Weltweit lassen sich Millionen Menschen über Amazon Produkte per Post zustellen. Der Umsatz der Weltkonzerns betrug 2022 insgesamt 513,98 Milliarden US-Dollar, davon erwirtschaftete der Online-Gigant in Deutschland rund 33,6 Milliarden Euro. Nach Microsoft ist Amazon derzeit das wertvollste Unternehmen der Welt. Die Marktmacht von Amazon und die Lieferung bis vor die eigene Haustür sorgen dafür, dass immer weniger Einkäufe im lokalen Einzelhandel erledigt werden. Gleichzeitig scheinen die Eintrittsbarrieren für den Start ins Online-Business geringer als jemals zuvor. Buzzwords wie „Amazon FBA“ und „Dropshipping“ fallen in den sozialen Medien zu Hauf. In diesem Beitrag soll es um den Aufstieg von Amazon FBA gehen – eines der beliebtesten Geschäftsmodelle im E-Commerce.
Was ist Amazon FBA?
FBA steht für „Fulfillment by Amazon“ und bedeutet übersetzt „Versand durch Amazon“. Amazon FBA ist ein Service, bei dem Warenannahme, Lagerhaltung, Kommissionierung, Verpackung, Frankierung, der Versand an die Kunden und die Retourenabwicklung von Amazon übernommen werden.
Die Grundidee, mit der viele Gründer auf Amazon gestartet sind, ist recht einfach: Ihr müsst zunächst ein Produkt finden, das ihr verkaufen möchtet. Ihr lasst es günstig, zum Beispiel in Asien, produzieren oder kauft es fertig ein. Von dort lasst ihr es direkt zum Amazon Distributionszentrum liefern und Amazon kümmert sich um die gesamte Lagerhaltung, den Versand und Retouren. Eure Aufgabe besteht „nur“ noch darin, eure Produkte optimal auf Amazon zu vermarkten und möglichst viele Kund*innen zu gewinnen. Da Amazon sich um die Logistik kümmert, könnt ihr euren Fokus vollständig auf die Produkt-Strategie legen. Gerade aufwendige und lästige Prozesse wie das Verpacken und Versand oder der Kundenservice entfallen nahezu komplett, da Amazon sie gegen eine Servicegebühr übernimmt.
Das FBA-Modell hat also das Potenzial, den Verkauf von Produkten auf Amazon größtenteils zu automatisieren und Verkäufer*innen mehr Zeit und Ressourcen zur Verfügung zu stellen, um ihr Geschäft auszubauen. Gleichzeitig profitiert Amazon selbst dadurch, dass der Marktplatz auch für Käufer*innen immer attraktiver wird. Das Schwungrad kommt in Fahrt.
Das Amazon Flywheel – Jeff Bezos berühmte Serviette
Der Legende nach zeichnete der Amazon Gründer Jeff Bezos das sogenannte Flywheel (zu deutsch „Schwungrad“) auf eine Serviette, während er einem Freund die zentralen Erfolgsfaktoren von Amazon erklärte. Ob diese Geschichte genau so abgelaufen ist…das weiß vermutlich nur Jeff Bezos selbst. Tatsache ist jedoch, dass an der Geschichte etwas dran ist, denn das Konzept entspricht tatsächlich dem, wie Amazon heute funktioniert und wieso der Marktplatz von Jahr zu Jahr weiter wächst.
Damit ihr das Konzept des Amazon Flywheel besser verstehtt, schaut euch zunächst folgende Grafik an:
Der Erfolg von Amazon beruht auf der breiten Produktpalette, die es den Kund*innen ermöglicht, alle Produkte aus einer Hand zu beziehen und dadurch Zeit und Aufwand zu sparen. Neue Gummistiefel für den Garten, ein Paar Kopfhörer für die Tochter und das Futter für den Hund – alles an einem Ort, ohne langes Suchen und ohne den x-ten Account mit immer neuen Log-in-Daten erstellen zu müssen. Dieses gesteigerte Nutzererlebnis führt ganz einfach zu mehr Traffic und damit zu einem wachsenden Kundenstamm, was wiederum mehr Verkäufer*innen anzieht. Damit schließt sich der innere Kreis des Amazon Flywheel, denn mit den neuen Verkäufer*innen steigt die Produktauswahl weiter an, der Wettbewerb verschärft sich und dies wiederum führt zu günstigeren Preisen und besserer Qualität.
Jeff Bezos legte außerdem den Fokus darauf, jeden verdienten Dollar zu reinvestieren und damit für günstigere Kostenstrukturen zu sorgen, was das Wachstum von Amazon noch weiter beschleunigt. Der Gedanke hinter dem Flywheel ist, dass jedes Element des Wachstums das andere antreibt und so ein kontinuierlicher Kreislauf entsteht. Das Amazon „Schwungrad“ hat mittlerweile eine solche Fahrt aufgenommen, dass ein Bremsen kaum möglich ist.
Fulfillment by Amazon (FBA) ist ein wichtiger Bestandteil des Amazon Flywheel-Konzepts, da es Drittanbietern ermöglicht, ihre Produkte über Amazon zu verkaufen und von Amazons Logistiknetzwerk zu profitieren. Die Verkäufer können ihre Produkte an Amazon senden, das sich dann um die Lagerung, den Versand und den Kundenservice kümmert. Dadurch können Verkäufer sich auf die Produktentwicklung und Marketingaktivitäten konzentrieren, während Amazon die Abwicklung übernimmt. FBA hilft Amazon, seinen Kunden eine schnelle Lieferung zu garantieren und fördert somit das Wachstum des Flywheels.
SNOCKS & Co. – Erste große FBA-Seller
Viele der ersten FBA-Seller waren zu Beginn noch kleine Startups und Einzelpersonen, die begannen, ihre Produkte über das FBA-Programm zu verkaufen. Mit der Zeit erkannten auch größere Unternehmen das Potenzial von FBA und begannen, ihre Produkte über den Service anzubieten. Das FBA-Programm hat es kleinen und großen Unternehmen gleichermaßen ermöglicht, ihre Produkte einer großen Zielgruppe zugänglich zu machen und den Umsatz zu steigern.
Es gibt eine ganze Reihe von Marken, die dank FBA wahnsinnig groß geworden sind. Das Paradebeispiel hierfür ist SNOCKS, eine Bekleidungsfirma, die sich zu Beginn auf Socken spezialisiert hat. SNOCKS startete den Vertrieb von Socken auf Amazon mithilfe von Amazon FBA und erzielt mittlerweile auch im eigenen Online-Shop Umsätze in zweistelliger Millionenhöhe. Und das zu Beginn mit Produkten, die generell als „Low-Involvement“-Produkte betitelt werden – also Güter des täglichen Bedarfs, die man in der Regel spontan und ohne großes Nachdenken einkauft. SNOCKS zeigt anschaulich, wie aus einem Amazon-FBA Startup eine starke Brand mit riesiger Community werden kann.
Dubiose Angebote und der Traum vom schnellen Geld
Was scheinbar schnell zum Erfolg führt, zieht immer auch eine Reihe dubioser Anbieter an. So tummeln sich auch rund um Amazon FBA viele zwielichtige Angebote.
Mit dem Traum vom schnellen Geld haben beispielsweise zahlreiche Privatleute teils 5-stellige Summen in Dienstleister investiert, die sich um Produktrecherche, Sourcing, Anlage auf Amazon und Werbung gekümmert haben.
Leider kamen dabei meist minderwertige Produkte, ohne Alleinstellungsmerkmale und mit äußerst schlechten Margen zustande. Von dem anfänglichen Investment und nachträglichen Investitionen in Werbung & Co. haben die meisten nie wieder einen Cent gesehen.
Es ist nicht so einfach, wie es häufig nach außen hin scheint. FBA-Verkäufer müssen viel Zeit und Geld, besonders in Amazon PPC, investieren, um ihre Produkte sichtbar zu machen und sich von der Konkurrenz abzuheben. Erfolg im FBA-Modell erfordert Geduld und eine besonders intelligente Strategie.
Aggregatoren – Eine Rechnung, die nicht für alle Beteiligten aufgeht
Eine weitere Entwicklung der letzten Jahre im Bereich FBA sind Aggregatoren. Aggregatoren sind Unternehmen, die FBA-Brands aufkaufen und ihre Geschäftsmodelle unter einem Dach zusammenführen. Auf diese Weise können die Aggregatoren Skaleneffekte erzielen und das Wachstum der einzelnen Unternehmen beschleunigen.
So haben viele Amazon FBA Händler*Innen ihre Marken für teils hohe Multiples verkauft. Die Strategie der Aggregatoren ging jedoch nicht immer auf, wie dieser Handelsblatt-Beitrag zeigt.
Was bringt die Zukunft – Sollte ich heute noch mit Amazon FBA starten?
Mithilfe von Amazon FBA können sich Händler*innen auf die wichtigen strategischen Aufgaben konzentrieren und profitieren von den Erfahrungen von Amazon in der Logistik. Durch das „outsourcen“ von Logistik-Dienstleistungen an Giganten wie Amazon, werden die Prozesse immer weiter auf Digitalisierung und Automatisierung getrimmt.
Die Zeiten, in den FBA-Seller jedes x-beliebige Produkt auf den Amazon Marktplatz werfen und damit erfolgreich werden konnten, sind jedoch auch vorbei. Der zunehmende Wettbewerb führt zu steigenden Werbekosten, um überhaupt erstmal Sichtbarkeit zu erlangen und das Flywheel in Schwung zu bringen.
Wer heute erfolgreich mit FBA starten möchte, muss einen Product-Market-Fit, hohe Margen und bestenfalls glasklare Alleinstellungsmerkmale mitbringen. Ansonsten sind die Erfolgschancen eher gering.
Dies führt weitläufig dazu, dass die Marktanteile von kleinen Sellern, die sich anfangs zum Beispiel noch durch die Bildsprache abheben konnten, nach und nach von den großen Playern aufgefressen werden.
Amazon ist mittlerweile so mächtig und mit den verschiedenen Prime-Services und AWS (Amazon Web Services) längst mehr als nur ein Marktplatz. Vor allem im Handelsbereich, verbunden mit dem FBA-Service und dem Flywheel-Konzept, sind wir uns sicher: Amazon wird da, wo es noch möglich ist, weiter wachsen und den Online-Handel immer stärker dominieren. Es kann jedoch ganz sicher nicht mehr jeder daran teilhaben.
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