Der Journalismus steckt in einer existenziellen Krise: Die Erträge der Nachrichteneinrichtungen sind innerhalb der vergangenen zwei Jahrzehnte ins Bodenlose gefallen, und noch immer ist kein wirkliches Geschäftsmodell in Sicht, um Nachrichten auch im digitalen Zeitalter aufrechtzuerhalten.
Im letzten Teil unserer Serie über Geschäftsmodelle für die Nachrichtenmedien betrachtet die Journalistin und Akademikerin Angela Phillips die Möglichkeit des Crowdfundings und wie es zukünftige Nachrichtenprojekte finanziell unterstützen könnte.
In Schottland gibt es Pläne für eine neue Sportzeitung. Die angekündigte Zeitschrift soll wöchentlich erscheinen und Kolumnen von Prominenten wie der Tennistrainerin Judy Murray und dem Footballexperten Pat Nevin beinhalten. Um die erste Ausgabe im Mai zu veröffentlichen, sind lediglich 50.000 britische Pfund nötig, die aus Crowdfunding-Beiträgen bis zum 25. Februar zusammenkommen sollten. Von einer Gruppe schottischer Journalisten entwickelt und auf der Nachrichtenseite AllMediaScotland präsentiert, garantiert das Projekt ein Exemplar der ersten Ausgabe für jeden Unterstützer als Belohnung für ihren Beitrag.
Die Verwirklichung des Projekts scheint unwahrscheinlich. Zwar sehen viele im Crowdfunding das Potential, Journalismus für die Zukunft denkbar zu machen; allerdings hat die Scottish Sports Weekly bis zum Stichtag nur 211 Unterstützer gefunden, die insgesamt knapp 10.000 £ beitragen hätten, seit das Vorhaben Ende Januar angekündigt wurde. Der zugehörige Twitter-Account (der mittlerweile gelöscht ist, Anm. Netzpiloten-Redaktion) zählte gerade mal 1.200 Follower.
Crowdfunding erfordert eine große Anzahl an Menschen, die bereit sind, in eine Idee zu investieren. Die erfolgreichsten Projekte beinhalten meist ein Produkt, sodass man schlicht im Voraus zahlt, bevor es tatsächlich entwickelt und geliefert wird. Zugegeben, das war wohl auch der Plan hinter dem Vorschlag aus Schottland. Allerdings hätten sie wohl bestenfalls erwarten können, dass sich durch die Beiträge der Unterstützer eine Datenbank aufbaut, die den Grundstein für einen Abonnentenstamm legen könnte. Ohne die Unterstützung der schottischen Zeitungen, die das Projekt eher als Konkurrenz ansehen dürften, lag es beim Entwicklerteam, möglichst hohe Wellen zu schlagen.
Lichtblicke
Es gibt vereinzelte Beispiele von erfolgreichen journalistischen Projekten, die als Start-Ups durch Crowdfunding finanziert wurden. So wurde die niederländische Newsseite Der Correspondent mit einem durch Crowdfunding gesammelten Betrag von 1,7 Millionen US-Dollar (umgerechnet ca. 1,2 Mio. britische Pfund oder 1,55 Mio. Euro) gestartet, was es der Firma ermöglichte, renommierte Journalisten einzustellen. Aus den 19.000 Unterstützern wurden schnell 28.000 Abonnenten und binnen eines Jahres wurde die Webseite zu einem praktikablen Modell, welches sich über Abonnements und Paywalls finanzieren konnte. Mittlerweile ist die Newsseite ein etablierter Bestandteil der niederländischen Medienszene.
Nichtsdestotrotz bestätigt diese berühmte Ausnahme hier wieder einmal die Regel. Der Correspondent traf auf ein Medienfeld, das reif für etwas Neues war. Zudem bekam die Zeitschrift von Anfang an Unterstützung und das Crowdfunding sollte von Beginn an nur die Gründung der Zeitschrift unterstützen – was das spätere eher klassische Finanzierungsmodell erklärt.
Eine weitere Crowdfunding-Initiativen in diesem Bereich ist die von The Bristol Cable, einer englischen Lokalzeitung und Website, die von 600 Anteilhabern mit je 2,50 Pfund pro Monat “finanziert” wurde. Seit der Gründung im Jahr 2014 ist die Zeitung eine beliebte, unabhängige Stimme in der lokalen Nachrichtenwelt, welche meist von großen Ketten dominiert wird, die ihren journalistischen Ehrgeiz aus Kostengründen zurückfahren.
Dennoch reicht das Crowdfunding nicht aus, um die Lohnzahlungen zu decken. Die Bristol-Journalisten arbeiten allesamt ehrenamtlich, gemäß der Tradition der radikalen Lokalzeitungen der 70er Jahre, die in lokalem Enthusiasmus aufblühte, um kurz darauf wieder zu vergehen. Langfristig ist die einzige zukunftsfähige Finanzierungsmöglichkeit für The Bristol Cable wohl das Abdrucken von Werbeanzeigen im Magazin. Wie Christopher Thomson, der Geschäftsführer des Verlags DC Thomson, dem Mehrheitsausschuss im britischen Oberhaus im Jahr 2013 mitteilte, macht digitale Werbung nur fünf bis zehn Prozent der Einnahmen seiner Lokalzeitungen aus. Lokalnachrichten sind typischerweise noch immer auf die Printausgaben angewiesen.
Das wahrscheinlich größte Experiment im britischen Crowdfunding bisher stellt das Mitgliedschaftssystem von The Guardian dar. Die Zeitung, die sich hauptsächlich aus Werbeeinnahmen und Treuhandfonds finanzierte, startete sein Mitgliedschaftssystem bereits 2014, um damit die jährlichen Verluste zu minimieren und die Nachrichtenorganisation zurück auf den richtigen Kurs zu holen. Laut Business Insider haben sich in den ersten sechs Monaten 35.000 Menschen registriert (Guardian.com erreicht täglich ca. 8 Millionen Menschen). Die Guardian Media Group hat kürzlich ihren Verlust von £100 Millionen innerhalb des letzten Jahres offengelegt, was einer Einsparung im Personalbereich von ca. 20% entspricht. Offensichtlich ist ein nachhaltigerer Einkommensfluss nötig, als die Spenden von besorgten Mitgliedern der Öffentlichkeit erzeugen.
Finanzierungsgeschichten
Wenn es um das Finanzieren individueller journalistischer Projekte ging, zeigte sich Crowdfunding allerdings ein wenig ergiebiger. Eine Reihe von Crowdfunding-Plattformen, wie beispielsweise Kickstarter, haben hierfür eigene Bereiche, während sich Seiten wie Byline voll und ganz dem einen Zweck widmen. Eine Analyse von journalistischen Kickstarter-Projekten der amerikanischen Forschungseinrichtung PEW bezifferte den Betrag an finanzieller Unterstützung auf 1,7 Millionen Dollar im letzten Jahr. Der Großteil davon ging für eine spezifische Recherche an einzelne Journalisten. 22% erhielten etablierte Organisationen, wie die durch Fonds finanzierte Einrichtung ProPublica, um spezielle Projekte zu ermöglichen.
Eine akademische Erhebung der amerikanischen journalistischen Crowdfunding-Website Spot.us suchte nach den Projekten, die am bereitwilligsten unterstützt werden. Dabei kam man zu dem Ergebnis, dass Spenden vor allem an “ausgewählte Themen” gehen, die “für die Unterstützer in ihrem Alltag von unmittelbarem Nutzen” waren. Besonders, wenn sich diese mit dem Gesundheitswesen oder der städtischen Infrastruktur auseinandersetzten. Leider musste Spot.us dennoch vor einem Jahr aussteigen.
Wenn Crowdfunding also nur eine relativ begrenzte Möglichkeit bietet, eine Art “Wachhund-Journalismus” zu unterstützen, der ein kritisches Auge auf die Mächtigen des Landes und der Welt wirft, ist eine Finanzierung auf anderem Wege erforderlich. Wir leben in einer Zeit, in der die klassische Finanzierung durch sinkende Zeitungsverkäufe und Werbeeinnahmen immer schwieriger wird. Paywalls und gebührenpflichtige Inhalte stellen bei größeren Onlinepublikationen eine vielversprechende Finanzierungsform für den Weg in die Zukunft dar. In Amerika beinhalten mittlerweile mehr als ein Drittel aller Nachrichtenseiten Paywalls.
Ein neues Experiment ist die Aufteilung der Abonnements in Kleinstbeträge (Micropayments). Sie könnten für Nachrichten die Bedeutung bekommen, die Spotify inzwischen für Musik hat. Beispiele sind die niederländische Seite Blendle, die von der New York Times und Axel Springer finanziert wird, oder Piano Media, welche in Osteuropa aktiv sind. Ob dem umstrittenen Scottish Sports Weekly irgendetwas davon helfen hätte können, muss an anderer Stelle behandelt werden. Aber eines ist im heutigen digitalen Zeitalter so sicher wie in der grauen Vorzeit der Druckerpresse: Guter Journalismus ist nicht umsonst.
Dieser Artikel erschien zuerst auf “The Conversation” unter CC BY-ND 4.0. Übersetzung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion.
Image “Newspaper” by bykst (CC0 Public Domain)
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