Wie man Dummschwätzer im Management enlarvt

Viele Konzernmanager denken nur an die gut geölte Effizienz der Belegschaft und die Bonus-Zahlungen ihrer Fünfjahres-Verträge. Ist es nicht an der Zeit, ihr leeres Geschwätz zu entlarven? Wenn junge Menschen ihre Karriere planen, dominieren klassische Erwartungen. Rund 40 Prozent wollen in den öffentlichen Dienst, 15 Prozent streben einen Job in einer staatsnahen Einrichtung an und 20 Prozent träumen von einer Konzernlaufbahn. Dahinter steckt das Bedürfnis nach Sicherheit und Stabilität. Eine trügerische Hoffnung. Selbst in öffentlich-rechtlichen Institutionen müssen sich Mitarbeiter mit Zeitverträgen und einer wenig planbaren Zukunft herumschlagen zu höchst bescheidenen Konditionen. Man erwartet Überstunden und volle Leistung. Geizig sind öffentliche Auftraggeber beim Versprechen einer Festanstellung.

Konzernträume und bürokratischer Alltag

Wenig Erbauliches erleben die Nachwuchskräfte im bürokratischen Organisationsmoloch von großen Unternehmen: „Die Abstimmungs- und Koordinationsprozesse in Konzernen fressen unglaublich viel Zeit und kosten Nerven, die langwierigen Konsensrituale führen meist zu durchschnittlichen Ergebnissen. Ich blieb jeweils nur so lange in einer Organisation Konzern, wie ich dort unternehmerisch handeln konnte“, bemerkt „Mister Personalmanagement“ Thomas Sattelberger im Interview mit „Der Bund“.

Abgesehen von den immer gleichen Büro-Büro-Mahlzeit-Ritualen sind auch die Zukunftsperspektiven unwägbar geworden. „Wer glaubt, als abhängiger Angestellter die nächsten 30 Jahre in einem Konzern überleben zu können, wird ein böses Erwachen erleben“, warnt Sattelberger. Von den größten börsennotierten Unternehmen in Deutschland würden mindestens zehn in schwerwiegenden Problemen stecken.

„Disruptive Brüche und Innovationen gefährden die Geschäftsmodelle vieler Traditionsunternehmen; die Firmengrenzen werden durchlässig„, erklärt der frühere Telekom-Personalvorstand. Und nicht nur das. Deutsche Konzerne werden im internationalen Wettbewerb immer schwächer: Apple, Amazon, Ebay, Facebook und Google sind ungefähr so viel wert wie alle DAX-Konzerne im vergangenen Jahr. Einige dieser Firmen sind überhaupt nicht mehr existent wie die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank, Bayerische Vereinsbank, Degussa, Dresdner Bank, Deutsche Babcock, Feldmühle Nobel, Hoechst, Karstadt, Mannesmann, Nixdorf, Schering, Thyssen oder Viag. Ähnliches kann man selbst im Mittelstand beobachten, wenn man sich den Niedergang von Loewe und Schlecker betrachtet.

Wer bringt neue Dienste und Produkte?

Wer von den teutonischen Vorzeigeunternehmen ist denn in der Lage, immer wieder Neues hervorzubringen? Statt auf Erfolge der Vergangenheit zu starren oder sich mit Bullshit-Controlling-Messgrößen über Wasser zu halten, um die Shareholder bei Laune zu halten, sollten Unternehmen lieber überprüfen, wie hoch der Umsatzanteil von Produkten und Diensten ist, die älter als drei Jahre sind. „Dieser Anteil sollte mindestens bei 20 Prozent liegen – ohne Schönfärberei, damit das Messen nicht vermessen wird“, rät der Düsseldorfer Innovationsberater Jürgen Stäudtner vom Netzökonomie-Campus.

Noch wichtiger wäre es, das Land von den Talkshow-Dauergästen und Lobby-Schwätzern zu befreien, die uns mit Exporterfolgen, gut aufgestellten und fokussierten Sätzen benebeln oder mit New-Age-Weisheiten ins Koma reden – etwa beim Weltwirtschaftsforum in Davos, das mit ganzheitlichen Esoterikritualen in Luxushotels aufwartet, damit alte Seilschaften die Öffentlichkeit mit neuen Phrasen bedienen können. Schon am zweiten Tag erstickt man beim Elitetreffen in den Schweizer Alpen an einer Wolke von Abhandlungen und Parolen, die alle direkt aus irgendwelchen Handbüchern für Persönlichkeitsentwicklung und positive thinking entnommen sind, schreibt Emmanuel Carrère in dem Band „Davos. Im Disneyland der Großen“. Die inflationäre Beschwörung von positiven Floskeln und die völlige Entkopplung von jeder Alltagserfahrung sind beim Davoser Klassentreffen so penetrant, dass auch der gelassenste Beobachter am Ende zwischen revolutionärer Empörung und schwärzestem Sarkasmus hin und her schwankt.

Wenn alternative Jurten und Iglus nicht mehr weiterhelfen

Man sollte das Ganze nur noch mit Gelächter begleiten angesichts dieser Kilometer von selbstgefälligen, überzogenen Kommuniqués, die dazu einladen, „to improve the state of the world“, den Zustand der Welt zu verbessern, „to expect the unexpected, das Unerwartete zu erwarten – nur nicht den eigenen Niedergang. Dafür sollte man aber „to face the talent challenge“, also die Talentsuche als Herausforderung annehmen und irgendwie „to enter the human age“ – also Eintreten ins Zeitalter der Menschen oder so. Wie kann man bei dieser Wackelpudding-Rhetorik Gegenwind produzieren?

Sicherlich nicht via Iglus und Jurten der Bewegung Occupy Davos mit einem kleinen Häuflein von zwanzig Schweizer Jung-Sozis, die sich den Hintern abfrieren und brav Flugblätter verteilen, die überhaupt nichts Revolutionäres enthalten: „Nieder mit den Finanzgeschäften“ oder „Unser Leben ist mehr als Eure Profite“ haut nun wirklich keinen Banker vom Sockel. Am Schluss winkt dann vielleicht eine Diskussionsrunde mit dem täglich meditierenden Davos-Häuptling Klaus Schwab zum Thema „Warum wir Euch brauchen?“.

Lasst euch vom Ungefährismus-Management nicht mehr verscheißern

Wir sollten uns einfach von den liebwertesten Gichtlingen des Establishments nicht mehr verscheißern lassen, sondern sie als das darstellen, was sie sind: schamlose Hohlköpfe mit einem unerträglichen Sendungsbewusstsein. Es sind Verkäufer von Nichtigkeiten, die sich in einem „organisatorischen Ungefährismus“ergehen, wie die Figur Johann Holtrop aus dem gleichnamigen Roman von Rainald Goetz. Bei jeder Nachfrage wird deutlich, dieser Middelhoff äh Holtrop weiß ja gar nichts. Im Konkreten wusste er nichts und bluffte dabei schamlos. In der Regel sind es keine Schurken großen Stils, sondern perfekte Organisatoren ihrer Top-Positionen. Sie denken an die blitzsaubere und gut geölte Effizienz der Belegschaft und an die Bonus-Zahlungen ihrer Fünfjahres-Verträge inklusive Abfindungsmodalitäten. Wäre es da nicht an der Zeit, ihr leeres Geschwätz und ihre Schaufenstergestaltung mit einer neuen APO zu entlarven?

Sattelberger ist gewillt, daran mitzuwirken. Nur durch eine starke zivilgesellschaftliche Bewegung würden wir das hinbekommen. Allerdings anders organisiert als vor 50 Jahren.

Diese neue, moderne, außerparlamentarische Opposition muss sowohl die digitalen wie die realen Räume nutzen, sie muss sich sowohl Denklabore durch streitbare öffentliche Debatten als auch Reallabore in Unternehmen, Hochschulen und anderen gesellschaftlichen Organisationen schaffen. Im Disput, in der Auseinandersetzung hoffentlich genauso rebellisch und innovativ, was die Verabschiedung alter Dogmen und Scheinsicherheiten anbetrifft. Ich halte jedenfalls nicht die Klappe.

, proklamiert Sattelberger.

Wir halten unsere Klappe schon lange nicht mehr und wollen das Thema in einem Netzökonomie-Campus Spezial beim Barcamp Arbeiten 4.0 der Bertelsmann(!)-Stiftung aufgreifen. Live und ungeschminkt am Mittwoch in einer Session, die wir ab 14 Uhr über Hangout on Air ins Netz übertragen. Hashtag für Twitter-Zwischenrufe #nöcbn

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Man hört, sieht und streamt sich bei der rebellischen Diskussionsrunde.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf The European.


Image (adapted) „Coffee Calls a Meeting“ by Keoni Cabral (CC BY 2.0)


 

ist Diplom-Volkswirt, lebt in Bonn und ist Wirtschaftsjournalist, Kolumnist, Moderator und Blogger. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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