Wie nutzt man als Blinder Facebook? Wie schreibt man Mails? Zwar gibt es technische Hilfestellungen – universell nutzbar sind sie aber noch nicht. Blinde und sehbehinderte Menschen haben es besonders schwer, sich im Internet zurecht zu finden. Zwar gibt es zur Verbesserung der Kommunikationssituation im Netz mittlerweile einige technische Hilfestellungen, allerdings sind diese noch nicht umfassend nutzbar. Es muss ein Umdenken auf Seiten der Webanbieter stattfinden. Schwierig wird es, wenn sich vor allem kommerzielle Unternehmen wie Fluganbieter keine Gedanken darüber machen.
Die Hilfsmittel sind da, es müssen nur alle Webanbieter mitspielen
Wie finden sich blinde und sehbehinderte Menschen überhaupt im Internet zurecht? Für Blinde gibt es zwei klassische Geräte. Zum einen der Screenreader, der das Visuelle in Sprache übersetzt. Der Blinde kann sich so durch Inhalte durchklicken und hört alles, was Menschen ohne Behinderungen am Bildschirm sehen. Das ist ein hilfreiches Tool, birgt aber auch Nachteile. Der Nutzer muss erst einmal teilweise komplizierte Tastaturbefehle lernen, bevor er das Gerät benutzen kann. Außerdem ist die mechanische Stimme des Screenreaders anfangs gewöhnungsbedürftig. Dennoch ist es ein Standardtool, das für blinde Menschen bei der Nutzung des Internets nicht mehr wegzudenken ist. Das Visuelle wird so einfach ins Akustische übertragen. „Bei Formularfeldern höre ich zum Beispiel, dass es eines ist und bekomme eine Rückmeldung über meine Eingabe“, sagt Detlev Fischer, Leiter des INCOBS-Projektes für die Nutzbarkeit von Standardtechnologien am Arbeitsplatz. So lassen sich gut Mails schreiben und Nachrichten lesen. Die Braille-Zeile hingegen läuft über den Tastsinn. Die Blindenschrift wird dabei in eine Zeile vor der Tastatur gedrückt und bildet so das ab, was auf dem Bildschirm zu sehen ist. „Das ist das traditionelle Hilfsmittel für Blinde“, sagt Fischer.
Damit diese Geräte allerdings bestmöglich funktionieren können, müssen die Webangebote auch darauf ausgerichtet sein. Um die Barrierefreiheit zu messen, gibt es den sogenannten BITV-Test, angelehnt an die „Barrierefreie Informationstechnik-Verordnung“, der sicherstellt, dass das Webangebot mit den Hilfssoftwares kompatibel ist. Ein zentraler Anhaltspunkt für die Barrierefreiheit sind die Richtlinien für Barrierefreie Webinhalte, die „Web Content Accessibility Guidelines“ (WCAG) – das schließt alle möglichen Behinderungen mit ein, sensorisch, physisch und kognitiv. Eine dauerhafte Lösung wird es allerdings nicht geben: Damit das Internet allgemein barrierefreier werden kann, sei eine kontinuierliche Beschäftigung mit diesem Thema nötig, sagt Jan Hellbusch, Berater für Webanbieter, in einem vorangegangenen Interview mit den Netzpiloten. Die Technologie ändert sich laufend, da muss immer mitgedacht werden.
Kommerzielle Anbieter haben Nachholbedarf
Gesetzlichen Richtlinien für mehr Barrierefreiheit im Netz müssen bislang nur Webanbieter vom Bund beachten. „Es gibt eine Aufforderung an die Länder, sich an die BITV zu halten“, sagt Fischer. „Die Seiten sind daher viel besser als beispielsweise Webseiten von kommerziellen Unternehmen.“ Das birgt einige Probleme für blinde und sehbehinderte Menschen. Die Seiten der Deutschen Bahn beispielsweise sind nicht optimal auf diese Zielgruppe ausgerichtet. Auch Fluganbietern fehlt es noch an Motivation, die Richtlinien umzusetzen und eingeschränkten Menschen somit die Nutzung zu erleichtern. „Das ist ein großes Problem, vor allem da sich Blinde und Sehbehinderte im Normalfall nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegen können“, sagt Fischer.
Barrierefreiheit ist nicht nur Thema der Behörden, die Privatwirtschaft muss nachziehen. „Blinde Nutzer sind keine große Marktmacht, daher lohnt es sich kommerziell oft nicht, auf deren Bedürfnisse einzugehen“, sagt Fischer. Was vielleicht ein Weg sein könnte, auch gewinnorientierte Unternehmen von Barrierefreiheit zu überzeugen, sei das fortschreitende Alter der Bevölkerung in Deutschland: „Es gibt immer mehr alte Menschen, die oft auch sehbehindert sind. Vielleicht zahlt sich das dann über die Senioren eher aus.“ Leider habe die Bundesregierung bislang noch nicht signalisiert, dass sie die Privatwirtschaft zur Barrierefreiheit verpflichten wolle, meint Hellbusch. Da müsse bei den Unternehmen selbst umgedacht werden.
Soziale Medien sind in mobilen Versionen besser nutzbar
Webseiten mit einigermaßen beständigen Inhalten sind eine Sache. Richtig problematisch wird es allerdings bei Social Media-Seiten wie Facebook oder Twitter. Da läuft die Aktualisierung im Sekundentakt – schwer, als blinder oder sehbehinderter Mensch mitzukommen. „Facebook arbeitet schon daran, die Seite diesbezüglich zu verbessern. Allerdings gibt es da sicherlich noch einiges zu tun“, sagt Fischer. Hellbusch, der selbst betroffen ist, tue sich Facebook hingegen nicht an. Darauf verzichte er komplett. Die Seite von Twitter bediene er dagegen regelmäßig: „Es ist aber anstrengend, wenn sich immer etwas ändert und wenn es sehr viele Informationshäppchen gibt.“ Barrierefrei sind die Seiten im Allgemeinen schon, allerdings wird die Nutzung durch die kleinteiligen und komplexen Inhalte erschwert. Gerade bei Social Media-Angeboten sei daher ein Maximum an Barrierefreiheit nötig, sagt Hellbusch.
Durch diese Probleme steigen blinde und sehbehinderte Nutzer oft auf mobile Endgeräte um. „Die Mobilversionen bei Facebook und Co sind im Normalfall besser zu bedienen als am Laptop oder Computer“, sagt Fischer. Daher nutzen viele blinde und sehbehinderte Menschen nicht die reguläre Startseite von Facebook, sondern die für mobile Geräte: m.facebook.com. Diese Seite ist als reine HTML-Seite auf die wesentlichen Inhalte reduziert und daher für blinde und sehbehinderte Nutzer leichter bedienbar.
Image (adapted) „MacBook“ by FirmBee (CC0 Public Domain)
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Schlagwörter: Blinde, Hilfsmittel, Internet, sehbehinderung, Social Media, software