Ein Arzt in den USA schreitet voran und veröffentlicht seine kompletten Gesundheitsdaten im Netz. Das ist ganz nach dem Geschmack von Wissenschaftlern, IT-Riesen und Versicherungen. In einem bemerkenswerten Meinungsartikel hat der US-amerikanische Arzt John D. Halamka von der Harvard Medical School verkündet, dass er seine gesamte Gesundheitsakte sowie seine kompletten Genom-Daten im Internet veröffentlicht hat. “Ich habe freiwillig meine Privatsphäre aufgegeben”, so Halamka. Und so kann man jetzt in seinen Daten herumschnüffeln und etwa nachlesen, dass Halamka Veganer ist, regelmäßig Vitamin-D3-Tabletten einnimmt, 2007 eine Pulsfrequenz von 53 hatte und sein Vater an Multipler Sklerose (MS) leidet.
Diese totale Transparenz, der sich der Mediziner und seine Familienmitglieder aussetzen, ist natürlich bewusst gewählt. Sie hätten ihre Daten deswegen “Open Source” gemacht, weil sie so zur Verbesserung des Gesundheitssystems beitragen, indem sie mit ihren Daten die klinische Forschung unterstützen. Vor Hackern, die auf kriminellem Weg an ihre Daten kommen, hätten sie keine Angst mehr, weil sie ohnehin schon öffentlich seien. Halamka prophezeit, dass sich die öffentliche Meinung wandeln werde – vom derzeitigen Geheimhalten von Gesundheitsdaten hin zum öffentlichen Teilen eben dieser.
Halamkas Entscheidung ist natürlich kontrovers – neben Finanzdaten gehören Gesundheitsdaten zu den sensibelsten Informationen über einen Menschen, die kaum jemand öffentlich einsehbar machen will. Dem US-Doktor jedenfalls schwebt eine Zukunft vor, in der Patienten eine schnellere und bessere Behandlung bekommen und in der Wissenschaftler in Echtzeit und mit Big Data an neuen Mitteln gegen Krankheiten forschen können – alles im Sinne des Gemeinwohls, versteht sich.
Apple erlaubt Forschern Zugriff auf iPhone-Daten
Neue Technologien wie Smartphones und Wearables, sowie dazugehörige Fitness- und Gesundheits-Apps wie Runtastic oder mySugr (eine App für Diabetiker), sorgen bereits heute dafür, dass medizinische Daten von Menschen sehr einfach und in Echtzeit gesammelt und ausgewertet werden können. Apple hat mit ResearchKit ein Open-Source-Projekt gestartet, das der Forschung ermöglichen soll, auf die Daten von freiwilligen iPhone-Nutzern zuzugreifen – in Kombination mit der Apple Watch könnten sie so nicht nur an zurückgelegte Strecken und “Self-Reporting”-Daten (bei mySugr etwa gibt der Nutzer selbst an, was er gegessen hat) herankommen, sondern an die digital erfasste Herzfrequenz oder an verbrauchte Kalorien. Apple sieht vor, dass der Nutzer selbst und vollkommen freiwillig mit seinen Daten an Studien teilnehmen kann und hegt kein direktes kommerzielles Interesse an den Nutzerdaten. ResearchKit ist in den USA bereits an verschiedenen Universitäten und medizinischen Einrichtungen im Einsatz, um etwa Parkinson, Diabetes, Asthma oder Brustkrebs näher zu erforschen.
Google wäre nicht Google, wenn es in dem Spiel um Gesundheitsdaten nicht auch mitspielen würde. Die bereits 2008 gestartete Plattform Google Health, bei der Nutzer ihre Gesundheitsdaten zentral verwalten konnten, schlug fehl und wurde drei Jahre nach dem Start wegen mangelndem Interesse wieder eingestellt. Doch Google gibt nicht auf: Mit Google Fit hat man Anfang des Jahres eine App auf Android-Handys gebracht, die Fitness-Daten des Nutzer sammeln soll. Vorgesehen ist auch, dass der Nutzer auf eigenen Wunsch hin seine Gesundheitsinformationen aus dieser App heraus an Dritte weitergeben kann – vielleicht einmal auch an Forschungseinrichtungen oder Ärzte.
Generali will Daten für neues Versicherungsmodell
Wo neue Daten in Fluss kommen, sind wirtschaftliche Interessen nicht weit entfernt. Ein Beispiel ist die Versicherungsgruppe Generali: Sie will im ersten Halbjahr 2016 ein “verhaltensbasiertes Versicherungsmodell” auf den Markt bringen, für das eine eigene App Daten zu Fitness, Lebensstil oder Ernährung sammeln und auswerten soll. Der Kunde, der die Versicherung abschließt, soll mit Rabatten und Gutscheinen belohnt werden, wenn er gesund lebt.
Daten- und Konsumentenschützer haben diese Privatversicherung auf Basis von Gesundheitsdaten bereits scharf kritisiert. Bernhard Matuschak vom österreichischen Verein für Konsumenteninformation (VKI) etwa schreibt:
Wer glaubt, ein gutes Geschäft zu machen, indem er seine persönlichen Daten gegen Gutscheine und Rabatte eintauscht, könnte sich gewaltig irren. Hinter dem Geschäft mit Daten steckt in vielen Fällen Abzocke. Konsumenten lassen sich allzu gerne mit einer lächerlichen Prämie für den persönlichen Datensatz abspeisen, die den wahren Wert nicht im Entferntesten wiedergibt.
Image (adapted) „NEC-Medical-137“ by NEC Corporation of America (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: Datenschutz, Forschung, Gesundheitsdaten, John D. Halamka, medizin, Open Data