Wie man Straßen zu Solar-Kraftwerken macht: Interview mit Donald Müller-Judex von Solmove

Es gibt Erfindungen, die sieht man und vergisst sie sofort – und es gibt Erfindungen, bei denen man sich fragt, wieso man nicht schon viel früher darauf gekommen ist. Die solarbetriebene Straße gehört für mich definitiv zur zweiten Kategorie: So genial, dass ich es sofort und überall haben möchte. Denn sie erzeugt nicht nur Strom durch regenerative Energien und spart dabei das Kraftwerk, sondern kann auch die Beleuchtung auf der Straße ersetzen und irgendwann auch direkte Energiequelle für den Antrieb selbst sein. Buh, langweilige Asphaltstraßen, das muss doch besser gehen! Und genau das passiert gerade.

In Zeiten, in denen wir uns dringend Gedanken um Nachhaltigkeit und Möglichkeiten für erneuerbare Energien machen müssen, ist die Frage nach einem sinnvollen Solarkonzept ohnehin evident. Doch für Solar braucht man neben Sonne vor allem eines: viel, viel Platz. Man könnte nun also Anlagen bauen und Ausdehnungsfläche verstellen – oder man nutzt das, was man schon hat: Kilometerlange Flächen, die einfach in der Landschaft liegen.

Es gibt mittlerweile mehrere Konzepte aus verschiedenen Ländern. In Frankreich wurde Ende 2016 der erste Auto-Kilometer von Wattway eröffnet, in den Niederlanden entwickelt man die erste Fahrradstraße mit Solarfunktion, und in den USA forschen gerade auch mehrere Firmen an „smart Highways“ um die Wette. Nur in Deutschland, dem Land der Autobahnen, tat sich lange nichts – bis Donald Müller-Judex 2014 sein Unternehmen Solmove gegründet hat, um auch die deutsche Industrie auf den Geschmack zu bringen. Ich habe ihn Ende Januar zum Interview auf der Green Tech Challenge getroffen.

Donald Müller-Judex (via Solmove)
Gründer und Erfinder: Donald Müller-Judex (via Solmove)

Wie kamen Sie auf die Idee zu der solarbetriebenen Straße?

Die Idee zur Solarstraße hatte ich, als ich einmal durchs Allgäu gefahren bin. Ich wollte dort ein Dach mieten, um eine Solaranlage da drauf zu bauen. Die Technologie gab es schon. Das war sehr lukrativ, es gab eine große Förderung – aber es hat nicht jeder ein Haus, wo er eine Anlage bauen kann. Also habe ich eins gesucht, was ich gerne hätte mieten wollen. Ich habe aber keins gefunden, weil im Allgäu auf jeder Scheune schon eine Solaranlage war.

Ich bin dann ganze drei Tage über sonnenbeschienene einsame Landstraßen gefahren, habe aber kein freies Dach gefunden. Irgendwann fiel es mir dann ein: Wenn man die Straßen nutzen könnte, könnte man Flächen ohne Ende haben und so viel Strom erzeugen, dass es auch lange in die Zukunft reicht. Ich habe das dann auf die deutschen Straßen umgerechnet und herausgefunden, dass man alle 50 Millionen Autos mit Strom fahren lassen könnte, wenn man alle Flächen nutzen würde, die da sind.

Sie haben dann Solarmodule aus gehärtetem Glas entwickelt, die man wie Gehwegplatten verlegen kann. Wie funktionieren die, wo sollen sie eingesetzt werden – und hält das überhaupt?

Die Module funktionieren ganz einfach, wie beim Taschenrechner: Sonne rein, Strom raus. Photovoltaik ist eine Technologie, die ohne mechanische Bewegungen und komplizierte Kleinteile auskommt. Es gibt nur wenig Verschleiß, weil sich nichts bewegt. Und wir wollen mit unserer Technologie auf Straßen oder in Regionen vertreten sein, wo wenig Verkehr und viel Sonne ist. Man muss nicht immer nur an Autobahnen denken oder an innerstädtische, hochbelastete Straßen – es gibt ganz viele Flächen, wo kaum ein Auto fährt: beispielsweise Seitenstreifen von Autobahnen oder auch viele Straßen in den Industrie- und Wohngebieten, zwischen Feldern, und, und, und. Allein diese ganze Flächen machen schon ein Riesenmarkt aus.

Es muss dann aber auch eine befestigte Straße sein, richtig? Ein Waldboden würde beispielsweise nicht funktionieren.

Nein, ein Waldboden würde hier nichtfunktionieren, allein schon, weil dort zu viel Schatten ist. Und wir haben unser Produkt so konzipiert, dass wir uns einfach auf vorhandene Flächen, die tragfähig genug sind, oben drauf kleben können. Die Module sind in einer gewissen Art beweglich, so dass wir den Kurven der Straße folgen können. Außerdem kann man sie leichter austauschen, wenn sie doch mal kaputtgehen, und muss nicht gleich die ganze Straße aufreissen.

Warum haben Sie für das Konzept ausgerechnet Deutschland ausgesucht? Das ist hier nun nicht unbedingt die sonnigste Gegend.

Es gibt ein paar sehr gute Gründe, in Deutschland anzufangen und dann in die Welt hinauszugehen. Einer der Gründe ist, dass es hier ganz starke politische Kräfte gibt, die durch den Wunsch der Gesellschaft entstanden sind, hier etwas zu ändern. Wir sind die Generation, die es geschafft hat, 80 Prozent der Erdölreserven in weniger als 50 Jahren zu verbrauchen und wir haben nichts mehr – oder zumindest wird es bald soweit sein. Wir brauchen aber als Industrienation eine Alternative. Wenn wir es schaffen, den Strom, den wir brauchen, im Land zu erzeugen, sind wir ganz weit vorn. Das haben zwar bis jetzt erst wenige Leute verstanden, aber die, die es verstanden haben, helfen uns.

Solarstrasse (Image via Solmove, Screenshot by Anne Jerratsch)
So soll die Solarstrasse einmal aussehen. Die Grundlage ist bereits vorhanden, sagt Donals Müller-Jufex. (Image via Solmove, Screenshot by Anne Jerratsch)

Der Markt dafür ist sehr groß und die Bereitschaft, zu investieren, steigt hoffentlich auch immer weiter. In anderen Ländern ist das deutlich leichter, weil es da mehr Sonne gibt – und weniger Bürokratie, das hilft ganz sicher. Deswegen werden wir auch in anderen Ländern aktiv werden. Wir werden dieses Jahr in China, in Korea und auch in den USA Testfelder bauen, um dort zu zeigen, dass es funktioniert.

Der Bund hat die Solarförderung immer wieder gekürzt. Wie passt das zu Ihrem Konzept?

In Deutschland ist es so, dass die Subventionen sehr geholfen haben, die Photovoltaik nach vorne zu bringen. Wir haben über 1.5 Millionen private oder kleine Solarkraftwerke, die zum Energiesystem beitragen, die unglaubliche Veränderungen initiiert haben, von der wir in zehn, 20, 30 Jahren noch maßgeblich profitieren werden. Die Subvention war für uns super und es war auf lange Sicht auch sinnvoll, diese Subventionen wieder runterzufahren. Denn in diesem Moment wurde die Photovoltaik weltweit so viel günstiger, dass der Solarstrom heute weniger kostet als Atomstrom und Kohlestrom – und das ist extrem wichtig. Jetzt hat die ganze Welt erkannt, dass die Zeit von Kohle und Atomstrom vorbei ist, weil es eine bessere Alternative gibt. Wir sind dabei, die Solarstraße salonfähig zu machen. Und vielleicht gibt es dafür eines Tages auch wieder eine Förderung, die dann hilft, unsere Technologie nach vorne zu bringen.

In China gibt es bereits Schnelllademodule für Busse, die sind aber noch in der Testphase. Wird es auf der Solarstraße auch Schnelllademodule geben? Wie ist der aktuelle Stand?

Wir werden dieses Jahr auf dem Gelände der Bundesanstalt für Straßenwesen und auf einem anderen Testgelände in der Nähe Peking eine Anlage bauen. Dieses Projekt wird zusammen mit einem Partner verwirklicht, wo wir zeigen, dass der Strom, der solar erzeugt wird, von den Paneelen unserer Partner induktiv in Autos hineingeladen werden kann, während sie fahren. Das ist revolutionär und neu und hat diverse Vorteile. Zum Beispiel, dass die Autofahrer keine Zeit mehr aufbringen müssen, um ihre Autos nachzuladen, dass das Reichweitenproblem damit eigentlich gelöst ist, dass die Autos weniger Batterien brauchen. Das heißt: mehr Platz, weniger Kosten, weniger Gewicht.

Die Chinesen fangen damit jetzt an und wollen zur Olympiade 2022 zeigen, wie das funktioniert. Dort werden auf einer Strecke zwischen Peking und Zhangjiakou auf 190 Kilometern Shuttlebusse fahren, die das Olympiavolk hin und her bringen. Diese Busse fahren elektrisch und autonom. Sie fahren auf einer induktive Ladespule, quasi auf einer elektronischen Schiene, die den Bus mit Strom versorgt, während er fährt. Dieser Strom wird mit unseren Modulen regenerativ erzeugt.

Das klingt vielversprechend! Und wann haben wir das alles auch in Deutschland?

Sie könnten mich ja zum Verkehrsminister wählen, dann dauert das noch ungefähr zehn Jahre, und dann haben wir das.

Vielen Dank!


Images (adapted) via Solmove, Screenshot by Anne Jerratsch


ist freischaffende Autorin und Redakteurin bei den Netzpiloten. Sie ist Historikerin, Anglistin, Kinonerd, Podcasterin und Hörspielsprecherin. Seit das erste Modem ins Elternhaus einzog, treibt sie sich in allen möglichen Ecken des Internets herum. Sie twittert als @keksmadam und bloggt bei Die Gretchenfrage. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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