Apple wird untergehen – ein Zwischenruf der letzten Woche

Für Julian Reichelt von Bild.de wird Apple untergehen – Philipp Biel setzt sich mit dieser mehr oder weniger aussagekräftigen „Analyse“ auseinander. // von Philipp Biel

Julian Reichelt (Screenshot aus einem Video von 20zwoelf.de)

Auch wenn ich als notorischer Nichtleser der Bild-„Zeitung“ gelte, zog sie letzte Woche doch meine Aufmerksamkeit auf sich, da sich vermehrt Freunde und Familie um meine Meinung zu speziell einem Artikel baten. „Warum Apple untergeht“ lautete der Titel der, aus meiner Sicht, erfolgten Pseudoanalyse des Bild.de-Chefredakteurs Julian Reichelt, der mit den unterschiedlichsten Argumenten, Mitteln und Wegen, sowie verschwiegenen Fakten, einen Untergang Apples zu prognostizieren versuchte.


Warum ist das wichtig? Der Chefredakteur von Bild.de, Julian Reichelt, versucht mit allen Mitteln seine Meinung zu einem Thema durchzudrücken, über das er anscheinend selber nicht ausreichend informiert ist.

  • Julian Reichelt ist seine Meinung wichtiger als die Fakten. Weil ihm das iPhone 6 nicht gefällt, wird sogar die Rekordbestellmenge nur am Rande erwähnt.

  • Die Entwicklungs- und Produktionszeit eines Apple-Gerätes wird auf wenige Monate eingeschätzt, liegt aber tatsächlich bei ein bis zwei Jahren.

  • Apple macht nicht erst seitdem Tod von Steve Jobs Fehler, sondern hat schlichtweg die Art des Krisenmanagements geändert.


Julian Reichelt als Apple-Liebhaber

Die erste Passage des Artikels quillt förmlich über mit Lobeshymnen an Apple, „oder vielleicht nicht Apple, sondern Steve Jobs„, um Julian Reichelt zu zitieren. Er ist nach eigenen Aussagen seit 1997 ein stolzer Nutzer von Apple-Computern und zeigte damals seine Zuneigung sogar durch ein Poster mit dem legendären Slogan „Think different“. Außerdem hatte Reichelt sechs bis sieben iBooks und MacBooks, auf denen er zwei Bücher verfasst hat und besaß angeblich so viele iPods, dass er sich an die eigentliche Anzahl nicht mal mehr erinnern könne. Jenen Artikel will er gar auf seinem sechsten iPad geschrieben haben.

Mit Apple geht es bergab

Seit dem Tod des allmächtigen Genies [Steve Jobs] an der Apple-Spitze geht es mit der Firma bergab„, so Julian Reichelt. Doch aus wessen Sicht geht es bergab, frage ich mich? Denn schaut man sich den Aktienkurs an, ist dieser, nachdem Aktiensplit, höher denn je und auch die neusten Verkaufsrekorde des iPhone 6 und iPhone 6 Plus sprechen für sich.

Den „Trend des Niedergangs“ sieht Julian Reichelt anscheinend schon seit langem, jedoch ist das seine persönliche Meinung.

Es war alles Steve Jobs Werk

Einige Monate nach Jobs‘ Tod kaufte ich einen neuen iPod Mini. Das Glas darauf war nicht mehr elegant gefasst, sondern billig aufgeklebt„, beschwert sich Julian Reichelt und verbindet Steve Jobs’ Tod mit einer minderen Qualität der Produkte. Mit diesem Satz gingen bei mir die Alarmglocken an: „Einige Monate nach dem Tod„. Hat sich Julian Reichelt, Chefredakteur von Bild.de. nicht einmal um die Recherche der Entwicklungs- und Produktionszeiten geschert? Anscheinend ist genau dies der Fall, denn man kann auch ohne großartige Analyse davon ausgehen, dass vom Konzept über die Entwicklung, der Umsetzung, dem Testen bis hin zur Massenproduktion ein bis zwei Jahre vergehen und somit Herr Reichelts iPod ein Werk unter Steve Jobs’ Regime war.

Ein weiterer Kritikpunkt sei für ihn die Kamera am iPhone 6, denn „aus dem einst ebenen, wundervoll glatten Gehäuse ragt nun die Kamera hervor wie ein Pickel.“ In diesem Punkt muss ich ihm Recht geben: Die Rückseite vom iPhone 6 ist uneben und ich persönlich bin auch kein Fan davon. Dennoch galt selbiges auch für den letzten iPod Touch und dieser dürfte auf Basis der Entwicklungs- und Produktionszeiten noch auf der Zusammenarbeit von Steve Jobs und Jonathan Ive beruhen.

Auch der nächste Kritikpunkt wurde weit vor Steve Jobs’ Tod aus der Welt geschafft: Reichelt erfreute sich speziell an den meeresblauen Farben des iBooks, die er jetzt vermisst. Geschmackssache, aber sicherlich kein neuer Fehler.

Tim Cook als Ursprung aller Fehler

Das mit iOS 8 und den Apple Maps Fehler zustande gekommen sind, die hätten verhindert werden können, ist gewiss und zugegebenermaßen sind diese unter Tim Cook entstanden, jedoch nicht das Antennagate, welches Reichelt in seinem Artikel gänzlich ignoriert.

Zur Erinnerung: Das Antennagate war ein Baufehler im iPhone 4, welches beim normalen Halten des Gerätes schlechten bis keinen Empfang verursacht hat. Einen selbigen Baufehler hat man jetzt beim iPhone 6 mit dem Bentgate vermutet, dieser betraf laut Apples Aussage aber nur neun Geräte weltweit und wurde mehr gehyped als das er wahr ist.

Eine Aufklärung für Julian Reichelt

Was Julian Reichelt wohl nicht zu verstehen scheint ist, dass sich durch den Führungswechsel kaum etwas geändert hat. Fehler werden weiterhin gemacht und es hat sich jetzt nur etwas an der Problemlösung geändert. Steve Jobs war ein verschlossener Mensch und wollte Fehler nicht eingestehen, denn er machte keine, so seine Ansicht. Deswegen hat es beim Antennagate auch mehrere Monate gedauert, bis wenigstens Hüllen ausgegeben wurden. Tim Cook indessen hört auf die Stimme der Nutzer, versucht ihnen entgegenzukommen, auf Fehler einzugehen und diese zu lösen. Jeder mit einem verbogenen iPhone kann dieses übrigens kostenlos und unkompliziert umtauschen. Das ging mit dem iPhone 4 unter Steve Jobs leider nicht.

Eine Bitte für die Zukunft

Ich würde mir von einem Chefredakteur in der Zukunft wenigstens ein Mindestmaß an Recherche wünschen. Dass dies bei dem Sensationsjournalismus, den die Bild-„Zeitung“ betreibt, nicht immer möglich und vor allem aus ihrer Sicht sinnvoll ist, kann ich nachvollziehen, dennoch ist das Verschweigen von Fakten und mangelhaftes Wissen über die Thematik bei solch einem meinungsgeprägten und -bildenden Artikel gegen jede journalistische Richtlinie.

Das dies bei Julian Reicherlt aber öfters der Fall ist, lässt sich auch am neusten Kommentar „Große Klappe, nix dahinter!“ erkennen. Vom Apple-Kritiker zum Außenpolitikexperten in nur drei Tagen und das mit einem sehr inhaltsvollen 142 Wörter Text – Chapeau!

Sämtliche Links zur Website der Bild-„Zeitung“ wurden mit dem Tool donotlink.com erstellt, um solche Artikel nicht auch noch für Suchmaschinen aufzuwerten.

Dieser Artikel ist ein Ergebnis der Kooperation von Netzpiloten.de mit dem renommierten Apple-Watchblog Appleunity.de. Appleunity ist auch auf Facebook, YouTube, Google+ und Twitter zu finden.


Teaser & Image sind Screenshots aus einem Video-Interview von Julian Reichelt mit 20zwoelf.de


war Geschäftsführer vom Apple Online Magazin appleunity.de, ist nun Geschäftsführer einer Videoberatung für klein und mittelständische Unternehmen und schließt gerade seinen Bachelor an der WHU - Otto Beisheim School of Management ab. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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5 comments

  1. „Reichelt erfreute sich speziell an den meeresblauen Farben des iBooks, die er jetzt vermisst. Geschmackssache, aber sicherlich kein neuer Fehler.“

    Das ist so nicht ganz richtig. Apple ist hauptsächlich Geschmackssache und genau davon lebt Apple heute.

    Die Firma war Jahrelang Pleite und Bill Gates musste Steve ehemals mit Geld aushelfen, weil es früher nicht reichte völlig überteuerte Rechtleistung in ein designtes Gehäuse zu packen.

    Man lebt insbesondere vom Hype, von Formen und Farben. Deswegen besteht ja gerade ein extrem hohes Risiko.
    Rational würde sich kaum einer ein Apple-Gerät kaufen.

    Aber derzeit funktioniert es ja sehr gut und eine Prognose würde ich daher kaum abgeben können.

    Wer hat denn auch gedacht, dass Palm, Psion etc. untergehen. Progrnostierziert wurde das, weil Microsoft nun mitmischte und mit seiner Marktmacht den Markt der Smarphones übernehmen wird. Linuxanhänger prognostizierten Minilinuxe als das was kommen wird.
    Jetzt ist Android und Samsung Markführer und Apple wahrscheinlich noch mehr wie Microsoft.

    „Oder all die krampfhaften Versuche, ein Betriebssystem zu bauen, mit dem ein normaler Mensch umgehen kann.
    Erinnert sich noch jemand an OS/2? Bekannt geworden vor allem dadurch, dass man ohne Probleme gute Technik
    durch mieses Marketing und Ignoranz gegenüber Anwenderbedürfnissen in den Sand setzen kann.
    Und wie war das mit Windows 98: Miese Technik durch gutes Marketing trotz Ignoranz gegenüber Anwenderbedürfnissen in den Markt gedrückt.
    Aber erst Linux! Bewundernswert als Beweis, dass aus uralter Technik bei geschicktem Marketing und penetranter Besserwisserei gegenüber
    Anwenderwünschen ein Kult entsteht, gegen den Sex, Drugs und Rock´n´Roll spießig wirken.
    Apples Leistung, Spät-Hippies mit veralteter Software und überteuerter Hardware in moderne Yuppies zu transformieren, ist allerdings auch kein schlechtes Kunststück.“
    ct 26/1999 editorial

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