Dirk Herzbach, CEO des Next Media Accelerators in Hamburg, spricht in einem spannenden Interview über die Chancen von Medien-Startups. Sie heißen Blendle, LaterPay oder De Correspondent und sind auf der europäischen Startup-Landkarte noch ziemlich in der Minderheit: Medien-Startups. Um das zu ändern, ist im August der Next Media Accelerator in Hamburg gestartet und hat eine ganze Reihe an großen Namen aus der Medienbranche davon überzeugen können, den ersten Fonds zu finanzieren. Mit dabei sind als Investoren bzw. Partner die dpa, Axel Springer, Gruner & Jahr, Die Zeit sowie Facebook, Google, Twitter und Amazon.
Als Geschäftsführer fungiert Dirk Herzbach, der die Startups platzda.de, homewhere.io und UmzugEasy gründete und außerdem das YouIsNow Lab für Immobilienscout24 und den E.ON:agile Accelerator umgesetzt hat. Beim Mediencamp 2015 war Herzbach in Wien und hat TrendingTopics.at ein Interview gegeben.
Jakob Steinschaden (JS): Beschreiben Sie mal in kurzen den Next Media Accelerator, worum geht es da?
Dirk Herzbach (DH): Unser Startup-Förderprogramm dreht sich rund um mediennahe Geschäftsmodelle, wobei wir das nicht nur auf News beschränken. Es kann also auch eine B2B-Software sein, die man als Konsument überhaupt nicht sieht, oder ein Marktplatz für Influencer. Wir nehmen Startups auf, versorgen sie mit Geld, Mentoren und Kontakten in die Industrie und helfen ihnen in einem Sechs-Monats-Programm, schnell und stark zu werden.
JS: Wie viel Geld bekommen die Startups?
DH: Wir geben für zehn Prozent der Firmenanteile 50.000 Euro her, also bei einer Bewertung von 500.000 Euro. Wir vergeben das pauschal, weil wir nicht jedes Mal diskutieren wollen, ob das Startup jetzt 700.000, 500.000 oder 300.000 wert ist. Startups, die mit den 50.000 Euro nichts anfangen können , weil sie vielleicht schon Umsatz haben, aber von unserem Netzwerk profitieren wollen, können uns drei Prozent geben und trotzdem mitmachen, um das Netzwerk und die Mentoren zu nutzen.
JS: Wie sollten die Teams, die der Accelerator aufnimmt, aufgestellt sein?
DH: Ganz wichtig sind komplementäre Skills. Am besten einer, der Business kann, einer der das Produkt versteht und User Experience kann, und ein Techie. Was wir nicht gerne sehen, sind Startups, die mit externen Agenturen arbeiten. Der Idealfall ist, dass das Team das Produkt alleine am Mond entwickeln und auf den Markt bringen könnte. Die Idee ist viel weniger wert als das Team, das Team muss uns versichern, dass sie zu diesem Zeitpunkt in der Konstellation morgen die Welt rocken können, wenn sie morgen starten.
JS: Für das sechsmonatige Programm muss man nach Hamburg kommen. Was passiert dort genau?
DH: Wir suchen europaweit Startups, Pflicht ist aber, nach Hamburg zu kommen. Das Programm findet im Betahaus, also mitten in der Hamburger Startup-Szene, statt. Man kriegt ein Büro, Internet, und zu Beginn Workshops zu grundlegenden Dingen wie Firmengründung oder Urheberrecht. Dann diversifizieren wir das Programm, wir haben etwa 100 Mentoren, die von Datenbanktechnologie über Pitch-Training bis hin zu Storytelling in allen Bereichen des Startup-Lebens helfen können. Die wichtigsten Veranstaltungen sind die Demo-Days, wo man potenziellen Investoren seine Idee und seinen Fortschritt zeigt. Nach sechs Monaten geht es dann um die Wurst, nämlich um eine Anschlussfinanzierung.
JS: Welche Startups sind bis dato aufgenommen worden?
DH: Zum Beispiel Spectrm aus Berlin, die machen einen kuratierten Newsfeed über WhatsApp, wo ein Redaktions-Team zu bestimmten Themen oder sogar zu bestimmten Autoren einmal am Tag eine Nachricht mit den fünf wichtigsten Stories schickt. Das zweite ist AdTriba, die machen Attribution-Modelling als Software-As-A-Service und können Werbern damit sagen, über welche Kanäle es sich lohnt, mehr oder weniger Werbe-Budget auszugeben. Das dritte ist Spotgun aus Stuttgart, die einerseits eine Second-Screen-Quiz-App und andererseits eine Software, die Werbespots erkennen kann. Und das vierte und letzte Startup ist Nqyer, ein Marktplatz für Influencer-Marketing. Dort können Brands Instagrammer, Facebooker und YouTuber finden, die dann für die Brands als Testimonials arbeiten. Nqyer haben in Deutschland schon ein paar hundert Influencer auf der Plattform. Diese vier illustrieren ganz schön, welche Bandbreite wir haben.
JS: Welche Kriterien sind die wichtigsten für eine Aufnahme in den Accelerator?
DH: Wir schauen vor allem, ob wir ihnen helfen können. Es geht gar nicht so sehr darum, ob wir an ihre Idee glauben, sondern wir haben in unserem Investorennetzwerk große Verlage wie Axel Springer, Gruner & Jahr, Spiegel oder Zeit dabei, die unterschiedlichste Interessen haben. Klar wenn ein Startup mit Hardware oder einem Health-Thema kommt, schicken wir es weiter, aber alles, was den Strategien unserer Investoren hilft, wird zumindest angeschaut.
JS: Welche Erwartungen stellen die investierten Medienhäuser an den Accelerator?
DH: Es gibt zwei Motive: Einerseits der Return of Investment, wobei denen klar ist, dass wir bei diesen Ticketgrößen nie vor das Komma bei deren Umsatzzahlen kommen werden, aber die wollen schon Geld damit verdienen. Das zweite Wichtige ist: Die wollen sehen, was geht. Wir schauen ja jedes Jahr in ein paar Hundert Startups rein und sehen neue Geschäftsmodelle und neue Ideen. Auch wichtig ist, dass Leute aus den Verlagen kommen und direkt mit den Startups zusammenarbeiten, da entstehen Kooperationen, da wird ausprobiert. Und last but not least: Die Medien kommen natürlich auch als strategische Investoren in Frage.
JS: Haben die Medienhäuser ein Vorkaufsrecht?
DH: Wir als Fonds haben ein Recht aufs sogenannte “first refusal”, wir könnten also noch eine Runde weitergehen, bevor jemand anderer einsteigen kann.
JS: Der Next Media Accelerator ist im August 2015 gestartet, also zu einem Zeitpunkt, an dem der Druck auf die Medienbranche so hoch wie selten zuvor war. Soll der Accelerator der Rettungsanker für die Branche werden?
DH: Das ist oft über uns geschrieben worden, und es würde uns freuen, wenn durch uns jemand seinen etablierten Verlag oder alte Geschäftsmodelle retten kann. Das ist aber nicht unsere Intention. Wir sehen Riesenchancen für neue Geschäftsmodelle und Produktideen im Medienumfeld, weil alle geilen Content am besten den ganzen Tag wollen. Wir haben einfach Bock darauf, in dem Bereich neue Dinge zu entdecken, und mit etwas Glück funktionieren diese Dinge dann auch. Unsere Motivation ist nicht, der Rettungsanker zu sein.
JS: Wenn Sie konkret an Digitaljournalismus denken: Welchem Geschäftsmodell geben Sie mehr Chancen, der Werbefinanzierung oder Paid Content?
DH: Schwer zu sagen. Ich würde es nicht an den Geschäftsmodellen festmachen. Ich möchte Produkte sehen, die das beste Nutzererlebnis bieten, vielleicht sogar über mehrere Geschäftsmodelle hinweg. Die müssen so gut sein, dass sie den User ownen und er sie freiwillig seinen Freunden weiterempfiehlt. Der Schlüssel ist immer die Nutzererfahrung. Wir wollen immer feststellen, ob das Produkt den Nutzer auch noch morgen fesselt und sie ständig das Handy rausholen, um es noch Mal zu benutzen.
JS: Beim Thema Freunde sind wir auch gleich bei Facebook. Online-Medien geraten immer mehr in ein Abhängigkeitsverhältnis zu dem Social-Network, weil von dort immer mehr Traffic kommt und es gleichzeitig ein Konkurrent der Medien am digitalen Werbemarkt ist. Sehen Sie das Problem als Problem im Startup-Bereich, wo es kaum mehr Ideen gibt, die nicht auf Facebook aufbauen?
DH: Ich finde es schade, dass es so weit gekommen ist. Zuerst war Facebook ja so ein Ding zum Fotos herzeigen, ist dann aber zu einer Login-Maschine für alle möglichen Dienste geworden. Dadurch hat Facebook die Messpunkte bekommen, um herauszufinden, was die Leute interessiert. Ich glaube aber immer noch, dass es gelingen kann, Produkte außerhalb von Facebook zu machen, die anders als ein blau umrahmter News Feed funktionieren. Ich würde immer nach etwas suchen, dass Standalone ohne Facebook funktioniert. Schnell kopierbare Dinge werden alle zu Facebook wandern.
JS: Welche Medien-Startups finden Sie derzeit besonders spannend?
DH: Eines ist Blendle, weil die genau in die richtige Richtung gehen. Mir gefällt die Idee, für einen Artikel einen fairen Preis zu bezahlen. Die machen einiges richtig.
JS: In den USA setzen sich derzeit besonders Vice, Buzzfeed und Vox Media im Digitalbereich durch. Alle drei setzen stark auf Native Advertising und bedienen Werbekunden mit Inhouse-Agenturen. Ist das der Weg, den man heute gehen muss?
DH: Die schaffen es auf jeden Fall, den richtigen Content zu bauen, wenn der nicht gut wäre, würde ihn keiner anschauen. Ich finde es schade, dass sich ganz viele Player von so einem Weltverbesserungsmotiv leiten lassen und sagen, dass die Welt ein besserer Ort wird, wenn sie diesen total neutralen, lehrbuchartigen Journalismus machen, aber dann in vielen Fällen nur Fakten vermitteln. Natürlich ist neutraler Journalismus wichtig, aber die von Ihnen genannten Medien zeigen, dass man Themen, die komplexer sind, auch knackig hinkriegt. Dort, wo die Nutzer landen, zeigt einen, was Sache ist, und da muss man sich hin entwickeln. Ob diese rein durch Monetarisierung getriebenen Modelle das Richtige sind, glaube ich auch nicht.
Teaser & Image “Dirk Herzbach” by Next Media Accelerators .
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