“Wir sind nur noch menschliche Selfie-Sticks” klagen sie – Ehemänner, die von ihren eigenen Frau für deren Instagram-Fotos ausgenutzt werden. Was ist dran am Vorwurf?
Die Frauen sind eindeutig die Stars von Instagram. Ihre Profile erhalten oft mehr Klicks als die von Männern. Mit diesem Trend scheint sich ebenfalls ein neues Phänomen zu entwickeln: Die Instagram-Ehemänner. Sie beklagen sich darüber, dass sie von ihren Eherauen lediglich als menschliche Selfie-Sticks gesehen werden und nur dazu da sind, um ihre Frauen auf Instagram in Szene zu setzen. Diese Männer haben sich nun auf der Seite instagramhusband.com zusammen getan, um auf ihr leidendes Dasein aufmerksam zu machen. Müssen wir diese Klagen tatsächlich ernst nehmen? Sind wir Frauen tatsächlich dominierende Instagram-Furien? Marinela Potor, Onlinejournalistin mit einem “Instagram-Freund” hat sich diesen Fragen gestellt.
Nach so vielen Jahren im Internet dürfte einen ja eigentlich nur noch sehr wenig überraschen. Von Videos mit Katzen, die Klavier spielen über Twitteraccounts von Jennifer Lopez‘ Hinterteil bis hin zu Unsterblichkeits-Utensilien – ich dachte, ich hätte schon so ziemlich alles gesehen. Bis ich vor Kurzem auf die Seite der frustrierten Instagram-Ehemänner gestoßen bin. Diese armen Männer der Schöpfung zeigen, was für ein trauriges Dasein sie hinter ihren Smartphones fristen – weil sie Fotos von ihren viel berühmteren und erfolgreicheren Instagram-Ehefrauen schießen müssen.
Ich kann mich ehrlich gesagt noch immer nicht ganz entscheiden, ob ich an dieser Stelle Mitleid mit diesen armen Ehemännern haben sollte, die zu Sklaven der Berühmtheit ihrer Frauen werden, ob ich einfach nur über diese humorvolle Kampagne lachen sollte oder ob dies eine neue erfolgreiche Entwicklung im Feminismus aufzeigt, in der die Frauen den Männern endlich mal sagen, wo es lang geht oder. (Wobei ich in diesem Punkt noch Zweifel habe, denn offensichtlich schlagen die Ehemänner aus ihrem Leiden auch ganz schön Kapital und die neue Netflix-Serie “Desperate Instagram Husbands” ist wahrscheinlich schon in Arbeit.) Grund genug, sich dieses Phänomen einmal genauer anzusehen.
Sind wir nicht alle ein bisschen Instagram-Husbands?
Während ich mich also durch die Fotos der Instagram-Ehemänner klicke, wird mir auf einmal schlagartig bewusst: Moment Mal, ich erkenne mich hier irgendwie doch sehr stark wieder! Ich habe zwar weder einen Instagram-Account noch einen Ehemann, veröffentliche aber sehr viel fürs Internet und habe einen Freund. Und wenn ich ganz ehrlich bin, legen wir doch ein Rollenverhalten an den Tag, das den Situationen in dem Video sehr ähnelt: Ich jage den Geschichten hinterher, mein Freund jagt mir mit der Kamera hinterher, stets meinen Anweisungen folgend. Die Parallelen sind ein wenig erschreckend. Habe ich mir etwa ebenfalls einen Instagram-Freund herangezüchtet?
Beispiel Eiskaffee
Als ich an einem Artikel für die Netzpiloten über meine Twitter-Sucht arbeitete, wollte ich ein Foto von meiner Eisschokolade auf Twitter posten. Doch irgendwie war besagte Eisschokolade allein nicht so fotogen. Daraufhin schnappte ich mir also auch noch den Eiskaffee meines Freundes, schubste ihn selbst zur Seite (er sollte ja nicht das Fotodesign stören) und verbrachte bestimmt knappe 10 Minuten damit, die beiden Getränke zu knipsen. Als er endlich wieder an seinen Platz durfte, hatte sich sein Eis komplett aufgelöst.
Beispiel Sandalen
Ich schreibe ebenfalls für ein Modeblog und hatte mir in den Kopf gesetzt, einen Artikel zu meinen neuen griechischen Sandalen zu posten. Selbstverständlich musste dazu ein Foto her. Ich drückte kurzerhand meinem Freund die Kamera in die Hand: “Mach mal!” Ich erinnere mich dunkel, dass mein Freund protestierte, weil er gerade mitten in einem wichtigen Arbeitsprozess war, aber was konnte an dieser Stelle wichtiger sein, als ein Foto von meinen Sandalen? Wir probierten es also mit Posen auf den Treppen, Fotos von oben, Fotos, in denen mein Freund auf dem Boden herumrobbte und schließlich Fotos im Garten. Als wir endlich einen guten Winkel entdeckt hatten, passte das Licht nicht. Geschlagene 30 Minuten später hatten wir endlich das Foto im Kasten. Mein Freund musste im Endeffekt seinen gesamten Arbeitsprozess von vorne beginnen – aber wir hatten ein gutes Foto geschossen!
Beispiel Feuerwerk
Ich hatte es mir in den Kopf gesetzt, Fotos zu einem Feuerwerk-Wettbewerb auf meinen Blog zu posten. Da wir dies das vorige Mal ziemlich versemmelt hatten, war ich diesmal bestens vorbereitet. Kamerabatterie war geladen, ich hatte Gartenstühle und Decken im Gepäck und wir waren eine Stunde vorher angekommen, um einen guten Platz zu erwischen. Sobald es dann losging musste mein Freund wieder als Fotograf herhalten. Jedes Foto wurde von mir sofort begutachtet: “Schatz, da stimmt das Licht nicht… Das da ist total verschwommen… Drück doch früher auf den Auslöser… Warum schaltest du nicht in den Nachtmodus?”. Nach 40 Minuten Fotografieren war ich endlich zufrieden – mein Freund konnte noch ganze fünf Minuten Feuerwerk ohne Knipserei genießen.
Die Gesellschaftskritik der Instagram-Ehemänner
Nach diesen Beispielen werde ich doch etwas nachdenklich. Sind die Instagram-Ehemänner tatsächlich ein emblematisches Problem in unserer Gesellschaft? Richten wir Frauen tatsächlich unsere Partner dazu ab, unseren Ruhm fotografisch in Szene zu setzen, ohne dabei Rücksicht auf ihre Gefühle und Wünsche zu setzen? Angesichts der Tatsache, dass Frauen tatsächlich mehr Erfolg mit ihren Fotos auf Instagram, Twitter oder auf Blogs wie Tumblr haben, werden Männer tatsächlich nur noch als menschlicher Selfie-Stick betrachtet? Diese Sichtweise ist sicher ein wenig überspitzt. Aber die Klagen der Instagram-Ehemänner weisen uns auf einige wichtige gesellschaftliche Punkte hin:
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Virtuelle Realität ist inszenierte Realität.
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Es gibt ein Machtverhältnis zwischen Fotografen und Fotomodellen.
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Wer nur in einer Inszenierung lebt, verliert oft den Kontakt zu den Mitmenschen in seiner unmittelbaren Umgebung.
Das Phänomen der virtuellen Inszenierung unseres Lebens ist nichts Neues. Schon vor dem Internet wurden Fotos als Inszenierung erkannt und als solches vor allem in der Werbe- und Modeindustrie bewusst genutzt. Während uns aber bei einem Blick auf Hochglanzmagazine mittlerweile klar ist, dass hier vor allem Photoshop am Werk ist, wirken die Instagram-Fotos oft wie eine spontane Situation, ein Schnappschuss im Vorbeigehen. Doch das ist ein Trugschluss. Denn an guten Instagram-Fotos ist genau so wenig spontan wie realistisch.
Auch die Tatsache, dass sich dies geschlechterspezifisch in “Männer als Fotografen” und “Frauen als Fotomodell” teilt, ist so alt wie die Modeindustrie selbst und in dieser Branche sind es sicherlich nicht die Models, die den Ton angeben. Auch wenn die strikte Geschlechteraufteilung in Mann und Frau immer mehr aufgebrochen wird, in der Modebranche stehen aktuell immer noch mehr Frauen vor der Kamera und deutlich mehr Männer hinter der Kamera. Das hat weniger mit Instagram-Ehemännern zu tun, als mit der Werbeindustrie. Frauen können Produkte einfach besser verkaufen als Männer.
FeministInnen argumentieren daher auch, dass derjenige, der die Frau auf dem Foto betrachtet (durch die Linse oder auf dem Instagram-Account), die eigentliche Macht hat. Wenn sich dieses Machtverhältnis tatsächlich durch die energetischen Instagram-Ehefrauen verschieben sollte, beklagen die Heul-Ehemänner also eigentlich nur den Verlust ihrer Macht wie ein Fünfjähriger, dem man gerade seinen Lolli weggenommen hat.
Dennoch ist ihre Klage über ein ständiges Inszenieren unseres Alltags für die sozialen Netzwerke ernst zu nehmen. Ich bin nicht sicher, ob Frauen mehr darum bemüht sind gut in den Sozialen Medien auszusehen als Männer, aber in diesem Punkt sollten wir alle vielleicht doch auf die Instagram-Ehemänner hören: Wer sich zu sehr in seinen Foto-Inszenierungen verliert, schafft eine künstliche Welt, die wenig mit den Menschen in der unmittelbaren Umgebung zu tun hat und sogar enge Beziehungen zerstören kann.
Was können wir also von den quengelnden Instagram-Ehemännern lernen?
So überzogen die Instagram-Pantoffelhelden auch sein mögen, es gibt zwei Dinge, die wir von ihnen lernen können.
Erstens: Frauen (und Männer,) wenn ihr merkt, dass eure Beziehung sich vorwiegend um Fotos dreht, lasst mal ab und zu die Kamera Kamera sein und genießt einfach das Zusammensein mit eurem Partner. Zweitens: Instagram-Ehemänner, habt euch nicht so!
“Photo” by Zukiman Mohamad (CC0 Public Domain)
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Schlagwörter: blogger, blogs, Ehemann, Fotografieren, Fotos, instagram, Selfies, Social Media
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