Was Kalifornien vom deutschen ICE lernen kann

Wer schon einmal in den USA war, besonders in den Großstädten an der Ostküste und Kalifornien, wird seinen Freunden sofort erklären, dass dort alles mit dem Auto gemacht wird. Bei den Dimensionen von US-Großstädten geht das vielleicht auch nicht anders. Als eine Folge von diesem Mobilitätsverhalten ist es um das Eisenbahnnetz in den USA vergleichsweise schlecht gestellt. Anders in Deutschland, weshalb gerade das Hochgeschwindigkeitsnetz zum Vorbild für Kalifornien wird, das beim Versuch eine nachhaltigere Gesellschaft zu entwickeln, auch beim Thema Mobilität neue Wege geht.

Und in deutschen Zügen funktioniert das WLAN auch wirklich.” Für die Strecke Berln-Hamburg kann ich die Aussage von Ben Adler bestätigen, die er in seinem Artikel auf Grist.org tätigt. Ich fahre die Strecke jeden Monat ein paar Mal. Nicht immer funktionierte das WLAN, inzwischen ist es aber besser geworden. Es stimmt aber, dass die Fahr angenehm sanft ist. Adler vergleicht es mit einer Fahrt in einem Mercedes. Die etwas mehr als 90 Minuten Fahrt gehen wie im Flug vorbei, egal ob man arbeitet, schläft oder einen Film schaut. Und pünktlich ist der Zug auch, so gut wie immer. Kein Wunder also, wenn auch Kalifornier in diesen Genuss kommen wollen.

Der ICE als Inspiration für Kalifornien

Der US-Bundesstaat an der Westküste der USA möchte ein Hochgeschwindigkeitsnetz ähnlich dem in Frankreich und Deutschland aufbauen. Auf der über 800 Kilometer langen Strecke, die San Francisco mit Los Angeles verbinden soll, und später vielleicht bis Sacramento und San Diego erweitert werden könnte, sollen bis zum Jahr 2028 moderne Hochgeschwindigkeitszüge fahren, die zugleich Emissionen einsparen würden. Der Aufbau dieses Hochgeschwindigkeitsnetzes ist Teil der Bemühungen Kaliforniens, seine Gesellschaft nachhaltiger zu gestalten.

Doch es sind nicht die umweltpolitischen Bemühungen, die den größten Einfluss auf Kalifornien haben werden, sondern die stadtpolitische Herausforderungen. Anders als in Hamburg oder Berlin, in denen die Hauptbahnhöfe an das gut ausgebaute öffentliche Nahverkehrsnetz angeschlossen sind, müssen San Francisco und Los Angeles ihre Bahnhofsviertel umgestalten, damit die mehr als 38 Millionen Kalifornier den Zug nutzen und vom Bahnhof aus mit Fahrrädern, dem Nahverkehr oder sogar zu Fuß weiter kommen.

Ein Schnellbahnnetz ist mehr als Gleise und neue Züge

Der German Marshall Fund, eine US-amerikanische Stiftung zur Förderung der transatlantischen Beziehungen, hat in einem Bericht von Juni diesen Jahres die möglichen Lektionen der in Frankreich und Deutschland bestehenden Schnellbahnnetze für Kalifornien aufgezeigt. Einer der wichtigsten Punkte war, dass Hochgeschwindigkeitszüge nur größere Städte miteinander verbinden und nicht zu viele Zwischenstopps haben sollten. Die Haltepunkte sollten laut dem Autor Eric Eidlin auch über alternative Verkehrsmittel verfügen.

Kalifornien sollte die wirtschaftliche Entwicklung und Zugangsherausforderungen berücksichtigen, die französische Städte wie Aix-en-Provence und Avignon mit stadtnahen und dezentralen Haltepunkten erlebt haben. Dankenswerterweise hat Kalifornien die kluge Entscheidungen getroffen, Haltestellen für Hochgeschwindigkeitszüge nur in zentralen Städten zu bauen.

Beim Bau von Haltestellen müssen nicht nur bauliche Anforderungen beachtet werden. Die Gegend um den Bahnhof, am dem die Reisenden dann ankommen, muss im Gegensatz zur Umgebung eines Flughafens, auch attraktiv gestaltet sein. Neben Wohnungen braucht es Geschäfte und Bürogebäude. Dies könnte laut Eidlin gerade die Entwicklung der kalifornischen Stadtzentren vorantreiben und sich positiv auf die Wirtschaft auswirken.

Rückgrat für ein umfassendes System nachhaltiger Mobilität

Eine Gesellschaft mit niedriger Emission zu sein ist das Ziel Kaliforniens, ein Netz mit Hochgeschwindigkeitszüge ist ein wichtiger Teil davon. Doch Kalifornien muss auch seine Gemeinden zwischen und um den Haltestellen entwickeln und in das Konzept miteinbeziehen. Los Angeles arbeitet schon daran, andere kalifornische Städte müssen diesem Vorbild folgen, wie Adler schreibt. Oder wie es auch Eidlin in seinem Bericht schreibt: “Damit ein Schnellbahnnetz seine Versprechen gegenüber den 38 Millionen Kaliforniern und Investoren hält, muss das Vorhaben als ein Rückgrat für ein umfassendes System nachhaltiger Mobilität in Kalifornien designt sein.


Teaser & Images “ICE” by KarinKarin (CC0 Public Domain)


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ist Coworking Manager des St. Oberholz und als Editor-at-Large für Netzpiloten.de tätig. Von 2013 bis 2016 leitete er Netzpiloten.de und unternahm verschiedene Blogger-Reisen. Zusammen mit Ansgar Oberholz hat er den Think Tank "Institut für Neue Arbeit" gegründet und berät Unternehmen zu Fragen der Transformation von Arbeit. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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