Wer als Käufer eines unfertigen Produkts unfreiwillig als Beta-Tester fungiert, ärgert sich. Und das zu recht. Wer hingegen schon während der Entwicklung des Prototyps ganz eng mitwirken darf, wird später vielleicht ein umso glücklicherer Kunde. Auf diese Mechanik setzt die Crowdsourcing-Plattform betatestr.de. Die Webseite ging jetzt in überarbeiteter Form live. Die Webseite vernetzt Erfinderunternehmer, sogenannte Maker, mit potenziellen Nutzern ihrer Produkte. Und dies sowohl online als auch offline.
Unter betatestr.de können Maker ihre Projekte vorstellen und von Seitenbesuchern mit schriftlichem Feedback bewerten lassen. Zugelassen wird praktisch jede Idee, die bereits als Prototyp existiert und in die Rubriken Fashion, Produktdesign, Gadget oder Social passt.
Eine Beurteilung hinterlassen kann jeder Seitenbesucher, der die Angabenfelder für dem Namen, E-Mail-Adresse und Feedback in der Webmaske ausfüllt. Hauptsache, es ist eine echte E-Mail-Adresse, andernfalls lässt sich der Bestätigungslink nicht aktivieren. Selbst, wer also nur die Projektbeschreibung liest, kann seine Meinung dazu kundtun.
Bei betatestr gibt es Karma-Punkte als Belohnung
Für das aus ihrer Sicht hilfreichste Feedback losen die Maker eine Belohnung aus, zum Beispiel ein persönliches Exemplar des Prototyps. Als Trostpflaster liefert eine E-Mail ein gutes Gewissen frei Haus. Für mein Feedback zahlt mir betatestr „100 Punkte auf dein Karma-Konto“ ein. Für andere Nutzer vielleicht wichtiger: Trendsetter können bei dieser Form des Crowdsourcings schon früh die Zukunft eines etwaigen Kultprodukts mitgestalten. Somit ist betatestr eine Art Spielwiese für Early Adopter.
Nicht kaufen, nur anfassen
Am wertvollsten für die Entwickler sind natürlich Eindrücke aus erster Hand. Daher können sie Testexemplare an „Prototype Spots“ ausstellen und Besucher diese leibhaftig ausprobieren lassen. Ihr Feedback geben die Nutzer in jedem Fall online ab. Wo die Vorab-Exemplare stehen, listet die Projektbeschreibung im Web auf.
Kaufen können die Probanden die Produkte in der Regel nicht, da es sich ja um noch nicht serienreife Modelle handelt. Eine Ausnahme ist beispielsweise Papa Türk, ein Molkenmischgetränk, das Mundgeruch nach ausgiebigem Konsum von Döner und anderen olfaktorisch intensiven Speisen neutralisieren soll. Während der Release-Party von betatestr im Coworking-Space K14 konnte ich neben Papa Türk zudem die originelle Aufbewahrungsschale Snug.Bowl in die Hand nehmen.
Mein Feedback habe ich bereits eingetippt. Aber ich verrate es nicht. Generell veröffentlicht betatestr keine Rückmeldung, sondern macht sie nur den Entwicklern zugänglich. Das soll die Offenheit fördern.
Maker bezahlen für das Feedback zunächst einmal nichts. Im Blog von betatestr erhalten sie sogar kostenlose Tipps von Experten. Die Plattform-Betreiber setzen schließlich auf ein Freemium-Geschäftsmodell. Mittelfristig wollen sie anhand der Informationen, die sämtliche Tester hinterlassen, den Makern beispielsweise kostenpflichtige Markt- und Trendanalysen anbieten. Vorerst deckt das Start-up die Kosten durch Vermittlungsgebühren. Sie fallen an, wenn sich ein Maker entscheidet, seine Entwicklung an einer lokalen Teststation auszustellen.
Von Hannover in die weite Welt
Zunächst gibt es elf Prototype Spots bei Cafés, Einzelhändlern und auch Coworking-Spaces in Hannover. Auf sie fiel die Wahl, weil sie die Heimatstadt des betatestr-Teams ist. „Die Maker-Szene ist in Hannover sehr lebendig“, beantwortet betatestr-Sprecher Ubbo Störmer die unvermeidliche Frage, warum die Wahl für den Gründungsort nicht auf das hippe Berlin fiel. Weitere Prototype Spots plant das sechsköpfige Gründerteam um Geschäftsführerin Anna Gubanova außerdem in Osnabrück, Kiel, Hamburg und im niedersächsischen Oldenburg zu eröffnen.
Perspektivisch will betatestr aber international expandieren und nach Russland und China aufbrechen. Dort seien Maker noch viel eher als in Deutschland bereit, schon in der Produktentwicklung Einblick zu geben und von Interessierten wertvolles Feedback zu erhalten.
Images by Kevin Münkel
Screenshots by Berti Kolbow-Lehradt
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