@RobGreen wird verkauft!

Erst am Jahresanfang verkaufte Robert Basic sein Blog für fast den gleichen Betrag. Nun ist der twitter-account dran. Seine Begründung: Für das neue Projekt buzzriders braucht er Geld. Denn die Mission „Lokales“ soll nun aus der Konzeptionsphase langsam in die Konstruktionsphase überführt werden. Da sind dann eine Menge redaktionelle, technische und organisatorische Hürden zu überwinden. Das geht mit Geld deutlich besser. Vom 18. bis 29.12 kann mitgeboten werden. Der Käufer kann sich als philantropischer Unterstützer eines der vielen Webprojekte fühlen, die nun das Licht Welt erblicken.

Soweit, so gut. Aber twitter hat doch den Verkauf von seinen accounts ausdrücklich in seinen terms of use verboten. Und wer zahlt überhaupt Geld für die 5000 Follower? Christian Sickendieck(fixmbr) ist not amused. Er hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass der Erfolg von basicthinking auf der subjektiven und sehr persönlichen Weltsicht von Robert basierte. Die Themen waren öfter mal unwichtig oder gar übertrieben gehyped, aber das Spannende war und ist es noch bei vielen anderen Bloggern, dass eine Person eine eigene Stimme formuliert. Der Leser hat dann eine Chance, den Horizont eines Anderen einzunehmen und Bekanntes und Aktuelles aus der Sicht seiner Lieblings- oder Hassblogger zu betrachten. Insofern ist ein Blog eine Substanz auf deren Oberfläche viele twitter-accounts mit ihren tweets siedeln können, wenn es nicht all zu glatt zugeht.


Diese bakterielle Besiedlung durch twitter verkraften gute Blogs durchaus. Denn dass die Kommentare nun zu tweets werden, tut ja der Bekanntheit und Anerkennung des Bloggers keinen Abbruch. Die Reputation hängt nicht am Werkzeug der Distribution. Der Wert der Verbreitungsmaschine twitter besteht aber eigentlich darin, dass man aus ökonomischer Sicht ein billiges Tool zu Marktbeobachtung zur Hand hat. Und aus persönlicher Sicht hat jeder die Chance, seinen Horizont zu erweitern. Denn bei Facebook, Xing oder den VZs folgt man denen die man kennt, bei twitter jedoch viel mehr denen, die man gern kennen würde. Ob man dieses Potenzial verkaufen kann?

Denn es handelt sich ja in der Masse der Follower des @RobGreen accounts um Leute, die ihn gerne kennen würden. Die werden ihm auch zu seinem neuen, alten Account folgen, denn er erwartet, dass der neue Besitzer einen neuen Namen wählt. Der Sinn ist also sehr zweifelhaft, sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer.


Wahrscheinlicher ist sogar, dass der Schaden überwiegt. Denn der Verkäufer, der vielleicht noch beim Blog Neid oder Respekt beim Verkauf erzeugte, wird nun nicht selten als Verräter an der heiligen Kuh des Social Media etikettiert und landet damit im postideologischen Recyclingparadies, das schon Sascha Lobo oder Nico Lumma bevölkern. Der geneigte Leser erinnert sich an das Fiasko mit dem abgestürzten Besuch von vodafone im Social Media Land. Es scheint wirklich so, dass Andy Warhols 15-Minuten-Ruhm in den Massenmedien nunmehr vorbei ist und eine neue Ära eingeläutet wurde. War die Casting-Krankheit der letzten Jahre kaum zu ertragen, wird die glattgebürstete und optimalangepasste Mehrheit nun viele laute Stimmen auf Sänften zum Markt tragen. Dort vollzieht sich dann immer ein Wandel und in inflationärer Selbstkopie häuten sich diejenigen, die den Begriff des Individuums wirklich noch ernst nehmen, solange, bis die Differenz zwischen innerer Substanz und äußerer Fassade für sie selbst nicht mehr greifbar erscheint. Frei nach dem Motto: Feinde wirken anregend – zuviele kosten die innere Ruhe. Aber Freunde sind solange erträgliche wie ihre Anzahl überschaubar ist und Bewunderer sind fast immer eine existenzielle Bedrohung.


Eine eigene Stimme kann einen Kopf und Kragen kosten, wenn man den Kopf sehr hoch trägt. Weitaus schlimmer könnte es sein, wenn zuviele Plakate mit dem eigenen Konterfei in den Himmel ragen. Ob Geld eine angemessene Entschädigung ist, hängt vom Nutzen ab, den man damit stiftet. Sparen ist dabei die schlechtes Alternative. Ob buzzriders ein gute Alternative zum Sparen ist, wird sich zeigen. Wünschen wir es uns und Basic und seiner Freundin v. Männl. Das deutsche Web könnte ein wegweisendes Projekt brauchen. Die Legionen von Besserwissern sind langsam lästig. Denn wir brauchen kein Manifesto – sondern manifeste Projekte.
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  ist seit 1999 als Freier Autor und Freier Journalist tätig für nationale und internationale Zeitungen und Magazine, Online-Publikationen sowie Radio- und TV-Sender. (Redaktionsleiter Netzpiloten.de von 2009 bis 2012)


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