Dahinter stecken Träume, Horrorszenarien und schlichtweg Idiotie, wie bei den Pionieren der Künstlichen Intelligenz, die noch nicht einmal in der Lage sind, künstliche Gehirne von Kleinkrebsen nachzubauen oder gar zu verstehen. Biologen versuchen das nun seit Jahrzehnten – ohne Erfolg. Das Kleinstgehirn des Krabbeltierchens besteht gerade mal aus 30 Millionen Neuronen und kontrolliert den Verdauungstrakt. Man hat bis heute nicht verstanden, wie das funktioniert. Es bleibt das nüchterne Fazit: “Wir wissen nicht, wie das menschliche Gehirn arbeitet.”
Ähnliches werden wir wohl beim milliardenschweren Human Brain Project erleben. Humanoide Maschinen sind Hirngespinste von Science-Fiction-Autoren, Wissenschaftlern und Journalisten, die einem mechanistischen Weltbild hinterherlaufen.
Es sind letztlich völlig überdrehte, anmaßende und werbegetriebene Thesen, die man mit Big Data, Künstliche Intelligenz und Neurowissenschaften verbindet. Das wirkt sich positiv auf den Verkauf von Büchern über das Ende des Zufalls aus oder über Neuro-Leadership, Neuro-Marketing und Maschinen-Intelligenz. Es ist eine beliebte Methode, um milliardenschwere Forschungsbudgets und Beratungsaufträge zu kapern, wie beim Human Brain Project. Beim öffentlichen Diskurs sollte man die wirtschaftlichen Interessen dieser Akteure nicht aus den Augen verlieren.
Konstruierte Welten sind immer richtig
Letztlich können die Systeme nur das, was Menschen programmiert haben und daraus ableiten. Es sind hoch manipulative, konstruierte und erfundene Welten, die immer zu richtigen Ergebnissen kommen. Richtig im Sinne des Erfinders, Konstrukteurs, System-Ingenieurs, Mathematikers, Software-Entwicklers, Hirnforschers oder KI-Wissenschaftlers: Die Logik sei nur ein Beschreibungsapparat, so wie die Grammatik für Sprache, sagt Systemtheoretiker Heinz von Foerster im Fernsehinterview mit Lutz Dammbeck:
Die Logik ist ja nur eine Maschine, um mit gewissen Aussagen gewisse andere Aussagen machen und entwickeln zu können. Der Übergang von A nach B, das ist, was die Logik kontrolliert….also die Logik bringt ja gar nichts Neues….die Logik macht es nur möglich, dass Sie von einem Satz, der etwas verschwommen ist, etwas ableiten können, oder Sätze, die ähnlich verschwommen sind, ordentlich beweisen können.
In diesen weltweit funktionierenden Maschinensystemen seien alle Aussagen richtig – im Sinne der Ableitungen.
Beseelte Maschinen
Wer die Manipulatoren der toten Maschinenwelt verstehen will, darf die Maschinen nicht in den Vordergrund stellen und sie beseelen.
Sonst kommt im Wechselspiel von Mensch und Maschine zu viel Toleranz ins Spiel. Ich höre auf zu denken. Das gilt auch für die Moralisierer, die der Technik böse Absichten unterstellen. Wer einen Schuldigen in der Maschinenwelt verortet, unternimmt keine weiteren Denkanstrengungen mehr. Die Maschine ist aber keine Person. Wenn ich den Stecker ziehe, tut sie gar nichts mehr. Maschinen sind immer Werkzeuge von Menschen. Auch der Algorithmus wird von Menschen gemacht und benutzt, sagt der Organisationswissenschaftler Gerhard Wohland.
Da der Mensch aber nicht berechenbar ist, spucken die Maschinen vielleicht sinnvolle Daten zur Stauwarnung und zur Vorhersage von Grippewellen aus, versagen aber bei der Antizipation menschlichen Verhaltens, wenn es denn um komplexe Fragen geht und nicht um meine morgendlichen Rituale, die vom Toilettengang bis zur Verspeisung von Himbeermarmeladen-Brötchen reichen. Für diese Vorhersage braucht man keine aufwendigen Algorithmen – es handelt sich um triviale Gewohnheiten.
Machtanmaßung der Sozialingenieure
Dennoch streben die Big-Data-Maschinisten Modellwelten an, um Wissenschaft, Kultur, Wirtschaft und Politik kontrollieren und steuern zu können. Sie wollen sich mit dem allgegenwärtigen Kontrollverlust nicht zufrieden geben. Das war auch das Bestreben von interdisziplinären Spitzenwissenschaftlern, die sich in den 1950er-Jahren in den sogenannten Macy-Konferenzen in den USA organisiert hatten.
Schon damals schwadronierte der Psychologe Henry A. Murray von einem der schwierigsten Experimente beim globalen Feldzug des Guten – also den Vereinigten Staaten von Amerika – gegen das Böse. Kommt einem bekannt vor, oder? Murray sah sich als Sozialingenieur einer neuen Weltordnung. Das Ziel war die totale Ausforschung von Persönlichkeit und Verhalten, um wünschenswerte Strukturen des Charakters erzeugen und steuern zu können. Das ganze Projekt ist gnadenlos gescheitert.
Teaser & Image „Robot“ by geralt (CC0 Public Domain)
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Schlagwörter: Algorithmen, Big Data, Heinz von Foerster, Henry A. Murray, Maschinen