Affinity Photo: mächtiger Bildbearbeiter für Mac und iPad im Test

In Sachen Bildbearbeitung sind Photoshop und Lightroom die unbestrittenen Platzhirsche. Vor diesem Hintergrund will das Software-Studio Serif Labs, eher bekannt als Macher von günstiger Windows-Software wie PhotoPlus X, mit Affinity Photo eine Alternative bieten. Dabei ist der Preis das schlagende Feature, das die Macher hervorheben. Für einmalig 55 Euro gibt es Affinity Photo für den Mac-Desktop, die iPad-Version schlägt mit rund 22 Euro zu Buche.

Im Vergleich gibt es das Foto-Abo der Adobe Creative Cloud mit Photoshop und Lightroom zusammen oder alternativ das Lightroom-CC-Abo mit nur Lightroom und 20 Gigabyte Cloud Speicherplatz ab 11,89 im Monat. Mit diesem Abo-Modell tun sich manche schwer, vergessen dabei aber, dass High End-Bildbearbeitungssoftware, die einst über 1.000 Euro gekostet hat, durch den monatlichen Preis für alle erschwinglicher und damit zugänglicher wird. Wer dennoch gar nichts mit Abo-Software am Hut haben möchte, kann durchaus einen Blick auf das leistungsstarke Paket von Affinity Photo werfen. Ich habe die Version 1.6 für Mac und iPad getestet.

So ähnlich wie Photoshop: Affinity Photo in vertrautes Gewand gekleidet

Die Webseite von Affinity Photo betont den professionellen Anspruch der Software. Sie vereint eine umfangreiche RAW-Entwicklungsumgebung, einen Bildbearbeiter und ein pixelorientiertes Malprogramm unter einem Dach. Bei der Oberfläche hat Serif Labs sich in Optik und Gestaltung der Werkzeuge auf dem Desktop deutlich vom Vorbild Photoshop inspirieren lassen. An Apples inzwischen verblichenes Foto-Programm Aperture erinnert das Interface von Affinity Photo ebenfalls. Dabei wirken nicht nur die Icons vertraut. Auch Dialoge wie zum Beispiel für ein neues Dokument ähneln denen aus demVorbild Photoshop.

Affinity Photo Mac-Interface
Affinity Photo begrüßt mit vertrauten Werkzeugen und Bedienelementen auf dem Desktop. Screenshot by Stefan von Gagern

In der oberen Leiste finden sich Schaltflächen für schnelle Korrekturen wie zum Beispiel Auto-Farbkorrektur, Auto-Kontrastkorrektur und das Erstellen von Auswahlbereichen oder Masken. Im rechten Bereich finden sich unter „Anpassung“ verschiedene weitergehende Korrekturen. Diese lassen sich aufklappen. Mit den Vorschaubildern könnt ihr die Korrekturen mit einem Klick auf das komplette Bild anwenden. Im unteren Bereich zeichnet – ebenfalls von Vorbild Photoshop bekannt – die Protokoll-Palette alle Arbeitsschritte auf und ermöglicht so eine schrittweise Rückkehr zum Original-Bild.

Affinity Photo bietet viele Werkzeuge und Funktionen

Die Fenster auf dem Desktop sind beweglich, lassen sich also aus der Leiste herauslösen. So sind häufig gebrauchte Funktionen immer zur Hand. Das Programm ist in mehrere Arbeitsbereiche unterteilt.

So greift ein Medienbrowser auf die Bildersammlungen von Aperture, Apple Fotos und auf dem Desktop gespeicherte Bilder direkt zu. Ein weiterer Arbeitsbereich mit „Personas“ bündelt häufige Tätigkeiten wie zum Beispiel „Liquify“ für Retusche. Auch für die RAW-Bearbeitung gibt es einen eigenen Arbeitsbereich, der Anpassung von Kontrast, Sättigung, Farben und vieles mehr mit Schiebereglern anbietet. Praktisch für Fotografen mit umfangreicher Ausrüstung: Affinity Photo unterstützt Metadaten und kann hunderte Objektivprofile auslesen.

Darüber hinaus finden anspruchsvolle Bildbearbeiter in der Software die meisten Werkzeuge, die sie von einem Editor erwarten würden – vom Abwedler über Weichzeichner, bist Histogramm, Farbfelder und Pinselspitzen. Sogar der Reparaturpinsel von Photoshop ist vorhanden und wie beim Vorbild benannt. Ebenso wurde das Konzept übernommen, oben in der Leiste passende Optionen zum aktiven Werkzeug anzubieten.

Umgewöhnung ist trotz Ähnlichkeit zu Photoshop nicht banal

Für Photoshop-Veteranen wirkt Affinity Photo vertraut, an vielen Stellen wünsche ich mir als langjähriger Nutzer aber das Original. Zwar erkenne ich auf Anhieb, was die Icons und Werkzeuge bedeuten – und zum Teil auch, wie sie funktionieren. Doch der Teufel steckt dann, wenn man Photoshop kennt, oft im Detail, weil sich das Programm doch bei den vielen Werkzeugoptionen, Paletten und Dialogen stark unterscheidet. Hier ist Umgewöhnen angesagt – was mir im Test nicht so leicht fällt, wie Serif Labs das vielleicht gern hätte. Da frage ich mich, ob es nicht besser gewesen wäre, hätten die Entwickler beim Interface einen eigenständigeren aber dafür in sich schlüssigen und intuitiven Ansatz verfolgt.

Einsteiger hingegen bekommen aus meiner Sicht wenig Hilfen. Die Unterstützung beschränkt sich auf einige Einführungsvideos die nach dem Programmstart angeboten werden sowie auf das Einblenden von Anwendungsbeispielen beim ersten Verwenden beispielsweise des Reparaturpinsels. Im Vergleich dazu finde ich das komplett neu konzipierte Lightroom CC von Adobe bei der RAW-Bearbeitung, Bildverwaltung und schnellen Korrekturen bedienfreundlicher. Dort werden auch Totaleinsteiger an die Hand genommen und durchs Programm geführt.

Affinity Photo iPad Pro Apple Pencil
Für das iPad wurde Affinity Photo angepasst. Es unterstützt auf dem iPad Pro auch den Apple Pencil. Image by Serif Labs

Ferner mag mancher die Trennung mit Personas in verschiedene Bearbeitungsumgebungen zumindest zu Beginn als verwirrend empfinden. Serif Labs versucht damit Ordnung in das Paket zu bringen, das jede Menge Features für Fotografen, Fotokünstler und Grafikdesigner vereint. Nicht umsonst trennt hier Adobe in zwei Programme: Lightroom für schnelle RAW-Entwicklung und Korrekturen, Photoshop für die Bearbeitung im Einzelbild.

Übrigens kann Affinity Photo sowohl PSD-Dateien lesen und auch exportieren, was im Test bei den meisten Versuchen inklusive Ebenen gut klappte und den Um- oder Einstieg vereinfacht. Beim Export besteht die Möglichkeit, die Bearbeitungsfähigkeit oder das Erscheinungsbild zu priorisieren.

Die iPad-Version will ein Desktop-Programm sein

Während man auf dem iPad meist abgespeckte und vereinfachte Versionen der Desktop-Pendants findet, hat Serif gefühlt die kompletten Funktionen in die Mobilversion gehievt. Sinnvollerweise gibt es sie nur fürs iPad, nicht aber fürs iPhone. Der kleinere Telefonbildschirm wäre hoffnungslos überfrachtet.

Auch unterwegs bietet Affinity Photo Personas und eine Fülle von Werkzeuge und Optionen. Nur mit dem Unterschied, dass sie für die Bedienung mit dem Finger oder Apple Pencil überarbeitet wurden. Trotz dieser Anpassung wirkt die Oberfläche mit all den Menüs und Untermenüs für eine mobile App immer noch sehr vollgepackt.

Affinity Photo iPad-Interface
Auf dem iPad besticht die Funktionsvielfalt – die allerdings in ein fast überladenes Interface gepackt ist. Screenshot by Stefan von Gagern

Zum Glück gibt es viele Einführungsvideos (allerdings nur auf Englisch). Denn sonst wäre der Einstieg in die Oberfläche, bei der oft weitere Paletten ausklappen, scrollen und überlagert werden, nicht einfach. Etwas Überblick bringt ein Tipp unten rechts auf das Fragezeichen, das Tool-Tipps zu allen Werkzeugen zeigt. Diese Orientierungshilfe veranschaulicht aber nochmals veranschaulicht, wie unglaublich viel die mobile Version beinhaltet.

Gut gelungen sind die Menüs, mit denen sich zum Beispiel die Breite, Deckkraft und Härte des Pinselstrichs beim Malen oder Retuschieren einstellen lassen. Mit dem Apple Pencil gelingen Auswahlbereiche und Retuschen sehr gut. Beim Zeichnen bekommen andere Apps wie Adobe Photoshop Sketch, Procreate oder Sketchbook Pro das realistische Zeichengefühl aber besser hin. Übrigens braucht Affinity Photo auf dem iPad nicht das Pendant auf dem Desktop. Es handelt sich somit um eine eigenständige Software, die auf Bildverwaltung und -synchronisation in der Cloud verzichtet. Damit setzt sich Serif Labs vom Konzept von Adobes Lightroom CC ab.

Test-Fazit: Profi-Anspruch gelungen, Bedienung darf noch reifen

Auf dem Mac und auf dem iPad wird Affinity Photo seinem Profi-Anspruch gerecht und bietet für seinen erschwinglichen Preis ein starkes Bildbearbeitungspaket. Auf dem iPad ist die App allein als Malsoftware seinen Preis wert – vor allem für Benutzer des iPad Pro. Unter der Funktionsvielfalt leidet jedoch oft die intuitive Bedienung. Im Vergleich zu Photoshop und Lightroom zu erwähnen ist, dass Affinity Photo ein Einzelprogramm ist und keine Cloud-basierte Plattform für Bildbearbeitung. Für wen sich Affinity Photo empfehlen lässt, hängt stark von den persönlichen Vorlieben ab. Unterm Strich füllt Affinity Photo gut das ambitionierte Mittelfeld zwischen Einsteiger-Programmen wie Apple Fotos und der Oberliga wie Photoshop und Lightroom.

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Dieser Artikel erschien zuerst auf Netzpiloten Apple.


Images by Serif Labs, Screenshots by Stefan von Gagern


schreibt als freier Journalist für Zeitschriften und Websites Artikel, Tests und Beiträge über digitale Themen wie Publishing, Internet, Social Media, Gadgets und Digital Lifestyle. Unternehmen berät er bei Konzeption und Umsetzung von Social Media-Auftritten und Content. Privat spielt der Freiberufler aus Hamburg Gitarre und ist oft auf dem Rennrad unterwegs. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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