Die digitale Disruption ordnet das bestehende Mediensystem komplett neu und führt zu neuen Berufsanforderungen an Medienschaffende. //von Nadja Bauer
Rasante technologische Entwicklungen prägten die letzten 20 Jahre. Vertraute Kommunikationskanäle sind schon wieder Schnee von gestern, dafür redet die Kaffeemaschine mit dem Toaster – Szenen aus Sci-Fiction-Filmen sind längst zur Realität geworden. Digitale Disruption durch das Internet hat neue Medien und Technologien hervorgebracht, die klassische Medien unterwandert haben. Das führt zu einem gesellschaftlichen Wandel, welcher Kommunikation und Mediennutzung auf eine neue Ebene hebt und zahlreiche mediale Entwicklungen bedingt. Neue Geschäftsmodelle und Märkte entstehen.
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Digitale Disruption in der Medienbranche beeinflusst alle tradierten Medien wie Print und TV gesellschaftlich als auch ökonomisch.
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Die neuen Mediengiganten Google und Amazon entwickeln sich selbst zu Contentanbierten und liefern Infrastrukturen für Medien.
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Der einzelne Medienkanal bestimmt nicht länger ein Medienprodukt sondern die übergreifende Mission und der Inhalt.
Ich beschäftige mich schon seit meinen Studium mit digitalem Wandel der Kommunikations- und Medienlandschaft, weil ich es einfach spannend finde, welches kraftvolle und innovative Potenzial das Internet entfaltet. 2007 habe ich beispielsweise das damalige „Medienforum“ an der Hochschule Mittweida mitproduziert, welches „Mediamorphose – Kommunikation im Wandel“ zum Thema hatte. Das gleiche Interesse teile ich mit meiner lieben und hochgeschätzten Freundin Jana Wichmann. Ihr Background ist aus dem audio visuellen Bereich und sie studiert derzeit Zukunftsforschung (M.A.). Deshalb entschlossen wir uns gemeinsam ein Projekt zu starten und in dem Bereich disruptive neue Medien und Geschäftsmodelle zu forschen. Daraus entstand unserer gemeinsamer Vortrag „Back to the Future„, den wir gemeinsam auf dem Medienforum Mittweida vorstellen.
Wie sich Nachrichten heute verbreiten
Inhaltlich streifen wir die Entwicklung der Medien unter disruptiven Gesichtspunkten. Wir gehen also der Frage nach, welches transformierende innovative Potenzial das Internet und daraus resultierende Technologien und Medienfirmen auf tradierte Medien haben und somit auch deren Auswirkungen auf die Berufsfelder der Medienschaffenden. Gerade Social Media hat im Kontext enorme sozio-kulturelle und ökonomische Auswirkungen auf alle Medienbereiche. Smartphones und Tablets als Schnittstellen zu anderen Medien ermöglichen die Entwicklung ganz neuer Formate.
Wenn wir uns die Proteste in der Türkei diesen Jahres in Erinnerung rufen, können wir sehen wie politisch und journalistisch relevant Social Media heute ist. Es zeigt aber auch wie Nachrichten heute verbreitet werden und ihren Ursprung im Social Web haben können. Das klassische Gatgeeper Modell existiert nicht mehr in der Form. Dabei ist investigativer guter Journalismus wichtiger denn je, um Nachrichten für die allgemeine Öffentlichkeit entsprechend aufzubereiten. Im übrigen ist #Occupygezi die erste Bewegung die nach einem Hashtag benannt worden ist.
Zeitungsverlage werden zu digitalen Mischunternehmen
Im Print-Bereich sehen wir die Auswirkungen von digitaler Disruption besonders deutlich sich auch ökonomisch stark auswirken. Dabei ist der anhaltende Rückgang der Verkaufszahlen und Leserschaft im Print in allen Industrieländern zugunsten der Webnutzung nicht neu. Die Verlage waren lange Zeit ratlos und beginnen nun mit dem Ausverkauf ihrer Blätter. Wenn wir in die USA schauen, dann haben wir erst kürzlich den Kauf des Traditionsblatts Washington Post an Jeff Bezos beobachten können.
Auch in Deutschland verkaufte Axel Springer die „Berliner Morgenpost“, das „Abendblatt“ und die „Hörzu“. Stattdessen wird Springer zu einem Mischkonzern, der sich vor allem auf das Digitalgeschäft konzentriert. Auch ein Inkubator – Axel Springer Ideas – wurde gegründet, wo an digitalen Ideen getüftelt wird, die neue Geschäftsmodelle ermöglichen sollen.
Der Second Screen Markt wird ein Game Changer
Auch im Bereich Fernsehen sehen wir das kraftvolle innovative Potenzial der Digitalisierung und damit verbundener Machterlangung der Nutzer. Jeder kann heute schon im Netz sein Programm selbst zusammenstellen durch Dienste wie Netflix, Hulu oder Watchever. Damit verändert sich auch die Nutzung des Gerätes Fernseher. Schauten wir früher nur zum Zweck des Fernsehprogramms, nutzen heute immer mehr Menschen den Fernseher als Multifunktionsgerät für Entertainment und Kommunikation. Darüber hinaus nimmt die Parallelnutzung mit Smartphones und Tabletts immer mehr zu. Die spannende Frage dabei ist, welches Gerät mal das Erst- und Zweitgerät sein wird. Wirklich innovative und nutzerrelevante Anwendungsmöglichkeiten müssen jedoch erst noch geschaffen werden, es gibt aber schon interessante Ansätze. Zum Beispiel bieten Graphic Novels wie „The Wagner Files“ schöne Ergänzungen und Elemente transmedialen Erzählens. Auch der Medienerkennungsdienst „Shazam„, der sich bislang auf Musik konzentrierte, hat das Potenzial von Second Screen für sich erkannt, konzentriert sich aber zunächst auf den US-Markt mit ergänzenden Infos zu Live Inhalten von über 160 Kanälen, so das Blog Netzwertig.
Personalisierte social Services sind das neue Social Web
Auch Social Media befindet sich in fortlaufendem Wandel. Wir erleben derzeit viele Debatten über Datenschutz in der digitalen Kommunikation. Dabei werden auf der Seite der Unternehmen Daten immer wichtiger um ihre Nutzer kennenzulernen, Ihnen die passende Werbung und Kommunikationsangebote auszuspielen und Streuverluste zu vermeiden. Die Nutzer haben dabei berechtigte Bedenken ihre Daten für beispielsweise Facebook-Kampagnen herzugeben. Personalisierte social Service-Apps können da der Schlüssel sein, um zum einen Mehrwert stiftende Angebote zu schaffen und zum anderen die Menschen dahinter besser kennenzulernen. Apps sind dabei so was wie der heilige Gral. Fast jedes Unternehmen hat eine App. Jedoch ist die Mediennutzungszeit begrenzt und hart umkämpft. Dabei lohnt es sich einen Blick auf die Services von Google wie Google Now zu werfen, die es schaffen, Mehrwerte mit Echtzeit und Kontext zu verknüpfen und somit ein relevantes innovatives Angebot schaffen.
Mit einem Blick auf die neuen Medien- und Technologiekonzerne beschließen wir den Ausblick in die Zukunft der Medien. Die neuen Medienriesen haben mittlerweile eine hohe Relevanz für Medienschaffende und tradierte Medienanbieter, da sie Infrastruktur zur Verfügung stellen und auch Daten. So entwickelt sich der Online-Marktplatz Amazon nun selbst auch zum Contentanbieter. Der Konzern produziert selber und bietet mit Amazon Studio auch Filmemachern eine Plattform um ihre Ideen zu entwickeln. Auch bleibt es spannend zu beobachten wie Jeff Bezos mit der Washington Post fortfährt. Einen verbindlichen Blick in Glaskugel möchten wir nicht werfen, dennoch haben sich auf Basis der aktuellen Entwicklungen eben beschriebene interessante Thesen ergeben. Wir können aber sicher sagen, dass sich Medienschaffende weiter umstellen müssen und vor allem sich auch die Studiengänge anpassen müssen. Im Großteil der Unis und Hochschulen ist Social Media kein fester Bestandteil. Heute bestimmt nicht mehr der einzelne Kanal ein Medienprodukt, sondern die Mission und der Inhalt. Transmediales Storytelling wird wichtiger sowie auch multimediales Arbeiten. Und wir wissen: die großen Dinosaurier sind verschwunden. Deswegen immer neugierig bleiben.
Teaser by Steve Snodgrass (CC BY 2.0)
Image by Nadja Bauer
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Schlagwörter: digitalisierung, journalismus, Medienforum Mittweida, Medienwandel
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