Bildungsethik jenseits der Zeigestock-Pädagogik

Was Schulen und Hochschulen den Lernenden vermitteln, hat wenig mit Ethik zu tun. Aus Verärgerung über die Vermischung von Moral und Ethik hat Christoph Schmitt ein Buch geschrieben. Titel: „Die Moral ist tot. Es lebe die Ethik – Warum ethische Bildung Schule machen muss.

Der Sinn der Ethik besteht darin, dass wir aus der Differenz zwischen Moral und Ethik lernen, wie wir in Zukunft unsere Gemeinschaft einigermaßen sinnvoll gestalten können.“ Bildungsinstitutionen verharren in einem moralischen Korsett und beflügeln nicht die Weiterentwicklung von Demokratie, Menschenrechte, Ökologie, Gerechtigkeit und Ökonomie.

Moralischer Ablasshandel

Moralvermittlung in Schulen und Hochschulen heißt vor allem, dass wir in der Erziehung lernen, was man tut und was man nicht tut. In der Schule lernen wir ganz bestimmte gesellschaftliche Strukturen, Hierarchien, wir lernen, wer das Sagen und die Macht hat. Und wir lernen eigentlich, dass gut begründetes Argumentieren nicht wirklich weiterhilft“, so Schmitt im ichsagmal.com-Autorengespräch.

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Am Ende bleibt nur Fatalismus übrig oder ein moralischer Ablasshandel, den Wissenschaftler wie Professor Karl Homann als Ethik verkaufen. Bewege Dich in den Bahnen der Machbarkeit und schere Dich nicht um utopische Ziele zur Verbesserung der Welt. Dabei könnte eine kritische und reflektierte Haltung in kleinen und großen Zusammenhängen schon eine Menge verändern.

Autonom agierende Menschen sind unerwünscht

Hier setzt der Autor seine Kritik am Bildungssystem an. Welchen Sinn macht es, soviel Energie reinzustecken, um autonom agierende und ethisch handelnde Individuen hervorzubringen, wenn das Entscheidungspotenzial vor allem in der digitalisierten Gesellschaft immer kleiner wird? Wenn uns Maschinen und die großen Konzerne mit ihrem Röntgenblick durchleuchten, digitalisierte Werkzeuge selbst die WC-Zeiten von Mitarbeitern überprüfen und immer weniger Entscheidungsspielräume vorhanden sind. Da hilft dann auch New Work-Propaganda als Beruhigungsmittel nicht weiter. Die Dressur und die von mir so bezeichnete digitale Käfighaltung in Organisationen fangen schon in der Schule an.

Selbstdenker gefährden ihre Karriere

Schülerinnen und Schüler lernen nicht, wie sie selbst zu normativ bewertbaren oder begründbaren Aussagen oder Handlungsoptionen kommen. Wenn mir im Verlauf meiner ganzen Schulkarriere immer vorgebetet wird, was ich zu tun habe, wenn ich also nicht für das verantwortlich bin, was ich mache, sondern nur entscheidend ist, wie ich es mache, dann zählt eben nur die Bewertung der Ausführung von statischen Lernzielen“, kritisiert Schmitt. Da klingeln seine Ohren. Schulen und Hochschulen züchten heteronome, also fremdbestimmte Subjekte heran und nicht autonom denkende und autonom handelnde Menschen. Wer aus diesem Schema ausbricht, riskiert schlechte Noten und seine Karriere.

Wie sich Bildung aus den Fängen des Bildungssystems befreit

Was könnte helfen? Schmitt bringt einen radikalen Schritt ins Gespräch: Er fordert den Abschied vom klassischen Bildungssystem. Wir selber müssten verstehen, dass wir zur Wissensvermittlung keine Schulen, keine Unterrichtsstunden, keine Fächer, keine Noten und keine Lehrpläne mehr brauchen. Dieser Kulturwandel lässt sich nicht verordnen und dürfte in der Kultusminister-Konferenz schwer vermittelbar sein. In einem verfilzten System werde es da keine Umkehr geben. Schmitt erkennt aber immer mehr Initiativen, die die Bildung aus dem Bildungssystem befreit. Das Notiz-Amt sieht das positiv. So steigt der Außendruck auf die Bildungspolitiker und die Spielräume erhöhen sich, um sich von der Zeigestock-Pädagogik zu lösen.


Image (adapted)“Classroom“ by Wokandapix (CC0 Public Domain)


ist Diplom-Volkswirt, lebt in Bonn und ist Wirtschaftsjournalist, Kolumnist, Moderator und Blogger. Mitglied des Netzpiloten Blogger Networks.


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