Die Nachricht am vergangenen Mittwoch ist eingeschlagen wie eine Bombe: Der deutsche Sportkonzern Adidas hat das österreichische Startup Runtastic, bekannt für seine Fitness-Apps, für 220 Millionen Euro aufgekauft. Während Adidas bereits von der digitalen Vernetzung all seiner Produkte träumt – vom Ball über Bekleidung bis zum Schuh -, erhofft sich die österreichische Startup-Branche finanzielle Impulse für neue Ideen.
Die vier Runtastic-Gründer Florian Gschwandtner, Alfred Luger, René Giretzlehner und Christian Kaar, das sieht man auf ihren aktuellen Facebook-Fotos, kommen aus dem freudigen Grinsen nicht mehr heraus – immerhin sind sie nach dem Adidas-Deal nun viele Millionen Euro schwer und auch ihr Business Angel Hans Hansmann, der sehr früh in das Startup investierte, hat nun deutlich mehr am Konto als zuvor. Das bedeutet zweierlei: Sowohl die Runtastic-Gründer als auch Hansmann, einer der wichtigsten Startup-Investoren des Alpenlandes, haben nun sehr viel Kapital zur Verfügung, das sie unter anderem in österreichische Startups investieren könnten.
Die Runtastic-Übernahme könnte aber noch einen anderen Effekt haben: Spätestens jetzt werden sich internationale Geldgeber und Konzerne sehr genau in Österreich umschauen, ob sie hier Finanzierungen stellen wollen oder Übernahme-Kandidaten finden. Im Kleinen hat das schon begonnen: Startups wie mySugr (Diabetes-Apps), Prescreen (E-Recruiting-Software) oder ChatGrape (firmeninternes Messaging) haben 2015 bereits Millionenfinanzierungen aus dem Ausland erhalten (mehr dazu hier).
So groß die Euphorie ist, gibt es aber auch Zweifler: In der Online-Ausgabe der österreichischen Tageszeitung “Der Standard” kommentierte Journalist Gianluca Wallisch: “Sind wir also auch die Startup-Kings? Mitnichten. Wir sind weit davon entfernt.” Aufgrund einer verschlafenen Innovationspolitik der österreichischen Regierung sieht er die Gefahr, dass Österreich zum reinen Absatzmarkt verkommt.
Die Zahl jener, die Österreich den Rücken kehren und es woanders versuchen wollen, ist nicht gerade klein. Diesen Braindrain negiert die Politik bisher – so wie sie es auch verabsäumt, unser Land für hochqualifizierte ausländische Fachkräfte interessanter zu machen, so Wallisch.
Jüngstes Beispiel: Das auf schnelles Video-Streaming spezialisierte Kärntner Startup Bitmovin ist auf dem Weg ins Silicon Valley.
Der Druck aus den USA
Für Adidas, bei einem Jahresumsatz in 2014 von 14,5 Mrd. Euro, sind 220 Mio. Euro (sie wurden bereits vergangene Woche an den vormaligen Mehrheitseigner Axel Springer, die Runtastic-Gründer und Hansmann überwiesen) nicht wenig Geld. Die Erwartungen liegen dementsprechend hoch, denn Adidas spricht bereits von der “intelligenten Vernetzung von Bällen, Handgelenkgeräten, Bekleidung oder Schuhen” – Runtastic mit seinem Sport-Portal mit 70 Millionen registrierten Nutzern soll da offenbar als digitale Drehscheibe für die vernetzten Produkte dienen.
Der Kaufpreis dürfte aber noch aus einem anderen Grund so hoch sein: In Sachen Wearables, Apps und Internet of Things hat es der deutsche Konzern noch nicht weit gebracht, während die US-Konkurrenz schon einige Schritte weiter ist. Nike bedient mit seinen Nike+-Produkten bereits relativ erfolgreich jene Generation, die auf Self-Tracking mittels Apps und Wearables abfährt. Und der US-Sportartikelhersteller Under Armour hat neben der Übernahme des Runtastic-Rivalen MyFitnessPal um 475 Mio. US-Dollar auch eine Kooperation mit Google in der Tasche, bei der es um die Digitalisierung von Kleidungsstücken geht (“Project Jacquard”). Diesen Herausforderungen muss sich Adidas stellen, um mit seiner starken Brand in einer immer digitaleren Zielgruppe relevant zu bleiben. Und damit steht die Runtastic-Übernahme auch unter folgendem Stern: Ein europäischer Konzern muss sich gegen die digitale Übermacht aus den USA wehren.
Image (adapted) “Handshake – 2 men” by Flazingo Photos (CC BY-SA 2.0)
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