Lohnt sich Forza Motorsport? Reboot mit Stotterstart

Der 8. Teil der beliebten Rennspiel-Serie Forza Motorsport streicht die Nummer weg und will der Serie als Reboot eine neue Perspektive geben. Doch lohnt sich Forza Motorsport? Haben sich die 6 Jahre Entwicklungszeit mit neuem technischen Unterbau gelohnt?

Im Test distanziert sich die Hauptreihe wieder mehr von ihrem Ableger Forza Horizon. Zugleich zeigt sie aber ausgerechnet auch ähnliche Probleme wie Forza Horizon 5. Außerdem hat Forza Motorsport keinen sauberen Start hingelegt. Wo die Probleme liegen und ob Turn 10 sich über die lange Distanz noch nach vorne kämpfen könnte, erfahrt ihr in unserem Test.

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Hervorragende Barrierefreiheit in Forza Motorsport

Ähnlich wie bei Forza Horizon 5, punktet auch Forza Motorsport mit einer ausgezeichneten Barrierefreiheit. Auch hier startet das Spiel direkt in die Optionen um diese einzustellen und hat dafür auch direkt die Text-zu-Sprache-Option aktiv. Auch später kommt man direkt über den Startbildschirm zu den Einstellungen.

Zu den Einstellungen gehören diverse Farbanpassungen, Untertitel, Sprachausgabe für Menüs und Audiodescription. Das Sahnestück sind allerdings die Fahroptionen für Blinde. Hier lassen sich sehr kleinteilig Hinweise zu Kurven, Streckenbegrenzungen, Überholmanövern oder sogar Schalt- oder Bremsmomenten einstellen. Die ausschaltbaren Autokollisionen hätte man vielleicht unabhängig der Fahrhilfen für Blinde platzieren können, da diese auch für Spieler mit eingeschränkten Reaktionsmöglichkeiten interessant sind.

Teils enttäuschende Grafik

Forza Motorsport hat sich viel Zeit gelassen, was unter anderem auch an einem neuen technischen Unterbau liegt. Dieser kann optisch noch nicht vollends überzeugen. Was das Spiel sehr gut hinbekommt ist das Spiel mit dem Licht auf der Strecke. Hier sind die Schatten stimmig und der sich dynamisch ändernde Sonnenstand sorgt sowohl für hübsche Momente, die einen aber auch fies blenden können.

Im Vergleich zum 6 Jahre älteren Forza Motorsports 7 fällt ein genereller Grauschleier aber eher unangenehm auf. Auch die Autos selbst haben wenig an Detail gewonnen. Es gibt genug Vergleiche im Netz, in denen das neue Spiel sogar eher schlechter abschneidet. Dazu kommt auch ein nicht so gut implementiertes Raytracing. Die Reflektionen halten nicht einmal ansatzweise, was in frühen Trailern gezeigt wurde und sind teils so schlecht umgesetzt, dass die Autos ohne Raytracing besser aussehen.

Außerdem kann nicht jedes Detail völlig überzeugen. Die Bäume sind zwar nicht mehr so platt in der Darstellung wie in Forza Motorsports 7, wirken aber noch immer sehr statisch. Das selbe gilt auch für die Zuschauer an der Strecke. Die wirken noch immer wie die alten Pappkameraden aus längst vergangenen Rennspielen und der Zuschauerandrang scheint auf manchen Strecken sogar zurückgegangen zu sein. Abseits der Strecke wirken Bodentexturen und fehlende Vegetation gerade im Vergleich zu ersten Trailern erschreckend schlecht. Insgesamt wirken auch die letzten Horizon-Spiele trotz offener Welt deutlich hübscher. Das zeigt auch dieser Videovergleich der Spiele auf der Series X.

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Reduziert auf die Forza-Essenz

Der Vorgänger hatte sich verstärkt dem erfolgreichen Horizon-Ableger angebiedert und man bekam an allen Ecken neue Autos um die Ohren gehauen. Forza Motorsport konzentriert sich dagegen komplett auf seine Kernkompetenzen: Das Fahren.

Mir kommt das gerade recht. In Forza Horizon hatte ich wegen der arcadigen Natur und der offenen Welt zuletzt lieber in Third Person-Perspektive und mit Bremslinie gespielt. Hier ging es vorfreudig zurück zur Cockpit-Perspektive und zum Vorsatz, mir die Bremspunkte für jede Kurve wieder selbst zu erarbeiten.

Darum begrüßte ich auch die Trainingssession vor jedem Rennen, bei der sich Auto und Strecke aneinander gewöhnen dürfen. Umso unglücklicher die Designentscheidung auf eine richtige Qualifikation zu verzichten, die das Rennwochenende komplett gemacht hätte. Das freie Training an sich ist zwar optional, aber durch Belohnungen für eine bestimmte Rundenzahl und eine Zielzeit, sowie das allgemeine Level-System der Autos, machen es indirekt zur Pflicht.

Statt der Qualifikation wählt man sich vor dem Rennen übrigens eine Startposition (ab Platz 4) aus. Je weiter hinten man startet, desto größer die Belohnung, wenn man auf das Podium fährt. Ich vermute das Qualifying wurde auch weggelassen, um die Herausforderung durch eine schlechtere Startposition entsprechend zu belohnen. Mit einer ausgefahrenen Qualifikation müsste das Spiel dagegen eine geringere Herausforderung belohnen. Komplette Rennwochenenden hätten mich persönlich aber deutlich mehr angesprochen. Aber das ist seit jeher mein größtes Problem mit der Serie.

Auch dass die gegnerischen Autos sich immer dem eigenen Fahrzeuglevel anpassen sorgt zwar für ein konstanten Anspruch, lässt aber kein Progressionsgefühl aufkommen. Dem hätte auch eine Entwicklung von Amateurserien zu richtigen Profiserien gutgetan. Hier wirken die Serien in der Karriere gleichbleibend eintönig.

Fahrvergnügen  

Das Fahren macht in Forza Motorsport den größten Spaß. Hier platziert sich das Spiel gewohnt als anspruchsvollerer Arcade-Racer. Bedeutet: Es kommt nicht an den Simulationsgrad eines iRacing oder Assetto Corsa heran, ist aber auch kein Fahren auf Schienen. Man spürt angenehm die Wechselwirkung zwischen Auto und Strecke, die sich durch Upgrades auch spürbar verändern. Wer tiefer in der Materie ist, darf auch passend zur Strecke Feintuning am Setup vornehmen. Es ist genau der richtige Simulationsgrad, um Forza Motorsport mit Controller zu spielen. Für diesen ist vor allem die „Normale“ Steuerung gedacht, bei der manche Effekte etwas abgeschwächt werden. Der Simulationsmodus eignet sich eher, wenn man ein Lenkrad nutzt oder filigraner mit Sticks und Bumper des Controllers umgehen kann.

Insgesamt lohnt sich Forza Motorsport für sein tolles Fahrgefühl, bei dem man selbst mit dem Controller ein gutes Gefühl für Unebenheiten der Strecke bekommt. Doch wo einige Konkurrenten bei Regen zur Tortur werden, hätte Forza Horizon die Noppensocken lieber weggelassen. Nicht falsch verstehen: Spa bei Nacht im Regen zu fahren, lässt den Schweiß schon hochkochen. Bei strömenden Regen erwarte ich allerdings noch etwas mehr von einem Rennspiel. Vor allem Pfützenbildung hat die Forzareihe längst besser hinbekommen. Auch trocknet die komplette Strecke mit Ende des Regens sehr abrupt ab, ohne erst den Grip erst auf der Ideallinie stetig zu verbessern. Die schnellen Wetterwechsel dürften aber ebenso den kürzeren Renndistanzen verschuldet sein, wie der sich schneller ändernde Sonnenstand.

Und dann wären noch die KI-Gegner, die einem gelegentlich zur Verzweiflung bringen – und das eher, weil sie nicht sonderlich intelligent fahren. Nicht selten wird man gerammt, da die KI-Fahrer ein schlechtes Gefühl dafür haben, wann welche Linie wem gehört. Auch hier gibt es wieder einige haarsträubende Vergleiche mit Vorgängern, wo die KI nur im neuen Teil konsequent nicht schafft, einem gut sichtbar stehenden Auto auf der Strecke nicht auszuweichen. Da hilft es auch nicht, dass das Strafsystem gut gedacht ist, aber nicht selten der gerammte die Strafzeit erhält. Strafzeiten von oft nur 1-4 Sekunden motivieren in Onlinerennen außerdem viele, die Konkurrenz gnadenlos wegzucrashen, weil der Vorteil die Strafe deutlich aufwiegt.

Technische Probleme zum Release

Leider reiht sich Forza Motorsport in die wenig ruhmreiche Riege unfertig veröffentlichter Spiele 2023 ein. Zu dieser gehören auch andere namhafte Spiele wie Bethesdas großes neue Rollenspiel Starfield und die erst kürzlich erschienene Stadtbau-Simulation Cities Skylines 2.

Bereits mehrfach speicherte das Spiel beim Beenden meinen Fortschritt nicht richtig, sodass ich Rennen nachholen musste, die ich bereits gefahren bin. Zugleich speicherte es sehr wohl meine Autoupgrades sowie mein Fahrer- und Autolevel. Autoupgrades führen außerdem gelegentlich zum Absturz – wonach man das letzte Rennen in der Regel auch nochmal neu starten darf. Das sind Fehler, wie sie so in der Releasefassung nicht auftauchen dürfen. Vor allem nicht bei einer so langen Entwicklungszeit. Und gerade mit dem Game Pass als Hauptplattform dürfte das Spiel keinen zu großen Release-Druck gehabt haben.

Dazu kommen die bereits genannten grafischen Probleme bei vergleichsweise hohem Hardware-Hunger des Spiels. Auch Schwächen bei KI-Fahrern und Strafen hätten der Qualitätssicherung auffallen müssen. Dabei hat das Spiel zunächst einen eher überschaubaren Umfang. Jedes Auto einzeln leveln zu müssen sorgt außerdem zwar für mehr Bindung zum Auto, macht das rumprobieren mit verschiedenen Autos und unterschiedlichen Settings dafür ungleich ärgerlicher. Das könnte für viele Spieler eher den Langzeitspaß senken als erhöhen.

Nur 20 Strecken zum Start? Kein zu großes Problem.

Schaut man auf das Spiel zum Release, lohnt sich Forza Motorsport noch nicht komplett für seinen Preis. Mit über 500 Autos ist man in Sachen fahrbare Untersätze ganz weit oben im Genre dabei, doch Forza Motorsport 7 hatte im Vergleich über 800. Stärker schmälern allerdings die zum Verkaufsstart nur 20 Strecken das Erlebnis.

Doch ein großer Hoffnungsschimmer: Die ersten zusätzlichen Strecken sind bereits angekündigt und erscheinen zunächst fast monatlich als kostenlose Updates für das Spiel. Außerdem gibt es ähnlich wie bei Forza Horizon Seasons, die auch für den Karrieremodus wöchentliche Events bieten, die alle 4 Wochen außerdem mit einer besonderen Belohnung locken. Online gibt es einen Dämpfer, weil die rotierenden Klassen-Serien sich bislang auf die höchsten Autoklassen beziehen. Da vielen Spieler mit so viel PS schlicht überfordert sind, ist die erste Kurve meist ein Spielspaß-killendes Crashfest. Hier darf das Spiel gerne etwas aufs Bremspedal treten.

Insgesamt zielt das Spiel aber ganz offensichtlich auf ein Game as a Service ab, das die Spieler über lange Zeit mit neuen Inhalten versorgt. Vielleicht auch ein Grund, weshalb man auf die Nummer im Spieltitel verzichtet hat und sogar der Verkauf den 7. Serienteils bereits September 2021 eingestellt wurde. Mich würde es also nicht wundern, wenn wir am Ende sogar die größte Streckenliste eines Forza-Titels haben. Trotzdem bleibt die Auswahl für die lange Entwicklungszeit zum Release ein starker Dämpfer. Zusammen mit dem fehlenden Progressionsgefühl mangelt es noch an der Langzeitmotivation.

Ein Mercedes auf der Hakone-Strecke in Forza Motorsport. Die Kirschbäume an der Strecke sind in voller Blüte und im Hintergrund sieht man den Berg Fuji.
Hakone ist zwar eine fiktive, aber im japanischen Frühling trotzdem unglaublich schön gelegene Strecke.

Lohnt sich Forza Motorsport? Noch vor allem im Game Pass

Wie unterschiedlich und ähnlich sich Spiele doch sein können. Auf der einen Seite sprechen die beiden Forza-Franchises zwei sehr unterschiedliche Rennsport-Typen an. Wir haben das Forza Horizon, was Festivalspaß, offene Welt, Driftzonen oder absurde Rennen gegen Züge und Flugzeuge bietet. Forza Motorsport zeigt sich dagegen vom Look kühl und reduziert auf Rennen ohne großen Schnickschnack.

Doch auch wenn Forza Motorsport sich wieder deutlicher von Horizon abgrenzt, nutzt es ähnliche Anreize was das Game as a Service angeht. Auch hier leveln wir auf, wenn auch insbesondere die Autos selbst, und es gibt wöchentliche Herausforderungen und regelmäßige Content-Updates ähnlich dem Open World-Ableger.

Leider wirkt das Spiel allerdings noch unfertig, nicht zu Ende gedacht und ist selbst optisch eher enttäuschend – selbst innerhalb der hausinternen Konkurrenz. Das ist schade, weil das Fahrgefühl an sich wirklich Spaß macht und auch etwa die Sektorbewertungen ein angenehmer Anhaltspunkt für Verbesserungspotentiale bieten. Rabiate KI-Fahrer, nichtgespeicherte Fortschritte, geringer Streckenumfang und fehlendes Progressionsgefühl versetzen dem Spielspaß aber immer wieder einen Dämpfer.

Jetzt ist es an Turn 10, die spielerischen und technischen Schwäche auszubügeln und das Spiel mit neuen Inhalten über Jahre frisch zu halten. Game Pass-Nutzer dürfen gerne schon jetzt das Gaspedal durchtreten, andere warten lieber, bis das Spiel mehr Inhalte bietet. Für das Frühjahr 2024 ist etwa die aktuell noch von vielen vermisste Nordschleife angekündigt. 

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Images by Stefan Reismann

Das Internet ist sein Zuhause, die Gaming-Welt sein Wohnzimmer. Der Multifunktions-Nerd machte eine Ausbildung zum Programmierer, schreibt nun aber lieber Artikel als Code.


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