im Prozess.
Jedes Einzelne dieser Projekte hätte eigentlich ein eingenes längeres Memo verdient, und ich sage nicht, dass das nicht noch kommen wird, aber ich dachte mir, es wäre am Sinnvollsten, wenn ich erkläre, wie diese alle zusammenhängen und was sie für Quartz bedeuten. Um es kurz zu machen, wie sieht die Strategie aus?
Als Quartz gelauncht wurde, waren wir vorsichtig damit, es schlichtweg „Webseite“ zu nennen. Die Ambitionen gingen weit darüber hinaus, unsere Webdomain war sozusagen nur eine erste Wiederholung. Manche Leute wunderten sich darüber und suchten einen besseren Namen für unser … äh … Webseite. Hier gab es einige sprachliche Verrenkungen … Quartz ist … ein Business-Outlet … Unternehmen … Projekt … Marke….
Naja, das ist alles ganz richtig, aber wenn ich mir eine Beschreibung aussuchen könnte, würde ich sagen: Quartz ist eine API.
Die Entwickler unter uns versuchten mir die Grenzen dieser Metapher aufzuzeichen. In manchen Belangen stimmt das auch, in anderen ist es eben nur ein Konzept. Für die weniger Technikversierten unter uns, es reicht aus, zu wissen, dass eine API so funktioniert, dass sie als Applikation mt einem Server spricht, um für den Nutzer frische Daten zu besorgen.
Bevor wir qz.com aufgebaut haben, haben wir die Quartz API gebaut. (Eines Tages hatte schon jemand angefangen, damit herumzuspielen.) Heute ist der wichtigste Kunde der API noch immer qz.com, aber eigentlich könnte es in alle Richtungen gehen. Es war immer unsere Philosophie, zwischen uns und unseren Lesern so wenig Reibung wie möglich zu verursachen. Unsere API kann das bekräftigen.
Schaut man sich auf Quartz um, sieht man es überall. Der Daily Brief ist vielleicht das beste Beispiel: Sein Erfolg beruht auf der Email, denn dies ist einfach das beste morgendliche Briefing, das man erhalten kann. Es ist nicht einfach, aber die Reinheit dieser Mission macht den Daily Brief zu etwas ganz Besonderem. Wir wollen nicht den Traffic auf qz.com in die Höhe treiben, denn es kommt nur in Ihre Posteingangsbox. Das hat sich als erfolgreiche Businessstrategie herausgestellt, außerdem gibt es Werbung in der Email, die von der Weseite abgetrennt sind, die noch mehr Einnahmen für Quartz generieren.
Jeder von uns hat schon einmal Menschen getroffen, die, wenn man ihnen mitteilt, dass man für Quartz arbeitet, flüstern: „Oh, ich liiiiiebe die Email.“ Dann redet man weiter und versteht langsam, dass sie nicht wissen, dass Quartz auch eine Webseite ist, oder dass sie diese zumindest nicht oft besuchen. Mich hat das eine Zeit lang besorgt, aber nun finde ich es toll. Die Webseite hat ihr eigenes Publikum, die Email hat ein kleineres, aber enthusiastischeres Publikum.
Wir bringen ganz ähnliche Konzepte bei dem bereits erwähnten Atlas-Projekt, wir wollen, dass unsere Tabellen weit herumkommen (dazu später mehr.) Das Videoteam konzentriert sich darauf, welche Clips am besten bei Facebook funktionieren, was sicherlich wieder ganz anders funktionieren wird als die Clips von YouTube, Snapchat und anderswo. Alles, was wir in der Redaktion machen, egal ob es eine iPhone-App oder ein WeChat-Account ist, wird an die jeweilige Plattform angepasst. Die gleichen maßgeschneiderten Ansätze nutzen wir natürlich auch zum Geld vedienen.
Wenn wir sagen, dass Quartz eine API ist, meinen wir nicht, dass man Dinge einmal veröffentlicht und es überall hin schickt. Wir meinen, dass Quartz dorthin gehen kann, wo unsere Leser sind, welche Form auch immer benötigt wird. Nach ein paar Launches wird Quartz in etwa so aussehen:
Das Interessanteste dabei ist der mittlere Teil: unsere Marke. In diesem Umfeld ist sie das Wichtigste: Wir sind der Leitfaden zu einer neuen, weltweiten Wirtschaft für schlaue, weltgewandte Menschen. Das ist es, was uns redaktionell antreibt, was unsere Visionen befeuert und unser kommerzielles Bestreben angeht. Die speziellen Formen, die man hier braucht, nehmen wir gerne auf, und wir stellen uns der Herausforderung.
Um auf diese Weise arbeiten zu können, müssen wir sehr sorgfältig damit sein, was funktioniert (wie die Webseite, die bleibt bisher unsere größte Wachstumsstelle), und natürlich auch, was nicht funktioniert. Wir beauftragen keine neuen Unternehmen, die zu weit draußen agieren oder unter Bedingungen, die nicht günstig sind. Wir sind aber immer für neue Möglichkeiten offen, wie man das Unternehmen zum Wachsen bringen kann, sowohl bei qz.com und anderswo.
Was bedeutet das für die Leute im Markteing? Ein größeres Publikum für Quartz und viele neue Produkte und Programme, die die Werber lieben werden. Für unsere Berichterstatter und Redakteure? Ebenfalls ein größeres Publikum, sowie die Möglichkeit, die besten Formate für Qualitätsjournalismus im Internet herauszufinden. Für Designer und Entwickler? Die API in ihre beste Wirksamkeit zu formen und das Erlebnis Quartz für mehr Menschen an mehr Orten zu ermöglichen.
Am allermeisten aber wollen wir sehr gut sein in dem, was in der Mitte steht, was wir Quartz nennen, und alles, wofür es steht: auf mutige und kreative Entscheidungen zu bestehen, einen First-User-Anspruch, sich von den Wandlungen mitreißen lassen und ein Publikum zu bedienen, was weltweit professionell im Geschäft ist.
Nichts davon war neu für uns. Seit das Foto von dem leeren Büro entstanden ist, waren das unsere Antriebe, vor allem, seit die Quartz API zum Leben erweckt wurde. Viele dieser Dinge kommen nun zusammen und fügen sich zu einer Vision, ein Teil davon war die Marke der 100 Mitarbeiter. Wir sind gut aufgestellt, um das zu schaffen. Viel mehr ist auf dem Weg, und es wird aufregend sein, dabei zuzuschauen, wie die Landkarte der Marke im kommenden Jahr aussieht.
Zuerst erschienen auf niemanlab.org. Übersetzung von Anne Jerratsch.
Teaser & Image „Quartz Offices“ (adapted) by Mia Mabanta
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Schlagwörter: api, digitalisierung, journalismus, Medienunternehmen, Medienwandel, Quartz, Zachary M. Seward