Untertauchen und sich dann von einer riesigen Meute suchen lassen – das ist ein Stoff, den man eigentlich nur aus Filmen kennt. Wie es sich wohl anfühlen mag, überlegte Evan Ratcliff – Autor beim US–Magazin Wired – und beschloss, es einfach einmal auszuprobieren.
Am 14.Oktober verkündete er auf der Webseite des Magazins:
I’m going missing. I’m leaving behind friends, family, and everything familiar, and I’m challenging you to find me. If you do, you’ll win $5,000 and get your picture in Wired.
Starting August 15, I will try to stay hidden for 30 days. Not even my closest friends or my editors will know where I am. I’ll remain in the US and will be online regularly. I will continue to use social networking sites like Facebook and Twitter, and I’ll make cell phone calls. I’ll generally stay in the kind of social environment I like to live in (no hiding in a cabin in Montana), and I’ll keep track of my pursuers, searching constantly for news about myself.
Dazu gab es Fotos von Ratcliff, Angaben über sein Aussehen, seine Vorlieben. Und los ging es – auf Flucht.
Bei Wired ist jetzt ein recht ausführlicher und ziemlich spannender Bericht erschienen – über Ratcliffs Flucht und die Strategien seiner Häscher. Und das waren nicht wenige: Bis zu 600 Twitter–Nachrichten pro Tag gab es zu Ratcliffs Jagd, Privatdetektive und Hacker hefteten sich an seine tatsächlichen und digitalen Fersen. Ratcliff beschreibt, wie er sich Prepaidhandys kauft, mit falschen Namen hantiert, beim Anblick von Helikoptern nervös wird. Seine Jäger verfolgen seine FedEx–Pakete, durchwühlen das Netz nach jeder noch so kleinen Information über ihn. Sie bastelten Facebook–Applications, um ihn zu fangen, wussten, wohin er geflogen war, noch bevor er den Flughafen verlassen hatte, verfolgten die IP–Adressen, von denen aus er sich ins Netz einwählte. Ohne das Ende schon verraten zu wollen – eine absolut spannende Geschichte.
Und nicht unpolitisch – erwähnt Ratcliff doch immer wieder, wie schwierig es seit 9/11 geworden sei, sich anonym zu bewegen. Immer und überall, so schreibt er, würde ihm die Frage gestellt, ob er sich bitte ausweisen könne. Und dokumentiert mit seinem Experiment auch darüber hinaus auf schockierende Art und Weise, wie schwer es ist, im digitalen Zeitalter zu verschwinden – wenn eben genügend Leute nach einem suchen.
Die Tatsache, dass Ratcliff sich einen neuen Twitter– und Facebookaccount zugelegt, ja, überhaupt das Netz genutzt hat, hat die Suche nach ihm vereinfacht. Ratcliffs Kollege Nicolas Thompson erklärt dazu aber auf wired.com noch einmal, warum Ratcliff während seines Verschwindens nicht digital abstinent war – weil er es im echten Leben eben auch gerne tut. Und natürlich, um es spannender zu machen.
Eine grandiose Geschichte! Chapeau, Mr. Ratcliff!
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Schlagwörter: Datenschatten, Datenschutz, Flucht, wired
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