Erst traf es Time Warner und Hachette, Amazon will die Anbieter zu Preisnachlässen zwingen. Nun sind ausgerechnet keine Vorbestellungen mehr von Disney-Neuerscheinungen möglich. Der Marktführer beim Online-Vertrieb von Büchern, E-Books, Musik-CDs und Spielfilmen lässt in den USA erneut seine Muskeln spielen. Fast kein neuer Disney-Titel kann mehr bei Amazon vorbestellt werden, die Funktion wurde schlichtweg außer Kraft gesetzt. Auch Time Warner wurde vor einem Jahr in ähnlicher Weise verwarnt, um deren Werke zu günstigeren Konditionen zu beziehen. Angeblich geschieht dies stets im Sinne der Konsumenten. Jetzt protestieren gegen dieses Vorgehen in der New York Times über 900 namhafte Schriftsteller.
Die „Amazon-Methode“
Ein Mitarbeiter der E-Book Sparte von Amazon versucht die aktuellen Geschehnisse mit der Einführung des Taschenbuches zu vergleichen. Auch damals war das Geschrei der Verlage groß. Manche von ihnen prophezeiten sogar mit der Einführung der preiswerten Taschenbücher das Ende des Verlagswesens. Dazu kam es bekanntlich nicht. Doch die jetzige Vorgehensweise des US-Konzerns ist nicht neu. Amazon behandelt häufig die Unternehmen nachrangig, die ihnen bei Verhandlungen Probleme bereiten. Bücher sind einfach nicht mehr verfügbar oder, wie jetzt geschehen, Vorbestellungen von bestimmten Filmstudios können nicht mehr durchgeführt werden. Wer den neuen Kinofilm der „Muppets“ oder „Captain America“ haben will, muss warten, bis dieser regulär im Handel verfügbar ist.
Das gilt übrigens für fast alle Neuerscheinungen von Walt Disney Studios Home Entertainment, letzten Sommer war übrigens Warner Home Video an der Reihe. Kürzlich wurden angebliche Lieferschwierigkeiten des E-Commerce Giganten bekannt. Diese betrafen aber interessanterweise ausschließlich Buchtitel des US-Verlags Hachette. Hachtte hatte es zuvor abgelehnt, Amazon einen höheren Anteil des Verkaufserlöses zu überlassen. Das Handelsblatt tituliert das brutale Vorgehen des Konzerns treffend als die „Amazon-Methode„.
So langsam bröckelt das positive Bild von Amazon-Chef Jeff Bezos. Als Käufer und Retter der angeschlagenen Washington Post und Förderer der kleinen Selbstverleger wird Bezos in der Öffentlichkeit gerne als Retter der Branche wahrgenommen. Der offene Brief der 900 Buchautoren wird sich negativ auf das Image des Unternehmens auswirken. Viele Autoren glauben, der Anbieter verstoße mit dem aggressiven Vorgehen gegen das eigene Versprechen, stets nur die Bedürfnisse der Kunden im Auge zu haben. Die Auseinandersetzung mit Verlagen und Filmstudios wird auf dem Rücken der Kunden ausgetragen. Möglicherweise drückte die Aktion der namhaften Autoren den Aktienkurs ein wenig. Die Publicity der Teilnehmer ist nicht zu unterschätzen. Dem hingegen ist eher zweifelhaft, ob sich der Autorenprotest dauerhaft negativ auf die Umsätze auswirken wird.
Preise runter, Graubereich dicht?
In den USA wurde für nur 9,99 Dollar monatlich eine Flatrate für E-Books eingeführt. Der Musik-Streamingdienst Spotify dient dabei als Vorbild. So bald wie möglich wird Amazon dieses Modell auf den europäischen Markt übertragen. Das Angebot mag auf den ersten Blick verführerisch klingen. So wären plötzlich auf einen Schlag 600.000 E-Books zum Preis von einem einzigen verfügbar. Diese Vielfalt an Buchtiteln würde sogar deutlich weniger kosten, als die meisten gedruckten Bücher. Der Nachteil dieses Vertriebsmodells liegt auf der Hand: Bei einem derart niedrigen Preisniveau bleibt weder für die Verlage noch für die Autoren genug übrig. Amazon will die Preise diktieren, diese sind beim Einkauf so gering wie irgend möglich. Frank Schaeffler brachte kürzlich die Fragestellung auf, wer das Leben der Autoren schwer macht. Ist es Amazon oder vielleicht doch die Verlage? Schaeffler kritisiert, das nur die Mega Seller von den Verlagshäusern unterstützt werden, der Rest bleibt außen vor. Das seien exakt die 900 Autoren, die sich jetzt in der Petition gegen Amazon wenden. Schaeffler betrachtet Amazon als Starthilfe, ohne den Konzern hätte es für ihn keine Karriere als Buchautor gegeben.
Branchenbeobachter Spiegelbest geht sogar davon aus, dass eine deutsche Flatrate das Ende des Graubereichs bedeuten würde. Wieso sollte man Ausschau nach illegalen Werken halten, wenn diese bei Amazon zu einem unschlagbar günstigen Preis und zudem virenfrei verfügbar sind? Am Ende wird es keine Schwarzkopierer, Verlage oder den Börsenverein des Deutschen Buchhandels mehr geben, wenn die Maßnahmen von Amazon greifen sollten. Spiegelbest glaubt, dann wäre die Nuss geknackt und das Thema Buchpiraterie endgültig durch. Man wird sehen, ob er recht behält.
Image (adapted) „Etech05: Jeff“ by James Duncan Davidson (CC BY 2.0)
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Schlagwörter: amazon, disney, E-Commerce, Jeff Bezos, Verhandlungen