Was ist das Fediverse?

Spätestens seit den Unruhen um Social Media-Urgestein Twitter hören wir es immer wieder: Das Fediverse. Meist lesen wir es im Zusammenhang mit der vermeintlichen Twitter-Alternative Mastodon. Aber was ist das Fediverse genau?

Unser Explain erklärt nicht nur, was das Fediverse ausmacht, sondern auch in wie weit es ein Metaverse ist und welche Probleme es aktuell noch hat oder bekommen kann. Ebenso stellen wir euch einige der bekanntesten Fediverse-Apps vor.

Begriffserklärung: Was ist das Fediverse?

Das Fediverse ist ein Kofferwort aus den englischen Wörtern „federation“ und „universe“. Föderierte Netzwerksysteme ermöglichen es Nutzern von einem Netzwerk, auch Nachrichten zu einem anderen (föderierten) System zu senden.

Genau das ist auch der Ansatz vom Fediverse: Es handelt sich föderierte soziale Netzwerke und andere Online-Dienste, die für sich unabhängig sind, mit denen man aber untereinander kommunizieren kann. Dafür benötigt ihr nur Konto in einem der verbundenen Dienste. Das ist in etwa so, als könnte man sich vom Instagram-Account direkt mit Nutzern auf Twitter, YouTube, Tiktok und Co austauschen. Diese „alte“ Social Media-Landschaft erfordert allerdings noch immer eigene Accounts für jeden Dienst.

Ist das Fediverse ein Metaverse?

Das Fediverse lässt sich durchaus als eine Implementation des Metaverse verstehen. Die nahtlose Kommunikation verschiedener Dienste untereinander ist nämlich auch ein wichtiger Teil des Metaverse – ebenso wie die Dezentralität. Auch die gibt es im Fediverse. So können eigene Server vom aktuell bekanntesten Fediverse-Dienst Mastodon erstellt werden, die eigene Regeln haben. Alle Server sind trotz dieser unterschiedlichen Nutzungsregeln Teil des selben Social Networks, welches wieder Teil des noch größeren Fediverse ist.

Im Prinzip ist dadurch die Grundlage vorhanden, aus dem Fediverse ein ausgewachsenes Metaversum zu machen. Der Unterschied zu vielen anderen Ansätzen wie Meta liegt vor allem im Geschäftsmodell. Viele Unternehmen stecken Unsummen in die Metaverse-Entwicklung in der Hoffnung, dass sie am Ende ein großes Stück vom Kuchen abbekommen. Der Fediverse-Ansatz dagegen ist Open Source und finanziert sich durch Spenden und freiwillige Mitarbeiter. Das bedeutet nicht, dass es nicht innerhalb des Fediverse auch profitorientierte Dienste geben kann.

Der Open Source-Ansatz kann aber ein großer Vorteil sein. Es gibt kein großes Unternehmen, welches die Spielregeln diktiert, der Code ist offen und damit auch eine bessere Grundlage dafür geschaffen, dass das Metaverse niemanden gehört. 

Gegenüber der gängigen Vorstellung vom Metaverse fehlt bislang vor allem die interaktive visuelle Ebene. Das Fediverse ist nicht in eine Virtual Reality eingebettet, sondern vorerst die offene Schnittstelle, über die verschiedene Dienste barrierefrei miteinander kommunizieren können. Möglich macht es das gemeinsame Protokoll ActivityPub. Dieses sorgt, vereinfacht ausgedrückt, dafür, dass die Apps, die das Protokoll nutzen, untereinander die selbe Sprache sprechen und sich problemlos austauschen können.

Welche Probleme hat das Fediverse

Dass das Konzept der Dezentralität ist vielen potentiellen Nutzern nicht geläufig ist, dürfte nur ein kurz- bis mittelfristiges Problem sein, dass durch zunehmende Aufklärung schwindet. Und auch wenn das Fediverse noch weiter existiert, wenn eine seiner Instanzen schließt, kann man als Nutzer seinen Account verlieren, wenn der Betreiber nicht rechtzeitig warnt, damit ihr euren Account auf eine andere Instanz ziehen könnt.

Außerdem sind die bekanntesten Fediverse-Apps bislang weitgehend dezentrale Alternativen zu bestehenden Diensten. Bei Mastodon handelt es sich mehr oder weniger um einen Twitter-Klon. Einige Dinge sind anders, aber es soll ganz eindeutig den Twitternutzer ansprechen. Das selbe gilt für PeerTube als YouTube-Ersatz oder Friendica als Facebook-Alternative. Die bekanntesten Fediverse-Dienste sind weitgehend Alternativen zu bereits bestehenden Apps. Eine große App, die eine ganz neue Zielgruppe erschafft, fehlt bislang noch.

Eine Herausforderung wird auch die Moderation. Umsetzung von Uploadfiltern oder Umgang mit Hasskommentare und Fakenews sind schon für Facebook und Co eine Herausforderung. Wie hoch die Anforderungen durch den europäischen „Digital Services Act“ sind ist auch abhängig davon, wie dieser mit eine dezentralen Plattform umgeht. Trotzdem bleibt hier eine Schwachstelle. Zwar können etwa Mastodon-Server andere Server blockieren, aber trotzdem können sich extreme Bubbles freier ansiedeln als in vielen anderen Netzwerken. Auf der anderen Seite können einzelne Server auch wieder so streng moderiert werden, dass es zu einer sehr zensierten eigenen Blase wird.   

Bekannte Fediverse Apps

Mastodon

Am bekanntesten ist das Fediverse wohl für Mastodon. Mit der Twitterübernahme durch Musk, hat sich Mastodon zu einer populären Alternative entwickelt. Mastodon ist wie Twitter ein Kurznachrichtendienst, nur dass die Tweets sind hier Tröts/Toots und es gibt mehrere Server auf denen ihr euch registrieren könnt. Der größte ist von Mastodon selbst, doch zwischenzeitlich kann es sein, dass dort keine Anmeldungen möglich sind. Aktuell hat Mastodon (Stand 30.11.2022) 2,6 Millionen Nutzer auf rund 4.300 Servern. 

Auf Mastodon könnt ihr bis zu 500 Zeichen tröten und auch Mediadateien oder Links anhängen, die im Profil chronologisch sortiert angezeigt werden. Neben der Dezentralität ist auch die Werbefreiheit ein deutlicher Vorteil von Mastodon im eurem Feed. 

PeerTube

Der Name lässt vielleicht schon vermuten, dass PeerTube dem namensverwandten YouTube sehr ähnlich ist. Der Videodienst möchte sich als dezentrale Alternative zum Marktführer, aber auch anderen Anbietern wie Dailymotion etablieren. Das Angebot ist aktuell noch ungleich kleiner. PeerTube hat aktuell (Stand 30.11.2022) 206.000 Nutzer (davon 20.000 aktiv) und 531.000 Videos. 

Auch PeerTube hat unterschiedliche Serverinstanzen, die den Videoupload unterschiedlich limitieren können. Für Creator ist also wichtig, vorher zu schauen, welche Begrenzungen an täglichem Upload, Dateigröße oder insgesamten Speicher sie eventuell einschränkt. Für den Normalnutzer, der eher Videos schaut und vielleicht einzeln etwas hochlädt, dürften diese Einschränkungen eher irrelevant sein. 

Je nach Server kann es bei PeerTube deutlich weniger Einschränkungen oder Gefahr für Copyright-Claims geben. Damit steigt aber auch die Gefahr für radikalen Content und die Frage ist, wie Unternehmen ihre Ansprüche auf lange Sicht gegen die Creator durchsetzen, wenn nicht die Platform selbst die Videos vom Netz nimmt oder den Urheber durch Werbung beteiligt. 

Owncast

Wo PeerTube vor allem mit YouTube in Konkurrenz tritt, ist Owncast mehr oder weniger ein Herausforderer für Twitch. Allerdings sieht sich Owncast weniger als ein Content-Netzwerk, sondern als ein Open Source Video- und Webchat-Server. Allerdings eignet es sich damit nicht als Tool für Videokonferenzen. Der Fokus liegt auf einem einzigen Streamer und der Delay wäre auch zu groß für eine Kommunikation in Echtzeit. 

Ähnlich wie bei PeerTube, ist bei Owncast die Bitrate abhängig vom Server auf dem der Stream stattfindet. Es unterstützt auch problemlos populäre Streaming-Apps wie etwa Open Broadcaster Software (OBS).

Friendica

Natürlich gibt es auch für den großen Social Network Pionier Facebook eine Alternative – und die heißt Friendica. Friendica legt dabei vor allem Wert auf Privatsphäre – ein Thema, das bei Facebook hingegen für größere Skandale gesorgt hat.

Friendica ist aber nicht so neu, wie der Hype um dezentrale Systeme. Tatsächlich gibt es die Facebook-Alternative schon seit 2010, womit die Plattform bereits so alt ist wie Instagram. 

Mit Friendica lässt sich fürs eigene Profil ein Server einrichten, womit man komplette Kontrolle über die eigenen Informationen hat. Man kann aber auch Communities beitreten und allgemein durch die Optionen zur Privatsphäre sich auch mit Nutzern anderer Netzwerke vernetzen. 

Friendica lässt sich durch Themes auch optisch stark anpassen. Allerdings braucht es daher auch mehr Einarbeiten. Dafür sorgen auch einige zunächst unklar getrennte Begriffe.


Image by Andrii Yalanskyi via Adobe Stock


Artikel per E-Mail verschicken