Mit Social Sharing verschieben sich erneut essentielle Web Funktionen zurück von den Websites hin zur Anzeigesoftware. Ein Segen in vielerlei Hinsicht, der von vielen noch unbeachtet bleibt. Keine Website, vor allem nicht im Blog- und Nachrichtenbereich, kommt heute ohne sogenannte Sharing Buttons aus, also kleine Knöpfe über, unter oder neben dem Artikel, die dem Leser ermöglichen, diesen einfach und schnell in entsprechende soziale Netzwerke zu teilen. Viele dieser Buttons haben außerdem einen Zähler (aus Angeberei, oder um dem Leser Popularität zu signalisieren). Die meisten dieser Buttons, ob als WordPress Plugin oder händisch als Code Snippet integriert, laden eine ganze Reihe JavaScript nach, um das Teilen in die entsprechenden Netzwerke zu ermöglichen.
Datenschützer haben vor allem ein Problem damit, dass damit der Leser wie mit Brotkrumen durch das Netz getrackt werden kann. Denn auch wenn man den Artikel nicht teilt, der JavaScript Code des entsprechenden sozialen Netzwerks wird mit Aufruf des Artikels geladen. Somit wissen Facebook, Twitter, Google, LinkedIn und Co in dem Moment über Ihr Leseverhalten, ob Sie den Artikel teilen oder nicht ist letztendlich nur dem Artikelautor wichtig. Das hat dazu geführt, dass angefangen mit Heise Online viele dieser Sharing Buttons vor allem im deutschsprachigen Raum ein Opt-in erhalten haben, also erst per Klick aktiviert werden müssen, und somit nicht standardmäßig bei Aufruf schon die Scripte laden.
Social Sharing Buttons hop oder flop
Viele Seiten im Netz haben allerdings damit begonnen, gänzlich auf Sharing Buttons zu verzichten. Das hat mehrere Gründe. Zum einen verzögern diese die Ladezeiten oft um viele Millisekunden und verursachen vor allem bei Script-Blockern oder deaktivierter Tracking Funktion ein suboptimales Nutzererlebnis. Zum anderen gehen die Vordenker davon aus, dass wenn man den Artikel wirklich teilen will, man die URL schon kopieren wird. Man will also lieber die qualitativ hochwertigeren, wirklich gewollten Verteilungen statt dem beiläufigen Klicktivismus. Nicht jede Publikation kann sich diesen Luxus leisten. Gerade im Anfangsbereich einer Publikation kann man jede noch so kleine Verteilung brauchen, außerdem haben virale Effekte die Eigenschaft, nicht vorhersehbar zu sein. Keine Sharing Buttons sind für manche Kanäle tödlich.
Die Lösung liegt im Browser
Oder doch nicht? Eine Entwicklung die ich persönlich lange Zeit übersehen habe, stimmt mich nachdenklich. Ich denke sie ist sogar ein Game-Changer wie man sagt, vorausgesetzt hier etablieren sich quasi-Standards und es führt zu einem veränderten Nutzerverhalten. Ich rede von integrierten Verteilmechanismen im Browser oder Lesegerät. Nicht revolutionär, aber man bedenke, dass der Durchschnittsnutzer zwar die meiste Zeit sich im Browser aufhält, seit Jahren aber diesen an sich nicht mehr als Arbeitswerkzeug (Betonung auf Werkzeug) wahrnimmt. Das fing damit an, dass mit dem Aufkommen von Google Chrome die gängigen Webbrowser immer mehr abspeckten und heute neben der Suchleiste kaum mehr standardmäßig Werkzeuge im UI anzeigen. Der Trend könnte in die andere Richtung gehen, nicht nur dann wenn Vivaldi unter Power-Usern, wie von einigen Experten vermutet, mit seinem Funktionsumfang großen Erfolg erzielt.
Firefox bietet z.B. mit dem kleinen Papierflieger Knopf einen sehr bequemen Modus, die aktuelle Seite einfach zu teilen. Dazu kann man diverse Dienste hinzufügen. Die Mobilvarianten (ich kenne nur die Android Versionen) von Firefox und Chrome, haben jeweils integrierte Sharing Optionen. Auf Mobilgeräten ist tatsächlich schon seit Jahren üblich, nicht in Websites integrierte Sharing Buttons zu nutzen, sondern die jeweilige Funktion der Oberfläche des Betriebssystems bzw. des Browsers (Browser kann auch Pocket sein, oder eine beliebige andere App, z.B. die der Tageszeitung der Wahl). Auch bei Chrome ist mit das auf dem Desktop aktuell nur als Extension bekannt. Woanders findet man diesen Ansatz aber schon länger. Der Social Media Manager Marktführer Hootsuite beispielsweise bietet mit dem “Hootlet“ einen Browser Button an, mit dem man Inhalte schnell in diverse Kanäle teilen kann, ohne dafür sein Hootsuite Dashboard aufrufen zu müssen (eine Funktion die ich selbst zu wenig nutze).
Ein digitaler Wandel
Was bringt das? Sollte sich dieser Ansatz weiter verbreiten, würde das Website Betreiber einerseits entlasten, weil sie durch den Verzicht eigener Buttons Platz, Ladezeiten und Wartungsaufwand einsparen, und andererseits einen positiven Datenschutz-Effekt hervorrufen (sofern die Browserhersteller dafür sorgen dass hier keine Trackingscripte aktiv werden bei der Nutzung dieser Social Sharing Buttons – was zum reinen Teilen rein technisch gesehen auch nicht notwendig ist, lediglich zum Liken etc. mit entsprechenden Zählern). Gleichzeitig müssen Publikationen nicht fürchten, dass weniger geteilt wird, denn die Funktion verschiebt sich lediglich vom Inhalt (der Website) hin zum Endgerät (Browser).
Wem das nicht bahnbrechend genug ist als Überlegung, bitte folgender Gedanke zum Schluss. Es gab früher (manchmal findet man es noch), diverse “mach unsere Seite zu deiner Startseite” Buttons in Websites. Auch das eine Funktion die eigentlich auf Browser Ebene zu funktionieren hat. Die Social Sharing Buttons sind eine sehr eigenartige Spezies von Browserfunktionen die wohl durch versäumnis von Mozilla und Co sich so stark als Website-funktionen etabliert haben, dass es uns heute schwer fällt, diese wieder als das anzusehen was sie eigentlich sein sollten: eine Funktion des Browser. Man stelle sich vor, Websites müssten sich auch noch um andere Browserfunktionen kümmern! Ich denke auch im Sinne der weiteren Optimierung des Webs ist es eine sehr positive Entwicklung, wenn wieder mehr nicht-inhaltsbezogene Funktionen von dynamischen Websiten zurück in die Browser wandeln. Ich fasse mich jedenfalls jetzt selbst an die Nase und werde vermehrt die Firefox Funktion und mein Hootlet benutzen, statt mir den Kopf darüber zu zerbrechen, warum die No-Tracking Funktion mal wieder irgendwo den Like Button kaputt gemacht hat. Frohes Teilen!
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Schlagwörter: Browser, button, Datenschutz, Social Media, Social Sharing, Viralität